»Mützen. Gut, gut.« Er wich ihrem Blick aus. Als Georges Frau und Tochter mit dem Nähen begannen, hatte sich Brett ihnen angeschlossen, denn es schien nicht gerade ein Verrat zu sein, einem anderen menschlichen Wesen zu helfen, seinen Nacken vor Regen oder Sonnenbrand zu schützen. Warum hielt sich dann so hartnäckig dieses unterschwellige Gefühl der Treulosigkeit, während sie nähte?
Sie zahlte ein halbes Dutzend Spulen und verließ den Laden. Beim Klang einer quietschenden Bohle drehte sie sich abrupt nach links; sofort wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan. Da standen die beiden Müßiggänger und wirbelten Bier in ihren Blechkrügen herum.
»Was gibt’s Neues von Jeff Davis, Lady?«
Sie wollte ihn einen Idioten nennen, entschied aber, daß es sicherer war, die Bemerkung zu ignorieren. Mit klopfendem Herzen eilte sie zu ihrem Buggy. Niemand war auf der Straße zu sehen. Sie hörte Geräusche hinter sich, schweren Atem, Stiefel auf harter Erde und spürte den Mann schon, noch ehe er sie an der Schulter packte und herumriß. Sie roch seine dreckige Kleidung und den Alkoholgestank.
»Möcht’ wetten, du betest drum, daß Old Abe eines Nachts der Schlag trifft und er tot umfällt, he?« Der Begleiter des Mannes fand das so komisch, daß er losgröhlte. Das erregte die Aufmerksamkeit von zwei Männern auf der anderen Straßenseite. Als sie sahen, wer da belästigt wurde, gingen sie weiter.
Mit schwerer Zunge sagte der Mann: »Hast immer noch ein paar Nigger daheim in Carolina?«
»Ihr betrunkenen Idioten«, sagte Brett. »Laßt eure Pfoten von mir.«
Der zweite Mann kicherte. »Das ist der alte Rebellengeist, nich’, Lute?«
Der erste Mann grub seine Finger in Bretts Ärmel. Ihr Gesicht verzerrte sich. »Mit deinen Augen stimmt was nicht, Frau. Ich bin ein Weißer. Mit mir kannst du nicht wie mit deinen verdammten Sklaven reden. Krieg das in deinen Schädel, und das auch. Wir woll’n keine Sezessions-Verräter in der Stadt haben.« Er schüttelte sie. »Kapiert?«
»Fessenden, laß sie los, sofort.«
Pinckney Herbert war aus seinem Laden aufgetaucht. Der zweite Mann rannte auf ihn zu. »Rein mit dir, alter Jude!« Ein harter Schlag ließ den Händler zusammenklappen und warf ihn durch die Tür zurück. Er versuchte, sich zu erheben, während Fessenden seinen Bierkrug fallen ließ, Bretts Schultern packte und sie so hart schüttelte, daß es ihr weh tun mußte; vielleicht wollte er dabei auch ihre Brüste berühren.
Herbert packte den Türrahmen und versuchte sich hochzuziehen. Der zweite Mann schlug ihn unter das Kinn. Mit einem unwillkürlichen Aufschrei krachte Herbert auf den Rücken. Brett wußte, daß sie um Hilfe hätte rufen können, aber das ging ihr gegen den Strich. Auf einmal schien die Furcht sie zu überwältigen. Mit halb geschlossenen Augen sackte sie unter Fessendens Griff zusammen.
»Bitte, lassen Sie mich los!« Kamen Tränen? »Oh, bitte – ich bin nur eine arme Frau. Nicht so stark wie Sie.«
»Na, genau so soll sich ein Südstaaten-Mädel anhören.« Lachen. Fessenden schlang einen Arm um ihre Taille, preßte sie gegen das Rad des Buggys, beugte sich über sie; sein Bart kratzte über ihre Wange. »Sag bitteschön und warte, was passiert.«
Anscheinend verstand sie ihn nicht. »Ich bin nicht – groß und stark wie Sie – Sie müssen freundlich sein – höflich – Das könnten Sie doch? Ja?« Kleine, verzweifelte Seufzer mischten sich zwischen die zitternden Worte der Bitte.
»Ich werde drüber nachdenken, Missy«, versprach Fessenden. Seine andere Hand griff nach ihrem Rock und den Petticoats darunter und dem Bein unter den Petticoats. Dadurch hatte sie die Hände frei.
»Du Yankeedreck.« Mit dem Bein, das er nicht festhielt, trat sie ihm in die Geschlechtsteile. Während er aufkreischte und rot anlief, stieß sie ihn in den Staub. Obwohl Pinckney Herbert immer noch mit blassem, schmerzverzerrtem Gesicht im Türrahmen stand, brach er über das unerwartete Wiederaufblühen der welkenden Blume in Gelächter aus.
