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Cooper versuchte in Charleston eine Schiffsbauindustrie zu etablieren und hatte sogar mit der Konstruktion eines gewaltigen Eisenschiffs begonnen, entworfen nach den Plänen, die der geniale britische Konstrukteur Brunei ausgearbeitet hatte. George hatte Geld in das waghalsige Unternehmen gesteckt, mehr um ihrer Freundschaft willen und weil er Coopers Glauben teilte, als um eines schnellen Profits willen, für den die Aussichten gering waren.

In den letzten Tagen von Fort Sumter, als der Krieg zur Gewißheit wurde, hatte Orry Hypotheken auf den Familienbesitz aufgenommen und soviel Bargeld wie nur möglich zusammengekratzt. Die Summe belief sich auf sechshundertfünfzigtausend Dollar, einen Bruchteil der ursprünglich von George investierten Million und neunhunderttausend Dollar. Trotz seines deutlichen Südstaatenakzents hatte Orry es auf sich genommen, das Geld in einer kleinen, unscheinbaren Tasche per Zug nach Lehigh Station zu bringen. Das Risiko war gewaltig, aber er kam trotzdem. Aus Freundschaft und weil es um eine Ehrensache ging.

In der Nacht, in der sich die beiden Freunde trafen, hatte Virgilia heimlich den Mob zusammengetrommelt – mit ziemlicher Sicherheit, um den Besucher lynchen zu lassen. Aber der Versuch war fehlgeschlagen, Orry konnte sich mit dem Spätzug in Sicherheit bringen und befand sich nun – wo? South Carolina? War er sicher nach Hause gelangt, so besaß er wenigstens eine Chance, glücklich zu werden. Madeline LaMotte, die Frau, die Orrys Liebe besaß, wie sie ihn trotz ihrer Gefangenschaft in einer unheilvollen Ehe liebte, war nach Mont Royal geeilt, um vor einer Verschwörung gegen Billy zu warnen. Einmal dort, blieb Madeline gegen den Willen ihres Mannes, der sie seit Jahren systematisch gequält hatte.

Der Fall von Fort Sumter erzwang neue Entscheidungen. Charles hatte sich, nach seinem Ausscheiden aus der Armee der Vereinigten Staaten, der Kavallerie von South Carolina angeschlossen. Sein bester Freund, Billy, blieb bei den Pionieren der Union. Und Billys in den Südstaaten geborene Frau Brett lebte in Lehigh Station. Die persönliche Welt der Mains und der Hazards befand sich in einem höchst unsicheren Gleichgewicht, während sich massive, bedrohliche, unvorhersehbare Gefahren zusammenbrauten.

Das war es, was George während der vergangenen vierzehn Tage verdrängt hatte. Das Leben war eine zerbrechliche Angelegenheit. Freundschaft ebenso. Vor ihrer Trennung hatten er und Orry sich geschworen, daß der Krieg niemals das Band zwischen ihnen zerschneiden könnte. Als er sich an die Schrecken dieser Nacht, an die Schmerzensschreie und Glutkaskaden erinnerte, fragte sich George, ob sie sich nicht naiv verhielten. Ein fast wildes Gefühl durchpulste ihn, daß er etwas unternehmen mußte, um sich selbst seine Hingabe an die Verteidigung ihrer Freundschaft zu bestätigen.

Er brachte sein Pferd in den Stall und ging direkt in die Bibliothek von Belvedere, ein geräumiges Zimmer mit dem Geruch von Leder und Papier.

Als er auf seinen Schreibtisch zuging, sah er aus den Augenwinkeln ein Erinnerungsstück, das auf einem ansonst stets leeren Tisch aufbewahrt wurde. Es war ein konischer Gegenstand, aus grobem Material, ungefähr fünfzehn Zentimeter hoch. Die dunkelbraune Farbe deutete auf schweres Eisenerz hin.

Ihm wurde klar, weshalb seine Aufmerksamkeit erregt worden war. Irgendjemand – möglicherweise das Hausmädchen – hatte den Gegenstand aus seiner gewohnten Position gerückt. Er nahm den Meteoriten in die Hand und hielt ihn fest, während er den Ort vor sich sah, wo er ihn vor langer Zeit gefunden hatte in den Hügeln um West Point während seiner Kadettenzeit.

