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»Lucky?«

»Ja, Bigman.«

»Was tun wir als nächstes?«

»Wir verfolgen Lou Evans.«

»Wir? Was ist mit Morriss?«

»Ich habe bei dieser Sache jetzt das Sagen. Ich habe veranlaßt, daß Conway von der Erde aus entsprechende Anordnungen erteilt.«

Bigman nickte in der Dunkelheit. Das erklärte, warum er selbst nicht an der Konferenz hatte teilnehmen dürfen. Er konnte tausend Mal Luckys Freund sein, aber er war deswegen noch lange kein Ratsmitglied. Und in einer Situation, in der Lucky sich gezwungen sah, sich über ein anderes Ratsmitglied hinwegzusetzen und dazu die Vorgesetzten auf der Erde zu seiner Unterstützung einschalten mußte, waren Nichtratsmitglieder als Zeugen ausgesprochen unerwünscht.

Aber nun rührte sich in ihm die alte Lust zu handeln. Es ging in den Ozean hinaus, dem riesigsten und fremdartigsten Ozean, den es im inneren Planetensystem gab. Aufgeregt fragte er: »Wann hauen wir ab?«

»Sobald sie mit unserem Schiff fertig sind. Aber vorher besuchen wir noch Turner.«

»Den Ingenieur? Wozu denn?«

»Ich habe die Unterlagen über alle Leute, die in die Unfälle, hinter denen die Anwendung geistiger Manipulation steckt, in dieser Stadt bis heute verwickelt waren. Ich will noch mehr über den Mann an der Schleuse wissen. Turner ist derjenige, der wahrscheinlich am besten über ihn Bescheid weiß. Aber ehe wir Turner besuchen.«

»Ja?«

»Vorher werden wir eine Runde schlafen, du marsianische Erdnuß. Halt' jetzt die Klappe.«

Turners Wohnung stellte sich als eine Wohnung in einem ziemlich großen Wohnblock heraus, der für Leute bestimmt zu sein schien, die es in der Verwaltungshierarchie weit gebracht hatten. Als sie das Vestibül mit seinen Holztäfelungen und dreidimensionalen Seelandschaften sahen, pfiff Bigman leise durch die Zähne. Lucky ging voraus, trat in den Aufzug und drückte Turners Appartementnummer.

Der Aufzug trug sie fünf Stockwerke empor, glitt dann horizontal von einem Energiestrahl gelenkt weiter und kam vor dem rückwärtigen Eingang von Turners Appartement zum Stillstand. Sie stiegen aus, und der Aufzug verschwand sirrend hinter der nächsten Ecke.

Bigman sah dem Automaten verwundert nach. »Also, so ein Ding habe ich vorher noch nie gesehen.«

»Haben die hier auf der Venus erfunden«, antwortete Lucky. »Sie fangen jetzt an, die auch auf der Erde in die neuen Hochhäuser einzubauen. Bei den älteren Häusern ist das nicht möglich, es sei denn, man konstruiert sie völlig um, damit jede Wohnung einen eigenen Aufzugsterminal bekommt.«

Lucky berührte die Meldetaste, die sofort rot aufleuchtete. Die Tür öffnete sich und eine Frau stand vor ihnen und musterte sie. Sie war klein und zart, jung und recht hübsch. Sie hatte blaue Augen und ihr blondes Haar lag in einer weichen Welle zurückgekämmt und reichte der Venusmode entsprechend über die Ohren.

»Mr. Starr?«

»Stimmt genau, Mrs. Turner«, antwortete Lucky. Er zögerte bei der Anrede etwas; für eine Ehefrau war sie fast ein wenig zu jung.

Aber sie lächelte ihn freundlich an. »Wollen Sie nicht nähertreten? Mein Mann erwartet Sie schon, aber er hat nicht mehr als zwei Stunden Schlaf bekommen, deshalb ist er nicht ganz.«

Sie gingen hinein und die Tür schloß sich hinter ihnen.

»Es tut uns leid, daß wir so früh stören müssen, es handelt sich um eine Notsituation, aber ich glaube nicht, daß wir Mr. Turner lange in Anspruch nehmen müssen.«

»Ach, das ist völlig in Ordnung. Ich verstehe Sie.« Sie schritt übertrieben geschäftig durch das Zimmer und rückte Dinge zurecht, die bereits so, wie sie standen, an Ort und Stelle waren.

