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Einen Blick des Dankes warf Georg auf die ehrwürdigen Züge des Mannes, der ihn auch jetzt wieder aus der drohenden Gefahr rettete. Der Truchseß aber winkte mürrisch den Knechten, dem Befehl des Oberfeldhauptmanns zu folgen; und Georg folgte ihnen durch die Straßen des Lagers nach Frondsbergs Zelt.

Nicht lange nachher stand der Mann vor ihm, dem er so unendlich viel zu danken hatte. Er wollte ihm danken, er wußte nicht wie er ihm seine Ehrfurcht bezeugen sollte; doch Frondsberg sah ihn lächelnd an und zog ihn in seine Arme. »Keinen Dank, keine Entschuldigung!« sprach er, »sah ich doch alles dies voraus, als ich in Ulm von dir Abschied nahm, doch du wolltest es nicht glauben, wolltest dich vergraben in die Burg deiner Väter. Ich kann dich nicht schelten; glaube mir, das Feldlager und die Stürme so vieler Kriege haben mein Herz nicht so verhärtet, daß ich vergessen könnte wie mächtig die Liebe zieht!«

»Mein Freund, mein Vater!« rief Georg, indem er freudig errötete.

»Ja, das bin ich; der Freund deines Vaters, dein Vater; drum war ich oft stolz auf dich, wenn du auch in den feindlichen Reihen standest; dein Name wurde so jung du bist, mit Ehrfurcht genannt, denn Treue und Mut ehrt ein Mann, auch an dem Feinde. Und glaube mir, es kam den meisten von uns erwünscht, daß der Herzog entkam; was konnten wir mit ihm beginnen; der Truchseß hätte vielleicht einen übereilten Streich gemacht, den wir alle zu büßen gehabt hätten.«

»Und was wird mein Schicksal sein?« fragte Georg. »Werde ich lange in Haft gehalten werden? wo ist der Ritter von Lichtenstein? O mein Weib! darf sie mich nicht besuchen?«

Frondsberg lächelte geheimnisvoll. »Das wird schwer halten«, sagte er, »du wirst unter sicherer Bedeckung auf eine Feste geführt, und einem Wächter übergeben werden, der dich streng bewachen und nicht so bald entlassen wird! Doch sei nicht ängstlich, der Ritter von Lichtenstein wird mit dir dorthin abgeführt werden, und ihr beide müsset auf ein Jahr Urfehde schwören.«

Frondsberg wurde hier durch drei Männer unterbrochen, die in das Zelt stürmten; es war der Feldhauptmann von Breitenstein und Dieterich von Kraft, die den Ritter von Lichtenstein in ihrer Mitte führten.

»Hab ich dich wieder, wackerer Junge«, rief Breitenstein, indem er Georgs Hand drückte. »Du machst mir schöne Streiche; dein alter Oheim hat dich mir auf die Seele gebunden, ich solle einen tüchtigen Kämpen aus dir ziehen, der dem Bunde Ehre mache, und nun laufst du zu dem Feind, und haust und stichst auf uns, und hättest gestern beinahe die Schlacht gewonnen, durch dein tollkühnes Stückchen auf unsere Geschütze.«

»Jeder nach seiner Art«, entgegnete Frondsberg, »er hat uns aber auch in Feindes Reihen Ehre gemacht.«

Der Ritter von Lichtenstein umarmte seinen Sohn. »Er ist in Sicherheit«, flüsterte er ihm zu, und beider Augen glänzten von Freude, zu der Rettung des unglücklichen Fürsten beigetragen zu haben. Da fielen die Blicke des alten Ritters auf den grünen Mantel, der noch immer um Georgs Schultern hing; er erstaunte, er sah ihn näher an. »Ha! jetzt erst verstehe ich ganz, wie alles so kommen konnte«, sprach er bewegt, und eine Träne der Freude hing in seinen grauen Wimpern; »sie nahmen dich für ihn; was wäre aus ihm geworden, wenn dich der Mut nur einen Augenblick verlassen hätte? Du hast mehr getan als wir alle, du hast gesiegt, wenn wir jetzt auch Besiegte heißen; komm an mein Herz, du würdiger Sohn.«

»Und Marx Stumpf von Schweinsberg?« fragte Georg; »auch er gefangen?«

»Er hat sich durchgehauen, wer vermöchte auch seinen Hieben zu widerstehen; meine alten Knochen sind mürbe, an mir liegt nichts mehr, aber er ist dem Herzog nachgezogen, und wird ihm eine bessere Hülfe sein als fünzig Reiter. Doch den Pfeifer sah ich nicht; sage, wie ist er entkommen aus dem Streit?«

»Als ein Held«, erwiderte der junge Mann, von der Wehmut der Erinnerung bewegt; »er liegt erstochen an der Brücke.«

»Tot?« rief Lichtenstein, und seine Stimme zitterte; »die treue Seele! doch wohl ihm, er hat getan wie ein Edler, und ist gestorben, treu wie es Männern ziemt!«

