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In der Vergangenheit hatte sich der neue Kontinent Amerika stürmisch in einer Pracht entwickelt, die die alte europäische

Welt nie hatte nachvollziehen können. Und jetzt zeigte die Venus der Erde ihre Fähigkeiten. Das waren zum Beispiel die Stadtkuppeln. Nirgends auf der Erde hätte man Kraftfelder und Stahl so geschickt miteinander verbinden können. Der Taucheranzug, den er trug, wäre niemals in der Lage gewesen, den Tonnendruck des Wassers auch nur für einen kurzen Moment auszuhalten, wären die Mikrofelder nicht, die die innere Verstärkung des Anzuges bewirkten. In vielerlei Hinsicht war der Anzug, den er trug, ein technologisches Wunderwerk. Die Rückstoßeinrichtung zur Fortbewegung, die ausgeklügelte Sauerstoffzufuhr, die handgerechten Steuergeräte, das alles war bewunderungswürdig.

Und erst die Waffe, die er in der Hand hielt!

Konzentriert richteten sich seine Gedanken auf das Ungeheuer über ihm. Das war ebenfalls eine Erfindung der Venus. Eine Erfindung der Venusevolution. Könnte es solche Wesen auf der Erde geben? Auf dem Lande sicher nicht. Lebendes Gewebe konnte ein größeres Gewicht als vierzig Tonnen unter den Schwerkraftverhältnissen auf der Erde nicht aushalten. Die riesigen Brontosaurierer im Mesozoikum der Erdgeschichte besaßen Beine wie Baumstämme, mußten sich aber dennoch im Sumpf aufhalten, damit das Wasser ihnen Auftrieb gab.

Das war die Antwort: die Auftriebskraft des Wassers. Im Meer konnten Lebewesen beliebiger Größe existieren. Auf der Erde gab es die Wale, Tiere, die größer waren als irgendein Saurier, der jemals gelebt hatte. Aber der ungeheuerliche Lappen über ihnen mußte an die, zweihundert Millionen Tonnen wiegen, schätzte Lucky. Er hätte gerne gewußt, wie alt das Ungetüm war. Wieviele Jahre mußte ein Wesen leben, um so schwer wie zwei Millionen Wale zu werden? Hundert? Tausend Jahre? Wer sollte das wissen?

Aber schiere Größe konnte auch gefährlich werden. Selbst im Meer. Je größer ein Lebewesen wurde, desto langsamer wurden seine Reaktionen. Nervenimpulse brauchten ihre Zeit, um anzukommen.

Evans war davon überzeugt gewesen, daß das Untier sie deswegen nicht mit einem zweiten Wasserstrahl getroffen hatte, nachdem es sie mit dem ersten Schuß angeschlagen hatte, weil es an ihrem künftigen Schicksal nicht weiter interessiert war, oder genauer gesagt, die V-Frösche, die den Riesenlappen kontrollierten, waren nicht mehr an ihnen interessiert. Aber das stimmte vielleicht gar nicht! Es konnte vielmehr so sein, daß das Ungeheuer Zeit brauchte, um seinen enormen Wassersack vollzusaugen. Es benötigte auch zum Zielen Zeit.

Darüber hinaus konnte das Monster kaum in bester Verfassung sein. Es war an größere Tiefen gewöhnt, dort, wo die Wasserschicht über ihm sechs oder mehr Meilen betrug. Hier, wo sie waren, mußten seine Fähigkeiten notwendigerweise eingeschränkt sein. Es hatte die Hilda beim zweiten Versuch verfehlt, das lag wahrscheinlich daran, daß es sich vom ersten Schuß noch nicht genügend erholt hatte.

Aber jetzt wartete das Ungeheuer nur darauf, der Wassersack füllte sich langsam, und es sammelte, so gut es in dem flachen Wasser ging, von dem es umgeben war, neue Kräfte. Und er, Lucky, ein Mensch von 180 Pfund, trat gegen ein Monster von zweihundert Millionen Tonnen an und würde es besiegen müssen.

Lucky schaute nach oben. Er konnte nichts erkennen. Er berührte einen Kontakt, am Innenfutter des linken Mittelfingers seines kraftfeldverstärkten Metallhandschuhs. Sofort schoß ein reinweißer Lichtstrahl aus der Metallfingerspitze. Er drang nach oben und verlor sich im Nichts. War da das andere Ende des Monsterkörpers, oder reichte sein Lichtstrahl nicht weiter?

