Der Anblick lenkte sofort Captain Charles Mains Truppe ab. Die jungen Freiwilligen aus South Carolina ritten auf ihren Braunen eine Straße entlang, die sich durch Wälder und Farmland des Prince William County schlängelte. Die Drei-Tage-Übung hatte sie ein ganzes Stück nordwärts zwischen Richmond und Ashland geführt, aber Charles glaubte, daß ein langer Ritt nötig war, um die Männer einzugewöhnen. Alle waren sie geborene Reiter und Jäger; andere Leute hätte Colonel Hampton für die Kavallerietruppe, die er in Columbia zusammengestellt hatte, gar nicht genommen. Aber ihre Reaktion auf die Poinsett Tactics, so der inoffizielle Name für das Handbuch, das seit 1841 die Bibel des Kavalleristen war, reichte von unterdrückter Gleichgültigkeit bis zu lauter Verachtung.
»Verschone mich vor Gentlemen-Soldaten«, murmelte Charles, als einige seiner Männer ihre Pferde dem Zaun zuwandten, der Straße und Wiese trennte. Die schwarzen Pferde schwenkten um und galoppierten neben dem Zaun her. Die schwitzenden Sergeants waren ihnen hart auf den Fersen; sie donnerten an der langen Reihe der Kavalleristen in ihren schmucken, mit glänzenden Goldknöpfen verzierten Jacken vorbei.
»Wer seid ihr, Jungs?« rief Charles’ Senior-Lieutenant, ein untersetzter, fröhlicher junger Mann mit rotem Kraushaar.
Die Junibrise trug, von Hufschlägen überdeckt, die Antwort zurück. »Black Horse. Fauquier County.«
»Zeigen wir ihnen, wie man reitet, Charlie«, schrie First-Lieutenant Ambrose Pell seinem Vorgesetzten zu. Um ein Chaos zu vermeiden, bellte Charles einen Befehclass="underline" »In Zweierreihen – Trab – Vorwärts!«
Das Manöver wurde so schlampig ausgeführt, daß es fast schon an Befehlsverweigerung grenzte. Die Truppe schaffte es, sich in der richtigen Gangart zu Zweierreihen zu formieren, und reagierte dann mit viel Geschrei auf Charles’ Befehl zum Galopp. Aber es war schon zu spät, um die Sergeants noch einholen zu können, die die fünf schwarzen Pferde nach links trieben, über eine Wiese hinweg, und dann in einem Wäldchen verschwanden.
Neid bohrte seinen Stachel in Charles. Wenn die Unteroffiziere tatsächlich zur Black-Horse-Kavallerie gehörten, von der er schon so viel gehört hatte, dann hatten sie sich ein paar edle Tiere eingefangen. Mit seinem eigenen Pferd Dasher, in Columbia gekauft, war er unzufrieden. Die Stute stammte aus guter Carolina-Zucht, scheute aber häufig. Bis jetzt hatte ›die Stürmerin‹ ihrem Namen noch keine Ehre gemacht.
Die Straße bog nach Nordosten ab, weg von der eingezäunten Weide. Charles reduzierte die Gangart auf Trab und ignorierte eine weitere frivole Frage von Ambrose, den er, beruflich gesehen, unglückseligerweise mochte. Er fragte sich, wie um alles in der Welt er aus dieser Ansammlung von Aristokraten, die einen beim Vornamen nannten, West Point verachteten und einen niederzuschlagen versuchten, wenn man ihnen einen unliebsamen Befehl gab, eine Kampfeinheit formen sollte. Seit ihrer Ankunft im Biwak unten in Hanover County hatte Charles zweimal seine Fäuste zu Hilfe nehmen müssen, um Disziplin herzustellen.
In der Hampton-Truppe hatte er so eine Art zusammengewürfelte Einheit bekommen, mit Männern, die aus allen Teilen South Carolinas stammten. Fast alle anderen unter Hamptons Kommando stehenden Einheiten, egal ob zu Fuß oder zu Pferd, waren in einem County, manche sogar in einer einzigen Stadt, zusammengestellt worden. Der Mann, der eine Kompanie formte, gewann für gewöhnlich auch die Wahl, mit der die Freiwilligen sich ihren Captain suchten. In Charles’ Truppe gab es weder derartige Bekanntschaften noch Freundschaften; in seinem Dienstverzeichnis standen Jungs aus den Bergen, vom Fuße des Gebirges, ja sogar aus seinem eigenen Flachland. Dieses bunte Gemisch forderte einen Führer, der nicht nur aus guter Familie stammte, sondern auch über ausreichende Erfahrung in militärischen Dingen verfügte. Ambrose Pell, Charles’ Gegenkandidat bei der Wahl, besaß das erstere, aber nicht das letztere. Und Wade Hampton hatte noch vor der Abstimmung klar gemacht, wer für ihn in Frage kam.