Bigman sah sich neugierig um. Die Wohnung machte einen eindeutig - farbenfroh, von Zierrat überladen -, weiblichen Eindruck, beinahe zerbrechlich. Als er die Augen ihrer Gastgeberin auf sich gerichtet sah, sagte er beinahe verlegen: »Sie haben es sehr schön hier, Miss. äh. Ma'am.«

Auf ihren Wangen zeichneten sich Grübchen ab, dann sagte sie: »Ich danke Ihnen. Ich bezweifele zwar, ob Lyman von der Art und Weise, wie ich alles eingerichtet habe, sonderlich begeistert ist, aber er beschwert sich nie, und ich liebe nun einmal Krimskrams und Nippes, Sie nicht?«

Lucky ersparte Bigman darauf zu antworten, indem er sagte: »Leben Sie und Mr. Turner schon sehr lange hier?«

»Erst seitdem wir verheiratet sind. Noch nicht einmal ein Jahr. Es ist ein wunderschönes Appartementhaus, so ziemlich das schönste in ganz Aphrodite. Wir verfügen über von der Außenwelt völlig unabhängige technische Anlagen: eigene Garagendocks, hausinternes Kommunikationsnetz. Es gibt sogar Kammern unter den Fußböden. Stellen Sie sich bloß vor! Kammern! Nicht, daß jemand sie je benutzt, noch nicht einmal gestern abend. Wenigstens glaube ich, daß niemand sie benutzt hat, aber genau kann ich das nicht sagen, weil ich die ganze Aufregung verschlafen habe. Können Sie sich das vorstellen?

Ich habe nicht einmal etwas davon gehört, bis Lyman nach Hause gekommen ist.«

»Das war vielleicht besser so«, bemerkte Lucky. »Sie haben eine Menge Furcht und Schrecken verpaßt.«

»Ich habe eine Menge Spannung verpaßt, wollen Sie wohl sagen«, protestierte sie. »Alle im Haus waren mitten im Gewühl, und ich habe geschlafen. Einfach alles verschlafen habe ich. Kein Mensch hat mich geweckt. Ich finde das schrecklich.«

»Was war schrecklich?« ließ sich eine neue Stimme vernehmen. Lyman Turner betrat den Raum; sein Haar stand ihm wirr vom Kopf, sein gutmütiges Gesicht wies Falten auf und der Schlaf stand ihm noch in den Augen. Seinen geliebten Computer hatte er unter dem Arm. Als er sich setzte, stellte er ihn unter seinen Stuhl.

»Daß ich die ganze Aufregung verschlafen habe«, sagte seine junge Frau. »Wie geht es dir, Lyman?«

»Den Umständen entsprechend ganz gut. Aber mach' dir nichts draus, daß du alles verpaßt hast. Ich bin heilfroh darüber. Hallo, Starr. Tut mir leid, daß ich Sie habe warten lassen.«

»Ich bin gerade erst gekommen«, antwortete Lucky. Mrs. Turner flog auf ihren Gatten zu und küßte ihn flüchtig auf die Wange. »Es ist wohl besser, wenn ich euch Männer jetzt allein lasse.«

Turner tätschelte ihre Schulter, und als sie ging, folgten seine Augen ihr liebevoll. »Nun, meine Herren, es tut mir leid, daß Sie mich in diesem Zustand antreffen, aber ich habe in den letzten Stunden allerhand mitgemacht«, sagte er.

»Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Wie steht es jetzt mit der Kuppel?«

Turner rieb sich die Augen. »Wir verdoppeln die Wachen an den Schleusen und wir sorgen dafür, daß die Steuerungsinstrumente etwas weniger integriert sind. Das stellte den technischen Entwicklungstrend des letzten Jahrhunderts so ziemlich auf den Kopf. Wir verlegen Stromleitungen zu verschiedenen Punkten in der Stadt, damit wir in der Lage sind, die Stromzufuhr von weitem unterbrechen zu können, falls sich so ein Fall wieder ereignen sollte. Und natürlich verstärken wir die Transitschotte, die die einzelnen Stadtabschnitte abdichten sollen. Raucht einer von Ihnen?«

»Nein«, antwortete Lucky.

»Würden Sie mir eine Zigarette aus dem Spender herüberschmeißen, das Ding da, das wie ein Fisch aussieht. Ja, das da. Auch eine Idee meiner Frau. Es ist einfach unmöglich, sie zu bremsen, wenn es um diese lächerlichen Spielzeuge geht, aber was soll's, sie hat nun einmal Spaß daran.« Er errötete ein bißchen. »Ich bin noch nicht lange verheiratet und verwöhne sie immer noch zu sehr, fürchte ich.«

Lucky betrachtete neugierig den seltsamen Fisch, der aus einem steinartigen, grünen Material modelliert worden war und in dessen Maul eine brennende Zigarette zum Vorschein gekommen war, nachdem er auf die Rückenflosse gedrückt hatte.

Das Rauchen schien Turner zu entspannen. Er saß mit übereinandergeschlagenen Beinen da, ein Fuß fuhr in langsamen Rhythmus über die Computertasche.