Frondsberg näherte sich ihnen und unterbrach ihre Reden. »Ihr scheint mir so niedergeschlagen«, sagte er; »seid mutig und getrost, alter Herr! das Kriegsglück ist wandelbar, und Euer Herzog wird wohl auch wieder zu seinem Lande kommen, wer weiß ob es nicht besser ist, daß wir ihn noch auf einige Zeit in die Fremde schickten. Leget Helm und Panzer ab; das Gefecht zum Frühstück wird Euch die Lust zum Mittagessen nicht verdorben haben. Setzet Euch zu uns. Ich erwarte gegen Mittag den Wächter, unter dessen Obhut Ihr auf eine Burg gebracht werden sollet. Bis dahin lasset uns noch zusammen fröhlich sein!«

»Das ist ein Vorschlag der sich hören läßt«, rief Breitenstein. »Zu Tisch ihr Herren; wahrlich Georg, mit dir habe ich nicht mehr gespeist, seit dem Imbiß im Ulmer Rathaussaal. Komm, wir wollen redlich nachholen was wir versäumten.«

Hans von Breitenstein zog Georg zu sich nieder, die anderen folgten seinem Beispiel; die Knechte trugen auf, und der edle Wein machte den Ritter von Lichtenstein und seinen Sohn vergessen, daß sie in mißlichen Verhältnissen, im feindlichen Lager seien, daß sie vielleicht einem ungewissen Geschick, und wenn sie die Reden Frondsbergs recht deuteten, einer langen Gefangenschaft entgegengehen. Gegen das Ende der Tafel wurde Frondsberg hinausgerufen; bald kam er zurück und sprach mit ernster Miene: »So gerne ich noch länger eure Gesellschaft genossen hätte, liebe Freunde, so tut es jetzt not aufzubrechen. Der Wächter ist da, dem ich euch übergeben muß, und ihr müßt euch sputen, wollet ihr heute noch die Feste erreichen.«

»Ist er ein Ritter, dieser Wächter?« fragte Lichtenstein, indem sich seine Stirne in finstere Falten zog; »ich hoffe man wird auf unseren Stand Rücksicht genommen haben, und uns ein anständiges Geleite geben?«

»Ein Ritter ist er nicht«, antwortete Frondsberg lächelnd, »doch ist er ein anständiges Geleite; ihr werdet euch selbst davon überzeugen.« Er lüftete bei diesen Worten den Vorhang des Zeltes, und es erschienen die holden Züge Mariens; mit dem Weinen der Freude stürzte sie an die Brust ihres Gatten, und der alte Vater stand stumm von Überraschung und Rührung, küßte sein Kind auf die schöne Stirne, und drückte die Hand des biedern Frondsberg.

»Das ist euer Wächter«, sprach dieser, »und der Lichtenstein die Feste wo sie euch gefangenhalten soll. Ich sehe es ihren Augen an, sie wird den jungen Herrn nicht zu strenge halten, und der alte wird sich nicht über sie beklagen können; doch rate ich Euch, Töchterchen, habet ein wachsames Auge auf die Gefangenen, lasset sie nicht wieder von der Burg, gestattet nicht, daß sie wieder Verbindungen mit gewissen Leuten anknüpfen, Ihr haftet mit Eurem Kopf dafür!«

»Aber lieber Herr«, entgegnete Marie, indem sie den Geliebten inniger an sich drückte und lächelnd zu dem strengen Herrn aufblickte; »bedenket, er ist ja mein Haupt, wie kann ich ihm etwas befehlen?«

»Eben deswegen hütet Euch, daß Ihr dieses Haupt nicht wieder verlieret; bindet ihn mit einem Liebesknoten recht fest, daß er Euch nicht entlaufe, er ändert nur gar zu leicht die Farbe; wir haben Beispiele!«

»Ich trug nur eine Farbe, mein väterlicher Freund!« entgegnete der junge Mann, indem er in die Augen seiner schönen Frau und auf die Feldbinde niedersah, die seine Brust umzog; »nur eine, und dieser blieb ich treu –«

»Wohlan! so halte ferner nur zu ihr,« sagte Frondsberg, und reichte ihm die Hand zum Abschied. »Lebe wohl! Die Pferde harren vor dem Zelt; bringet Eure Gefangenen sicher auf die Feste, schöne Frau, und gedenket huldreich des alten Frondsberg.«

Marie schied von diesem Edeln mit Tränen in den Augen, auch die Männer nahmen bewegt seine Hand, denn sie wußten wohl, daß ohne seine Hülfe ihr Geschick sich nicht so freundlich gewendet hätte. Noch lange sah ihnen Georg von Frondsberg nach, bis sie an der äußersten Zeltgasse um die Ecke bogen. »Er ist in guten Händen«, sagte er dann, indem er sich zu Breitenstein wandte, »wahrlich, der Segen seines Vaters ruht auf ihm. Ein gutes schönes Weib und ein Erbe, wie wenige sind im Schwabenland.«