Trotzdem hatte Charles nur mit einer Mehrheit von zwei Stimmen gewonnen. Allmählich wünschte er, er hätte Ambrose gewählt.
Jetzt jedoch, wo die laue Sommerbrise sein Gesicht streichelte und Dasher auf jeden Schenkeldruck reagierte, hatte er das Gefühl, daß er zu großen Wert auf Disziplin legte. Bis jetzt war der Krieg ein einziger Jux. Ein Yankee-General, Butler, war bereits in einem heftigen Gefecht bei Bethel Church vermöbelt worden. Die Yankee-Hauptstadt, die der Politiker aus dem Westen präsidierte, den viele South Caroliner nur den ›Gorilla‹ nannten, sollte sich in ein schreckenstarres Dörfchen verwandelt haben. Das Hauptproblem der vier Truppen der Hampton-Kavallerie schien sich auf epidemische Bauchschmerzen zu beschränken, erzeugt durch zu viele Feste in Richmond.
Sämtliche Freiwilligen hatten sich für zwölf Monate verpflichtet, aber keiner von ihnen glaubte daran, daß dieser Hickhack zwischen den beiden Regierungen neunzig Tage dauern würde. Während er den Duft des sonnenwarmen Grases und des Pferdeleibes einsog, fiel auch Charles, fünfundzwanzig Jahre alt, groß und tief gebräunt und auf eine etwas rauhe Art gut aussehend, der Gedanke schwer, daß sie sich im Krieg befanden. Noch größere Schwierigkeiten bereitete ihm die Erinnerung an das mulmige Gefühl in den Eingeweiden, wenn man ernst gemeinte Kugeln pfeifen hört, obwohl ihm schon einige um die Ohren geflogen waren, bevor er zu Beginn des Jahres bei der Zweiten U.S.-Kavallerie in Texas ausgetreten und heimgekehrt war, um sich den Konföderierten anzuschließen.
»Oh, Jung-Lochinvar kam aus dem Westen – « Charles lächelte; Ambrose sang das Gedicht mit monotoner Stimme. Andere fielen schnell ein: »– überall entlang der weiten Grenze war sein Streitroß am besten.«
Sympathie für diese jungen Heißsporne dämpfte Charles’ professionelle Vorbehalte. Er hätte das Singen unterbinden müssen, aber er tat es nicht, sondern genoß schweigend seine persönliche Isolation. Er war lediglich ein paar Jahre älter als die meisten von ihnen, kam sich aber wie ihr Vater vor.
»So treu in der Liebe und so furchtlos im Krieg – nie gab es einen Ritter, der Jung-Lochinvar glich!«
Wie sie ihren Scott liebten, diese Südstaaten-Jungs. Die Frauen waren da nicht anders. Alle beteten sie Scotts ritterliche Visionen an und lasen unermüdlich jeden Roman und jedes Gedicht, das er geschrieben hatte. Vielleicht lag in dieser seltsamen Bewunderung des alten Sir Walter einer der Schlüssel zu diesem eindeutig seltsamen Krieg verborgen, der noch gar nicht richtig begonnen hatte. Cousin Cooper, der Ketzer der Main-Familie, sagte oft, der Süden blicke zuviel zurück, anstatt sich auf die Gegenwart zu konzentrieren – oder auf den Norden, wo Fabriken wie die Eisenwerke der Hazard-Familie die geographische und politische Landschaft dominierten. Voller Anbetung zurückzublicken zu der Ära von Scotts federgeschmückten Rittern war eine Angewohnheit, die Cooper häufig und voller Leidenschaft kritisierte.
Ganz plötzlich, voraus, zwei Schüsse. Ein Ruf von hinten. Sich im Sattel umdrehend, sah Charles, daß der Kavallerist, der aufgeschrien hatte, noch aufrecht saß – nur überrascht, nicht getroffen. Lautlos seine Unaufmerksamkeit verfluchend, wandte er sich wieder nach vorn und konzentrierte seinen Blick auf ein dichtes Nußbaumwäldchen rechts von der Straße. Blaue Rauchschlieren zwischen den Bäumen verrieten die Stelle, wo die Schüsse abgefeuert worden waren.
Ambrose und einige andere grinsten. »Knöpfen wir uns die Bande vor«, brüllte ein Kavallerist begeistert.
Du Idiot, dachte Charles, während sich seine Magengegend zusammenkrampfte. Er erspähte Pferde in dem Wäldchen und hörte das Knallen weiterer Gewehre, übertönt vom Brüllen seiner eigenen Stimme, die den Befehl zum Angriff gab.