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»Sie meinen, die Wandung würde nicht halten?«

»Ich meine, daß niemand sich bisher mit dem Problem beschäftigt hat. Niemand hat die beteiligten Kräfte je in einen Computer eingegeben - bis vor einer halben Stunde. Dann habe ich mich mal damit befaßt, nur um mir die Zeit zu vertreiben, während rings um mich herum der Teufel losgewesen ist. Ich hatte ja meinen Computer, den habe ich immer dabei. So habe ich also ein paar Prämissen aufgestellt und mich an die Arbeit gemacht.«

»Die Kuppel hält also nicht?«

»Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß nicht, wie gut einige meiner Annahmen sind, aber ich glaube nicht, daß sie halten wird, Aphrodite ist verloren. Die ganze Stadt, alles. Sie und ich plus einer Viertelmillion Menschen. Alle. Die Menge da draußen, die sich an dem Spektakel so begeistert und ergötzt, sie wird in dem Augenblick zum Tode verurteilt sein, in dem die Hand des Mannes den Hebel umlegt.«

Lucky starrte seinen Gesprächspartner schreckerfüllt an. »Wie lange wissen Sie das schon?«

Der Mann sprudelte die Worte in der Absicht, sich selbst zu verteidigen nur so hervor: »Eine halbe Stunde. Aber was soll ich denn machen? Wir können eine Viertelmillion Menschen nicht in Taucheranzüge stecken! Ich dachte daran, mit Morriss zu sprechen, vielleicht könnte man einige der wichtigen Leute in der Stadt schützen, oder aber auch ein paar Frauen und Kinder. Ich wüßte nicht, wen ich zum Überleben auswählten sollte, aber vielleicht sollte man etwas unternehmen. Was meinen Sie?«

»Ich bin mir nicht sicher.« Mit gehetzter Stimme redete der Ingenieur weiter: »Ich habe mir schon überlegt, ob ich nicht selbst einen Taucheranzug anziehen und mich aus dem Staub machen könnte. Die Stadt regelrecht verlassen, meine ich. In Augenblicken wie diesen, sind sowieso keine richtigen Wachen an den Ausgängen postiert.«

Lucky wich von dem zitternden Ingenieur zurück, seine Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen: »Heilige Milchstraße, ich habe Tomaten auf den Augen gehabt!«

Er wandte sich ab und verließ eilig den Raum, sein Verstand kreiste um einen einzigen verzweifelten Gedanken.

VI

Zu spät!

In dem Durcheinander fühlte sich Bigman völlig hilflos. Er hatte sich so gut es ging an die Rockschöße des rastlosen Morriss gehängt, er fand sich damit beschäftigt, von Gruppe zu Gruppe zu traben und dabei atemlosen Unterhaltungen zu folgen, deren Inhalt er auf Grund seiner Unkenntnis über die Verhältnisse auf der Venus, nicht immer begriff.

Morriss hatte keine ruhige Minute. Jede Sekunde bescherte ihm einen neuen Gesprächspartner, einen neuen Bericht, erforderte eine neue Entscheidung. Seitdem Bigman hinter Morriss herrannte, waren erst zwanzig Minuten vergangen, aber es waren bereits ein Dutzend Pläne ausgebrütet und wieder verworfen worden.

Gerade kam ein Mann aus dem bedrohten Abschnitt zurück. Schweratmend sagte er: »Sie haben die Spionstrahlen auf ihn gerichtet, wir können ihn jetzt sehen. Er sitzt bloß da und hält den Hebel fest. Wir haben seine Frau mit ihm sprechen lassen, erst über Funk, dann über die Lautsprecheranlage und schließlich von draußen mit einem Megaphon. Ich glaube nicht, daß er sie hört. Bewegen tut er sich jedenfalls nicht.«

Bigman biß sich auf die Lippen. Was würde Lucky jetzt unternehmen, wenn er hier wäre. Im ersten Moment hatte Bigman daran gedacht, hinter den Mann zukommen - Poppnoe hieß er - und ihn niederzuschießen. Aber darauf war jeder im ersten Augenblick verfallen. Der Gedanke war sofort verworfen worden. Der Mann, der bei dem Hebel saß, hatte sich eingeschlossen; die Kontrollkammern der Kuppel waren so angelegt, daß man mit ihnen keinen Unfug treiben konnte. Jeder Einstieg war sorgfältig verkabelt, wobei die Alarmanlagen durch ein internes Aggregat gespeist wurden. Diese Vorsichtsmaßnahme arbeitete nun umgekehrt - zu Aphrodites Verderben, statt zu ihrem Schutz.