Fessenden umklammerte seine Genitalien. Sein Freund belegte Brett mit einem üblen Schimpfnamen und ging auf sie los. Sie riß die Peitsche aus der Halterung und knallte sie ihm über die Backe.
Er sprang zurück, als hätte man ihm Feuer unter dem Hintern gemacht, und stolperte mit einem Schrei über Fessenden. Er landete auf dem Kopf, wobei er es gleichzeitig schaffte, Fessenden ins Gesicht zu treten.
Brett warf ihr Päckchen mit den Garnrollen auf den Boden des Einspänners, band das Pferd los und kletterte flink auf den Sitz. Als sie nach den Zügeln griff, stürmte der zweite Rowdy, wieder auf den Beinen, erneut auf sie los. Über ihren linken Arm hinweg versetzte sie ihm mit der rechten Hand einen zweiten Peitschenschlag ins Gesicht.
Mittlerweile waren einige Bürger, deren Gewissen sich doch noch gerührt hatte, in den Türen aufgetaucht und forderten ein Ende der Pöbelei. Ein bißchen zu spät, besten Dank. Sie jagte den Buggy auf die Hügelstraße zu; wie bösartige Wolken, die den Sommerstürmen vorausgingen, stieg hinter ihr der gelbe Staub auf. Wie ich diese Stadt hasse, diesen Krieg – alles, dachte sie, als die Wut der Verzweiflung wich.
10
Auf der provisorisch errichteten Bühne am Ende des großen Saales litt George Hazard furchtbar; Hitze, Redeschwälle und der härteste je von Menschenhand hergestellte Stuhl quälten ihn. Vor sich sah er feuchte Gesichter, wedelnde Papiere, Palmblattfächer und Fähnchen in jeder Wand.
Hinter George und den anderen Würdenträgern hing eine Lithographie des Präsidenten. Bürgermeister Blane, der bei Hazards als Vorarbeiter der Nachtschicht tätig war, hatte sich von seinem üblichen Tagesschlaf erhoben, um den Vorsitz der Versammlung zu übernehmen. Blane trommelte auf der Rednertribüne herum.
»Unsere Fahne ist geschändet worden! Entweiht! Niedergerissen von Davis und seinem verräterischen Mob von Pseudo-Aristokraten! Auf eine solche Mißhandlung der geheiligten Fahne kann es nur zwei Antworten geben: eine Geschoßsalve und einen Henkersstrick für jene, die es gewagt haben, diese Nation und ihr geliebtes, ehrwürdiges Wahrzeichen zu zerreißen!«
Allmächtiger, dachte George. Wie lange will er noch weitermachen? Blane sollte lediglich die beiden Hauptredner vorstellen; George war der widerwillige erste Redner, und ein führender Republikaner aus Bethlehem der zweite. Der Politiker stellte ein Freiwilligenregiment im Tal zusammen.
Der Bürgermeister redete und redete. George hätte es vorgezogen, an seinem Schreibtisch zu sitzen, die Produktion bei Hazard zu überwachen oder die Details für die Eröffnung einer Bank in Lehigh Station, der ersten in der Stadt, auszuarbeiten.
Für die Hazard-Werke und die meisten ihrer Angestellten war es zu unbequem geworden, die Bankgeschäfte in Bethlehem abzuwickeln. George vertraute darauf, daß eine örtliche Bank sinnvoll wäre und mit der Zeit sogar Profit abwerfen würde. Die neue Bank würde unter Pennsylvanias überarbeiteter Bankverordnung von 1824 eingerichtet werden, mit einer Zulassung von zwanzig Jahren und dreizehn Direktoren, die alle Bürger der Vereinigten Staaten und Aktienbesitzer zu sein hatten. Er und sein örtlicher Anwalt, Jupiter Smith, hatten alle Hände voll zu tun, die von der Zulassungsbehörde, der staatlichen Legislatur, verlangten Papiere vorzubereiten.
Statt dessen saß er hier, weil er der einzige Einwohner der Stadt war, der im Mexikanischen Krieg gekämpft hatte, und das Publikum nach einigen flammenden Bemerkungen über die Glorie des Krieges lechzte. Nun, er würde ihnen geben, was sie ersehnten, und sich bemühen, sich deswegen nicht allzu schuldig zu fühlen. Er wagte nicht laut zu sagen, was er wirklich in Mexiko gelernt hatte. Krieg war niemals glorreich, niemals großartig – außer in Aufrufen und Verkündigungen von Leuten, die nie dabei gewesen waren.
»Auf nach Richmond! Hoch lebe der alte Ruhm! An den Galgen mit den nichtswürdigen, gottlosen Konföderierten!«