Was in seiner Hand lag, war der Splitter eines Meteoriten, der aus unvorstellbaren Fernen durch die bestirnte Finsternis gekommen war. Sternen-Eisen, so nannten es die alten Männer seines Fachs, seine Vorfahren. Als die Pharaonen ihr Reich am Nil regiert hatten, war es bereits bekannt gewesen.

Eisen. Der mächtigste Stoff des Universums. Das Rohmaterial für den Aufbau und die Zerstörung von Zivilisationen. Daraus wurden die gewaltigen Todeswaffen geschmiedet, die George aus einer ganzen Reihe von Gründen zu produzieren beabsichtigte: Patriotismus, Haß auf die Sklaverei, Profit, ein väterliches Verantwortungsgefühl für jene, die bei ihm arbeiteten.

Was hier in seinen Händen lag, war, in gewissem Sinne, Krieg. Schnell legte er das Stück auf den Tisch zurück, genau an die Stelle, wo es hingehörte.

Er zündete das Gaslicht über seinem Schreibtisch an und öffnete die untere Schublade, in die er die kleine, einfache Tasche getan hatte zur Erinnerung. Eine Weile betrachtete er die Tasche. Dann, aus einem tiefen Gefühl heraus, tauchte er die Feder ein und schrieb mit großer Geschwindigkeit:

Mein lieber Orry,

als Du diese Tasche zurückgabst, hast du eine Tat von höchstem Mut und Anstand vollbracht. Es ist eine Tat, die ich eines Tages hoffentlich wiedergutmachen kann. Falls ich es nicht tue – nicht tun kann –, so nimm diese Worte hier, damit Du meine Absichten kennst.

Vor allem sollst Du wissen, daß ich unbedingt das Band der Zuneigung zwischen unseren beiden Familien bewahren möchte, das seit so vielen Jahren gewachsen und immer stärker geworden ist. Das ist mein aufrichtigster Wunsch, und danach habe ich gestrebt, trotz Virgilia, trotz Ashton, trotz der Lektionen über die Natur des Krieges, die ich einst in Mexiko gelernt, aber bis heute nacht vergessen hatte.

Ich weiß, daß Du an den Wert dieses Bandes ebenso glaubst wie ich. Aber es ist so zerbrechlich wie ein Weizenhalm vor der Eisensense. Sollte es uns nicht gelingen, das zu bewahren, was so sehr Bewahrung verdient oder falls ein Hazard oder Main fällt, was, möge Gott Erbarmen mit uns haben, durchaus der Fall sein kann, wenn dieser Konflikt länger andauert –, so wirst Du wissen, daß ich unsere Freundschaft über alles andere stellte und sie nie aufgegeben habe. So, wie ich weiß, daß Du es auch tun wirst. Ich bete darum, daß wir uns sehen, wenn alles vorbei ist, doch falls nicht, so rufe ich Dir – aus meinem tiefsten Herzen – ein liebevolles auf Wiedersehen zu. Dein Freund –

Er wollte gerade den ersten Buchstaben seines Vornamens schreiben, doch dann schrieb er statt dessen mit einem feinen, traurigen Lächeln seinen Spitznamen von West Point: Stumpf.

Langsam faltete er die Blätter; langsam legte er sie in die Tasche und schnallte sie zu; langsam schloß er die Schublade und erhob sich, begleitet von einigen irritierenden Geräuschen seiner Gelenke. Wegen der warmen Nacht standen die Fenster überall in Belvedere offen. Er roch den schwächer werdenden Brandgeruch, den der Wind herbeitrug. Ihn fror, und er fühlte sich alt, als er das Gaslicht ausdrehte und müde die Treppe hochstieg.

Erstes Buch.

Eine Vision von Scott

Die Flagge, die jetzt noch hier in der Brise flattert, wird vor dem 1. Mai über dem Dom des alten Kapitols von Washington wehen.

Leroy P. Walker, Kriegsminister der Konföderierten, bei einer Rede in Montgomery, Alabama, April 1861

1

Die Morgensonne überflutete die Weide. Plötzlich tauchten hinter einem Hügel drei schwarze Pferde auf. Zwei weitere Pferde, mit herrlich glänzendem Fell und wehenden Mähnen und Schweifen, folgten ihnen hinunter in das windgepeitschte Gras. Dicht dahinter erschienen zwei berittene Sergeants in reichlich mit Tressen versehenen Husarenjacken. Die Sergeants, breites Grinsen auf den Gesichtern, ritten im Galopp, brüllend und ihre Mützen in Richtung der schwarzen Pferde schwenkend.