Beim ersten Schrillen, dem Aufleuchten des ersten Warnsignals, dessen war Bigman sich sicher, würde der Hebel umgelegt sein und das Venusmeer auf Aphrodite hereinstürzen. Solange die Stadt noch nicht völlig evakuiert war, konnte man das nicht riskieren.

Jemand anderer hatte Giftgas vorgeschlagen, aber Morriss hatte, ohne sich zu einer Erklärung herbeizulassen, den Kopf geschüttelt. Bigman glaubte zu wissen, was der Mann von der Venus dabei gedacht haben mußte. Der Mann da oben am Schalthebel war weder krank oder verrückt oder auch nur böswillig, sondern stand unter Gedankenkontrolle. Diese Tatsache bedeutete, daß man es mit zwei Feinden zu tun hatte. Wenn man nur den Mann am Hebel nahm, dann war es durchaus möglich, daß er bis jenseits des Punktes, an dem er körperlich noch dazu in der Lage wäre, den Hebel zu bedienen, durch das Gas geschwächt wurde, aber bevor das eintrat, würde sich diese Schwäche in seinem Verstand widerspiegeln, und diejenigen, die Gewalt über ihn hatten, würden die Armmuskulatur ihres Werkzeuges schon schnell genug betätigen.

»Worauf warten die überhaupt noch?« stöhnte Morriss mit leiser Stimme, während ihm der Schweiß in Bächen die Wangen herunterlief. »Wenn ich doch nur eine Atomkanone auf den Punkt richten könnte.«

Bigman wußte, warum auch das unmöglich war. Eine Atomkanone, die man aus nächster Entfernung auf den Mann abfeuern wollte, mußte genug Wucht haben, sich einen Weg durch eine Viertelmeile Stahl und Beton zu bahnen und würde dabei die Kuppel genug beschädigen, um genau die Katastrophe herbeizuführen, die sie zu verhindern suchten.

Wo ist Lucky überhaupt? dachte er und sagte laut: »Wenn ihr an den Burschen nicht herankommt, wie steht es denn mit den Steuereinrichtungen?«

»Wie meinen Sie das?« erkundigte Morriss sich.

»Ich denke daran, den Hebel zu manipulieren. Man braucht doch Energie, um die Schleuse zu manipulieren, oder etwa nicht? Was passiert, wenn man den Strom abschaltet?«

»Ein netter Gedanke, Bigman. Aber jede Schleuse verfügt vor Ort über ein eigenes Notaggregat.«

»Kann es denn nicht von irgendwoher abgedreht werden?«

»Wie denn? Er ist da drinnen hermetisch abgeschlossen, und jeder Quadratmeter ist mit Alarmanlagen vollgepfropft.«

Bigman sah nach oben, und vor seinem geistigen Auge erschien der mächtige Ozean über ihnen. »Dies ist eine eingeschlossene Stadt, wie auf dem Mars. Wir müssen überall hin Luft pumpen. Tun Sie das nicht auch?«

Morriss führte ein Taschentuch an die Stirn und wischte sich mit langsamen Bewegungen den Schweiß ab. Er glotzte den kleinen Marsbewohner an. »Die Luftschächte?«

»Ja, es muß einfach einer zu der Stelle, wo die Schleuse ist, führen, oder etwa nicht?«

»Natürlich.«

»Und gibt es nicht irgendwo auf der Strecke eine Stelle, wo man einen Draht losreißen oder durchschneiden könnte, oder sonst irgendwas?«

»Warten Sie mal eine Sekunde. Anstelle des Giftgases müßte man eine Mikrobombe durch den Schacht schieben.«

»Das ist nicht sicher genug«, unterbrach ihn Bigman ungeduldig. »Schicken Sie einen Mann los. Für eine Unterwasserstadt benötigen Sie doch große Schächte, oder nicht? Würde ein Mann da nicht durchpassen?«

»So groß sind sie nun auch wieder nicht«, gab Morriss zu bedenken.

Bigman schluckte krampfhaft. Seine nächste Bemerkung kostete ihn einige Überwindung. »So groß bin ich nun auch wieder nicht, ich könnte vielleicht durchpassen.«