Das Monster hatte dreimal geschossen. Einmal, und Evans Schiff war ein Trümmerhaufen gewesen. Beim zweitenmal war Luckys Schiff ordentlich durchgerüttelt worden. (Aber der Schaden war nur halb so schlimm, wurde das Monster etwa schwächer?) Der dritte Schuß war zu früh abgegeben worden und vorbeigegangen.

Lucky hob die Waffe. Es handelte sich um ein klobiges Gerät, mit einem dicken Griff. In diesem Griff war ein hundert Meilen langer Draht und ein winziger Generator untergebracht, der enorme Voltzahlen produzieren konnte. Er richtete sie nach oben und drückte ab.

Erst passierte nichts - aber Lucky wußte, daß der haarfeine Draht auslief und durch den kohlensäurereichen Ozean nach oben schoß.

Er traf, und da sah Lucky die Wirkung. Denn in dem Augenblick, als der Draht Kontakt herstellte, fuhr ein hochgespannter Stromstoß mit Lichtgeschwindigkeit hinauf und traf das Hindernis mit der Gewalt eines Blitzschlages. Der haarfeine Draht glühte hell auf und verwandelte alles in verdampfenden Schaum. Es war mehr als Dampf, denn das fremdartige Wasser brodelte und sprudelte infernalisch, als das gelöste Kohlendioxyd als Gas austrat. Lucky merkte, wie er in den entfesselten wilden Strömungen auf und ab tanzte.

Über dem Ganzen, über dem Dampfen und Sprudeln, über dem Rauschen des Wassers und der dünnen Feuerlinie die nach oben führte, stand ein explodierender Feuerball. Dort, wo der Draht ins Fleisch gedrungen war, war ein Brandfleck wütender Energie entstanden. Er sengte ein drei Meter großes und ein ebenso tiefes Loch in den lebenden Berg über ihm.

Lucky lächelte grimmig. In Relation zu der ungeheuren Körpermasse des Ungeheuers war das nur ein Nadelstich, aber der Lappen würde es schon spüren, wenn nicht sofort, dann aber in spätestens zehn Minuten. Die Nervenimpulse mußten erst den langen Weg um den ganzen Körper herum zurücklegen. Wenn dann der Schmerzreflex in dem kleinen Gehirn des Lebewesens ankam, würde es von dem hilflosen Schiff auf dem Meeresgrund abgelenkt werden, und sich seinem Peiniger zuwenden.

Aber das Monster wird mich nicht finden, dachte Lucky grimmig. In zehn Minuten würde er die Stellung gewechselt haben. In zehn Minuten.

Lucky dachte diesen Gedanken nie zuende. Es war noch nicht einmal eine Minute nach seinem Angriff vergangen, da schlug das Ungetüm auch schon zurück, als Luckys geschockten und gemarterten Sinne ihm meldeten, daß er hinabgetrieben wurde, hinab, hinab, immer tiefer hinab, inmitten eines reißenden Strudels wirbelnden Wassers.

X

Der Berg aus Fleisch

Der Schock brachte Luckys Sinne aus dem Gleichgewicht. Ein normaler Taucheranzug aus Metall wäre verbogen und zerschmettert worden. Jeder normale Mann wäre bewußtlos zum Meeresboden hinabgetragen und dort zermalmt worden.

Lucky aber wehrte sich verzweifelt. Er kämpfte gegen die übermächtige Strömung an, und es gelang ihm, den linken Arm bis zur Brust zu heben, um die Drehschalter zu überprüfen, die ihm den Zustand seiner Anzugsaggregate anzeigten.

Er stöhnte. Die Anzeigen waren leblos, ihr fein ersonnenes Innenleben dahin. Aber sein Sauerstoffvorrat schien nicht in Mitleidenschaft gezogen zu sein (seine Lungen hätten ihm einen etwaigen Druckabfall schon gemeldet), sein Anzug hatte offensichtlich auch keine undichten Stellen bekommen. Er konnte nur hoffen, daß die Rückstoßmechanik noch funktionierte.

Es hatte überhaupt keinen Zweck zu versuchen, mit roher Gewalt einen Weg aus dem Malstrom suchen zu wollen. Dazu fehlte ihm mit ziemlicher Sicherheit die Kraft. Er würde warten und auf einen wesentlichen Umstand setzen müssen: Der Wasserstrom verlor auf seinem Weg nach unten rasch an Geschwindigkeit. Wasser gegen Wasser bedeutete hohen Reibungsverlust. An den Rändern des Strahls würden die Turbulenzen zunehmen und sich nach innen fressen. Der Strahl mochte am Blasrohr des Ungeheuers vielleicht um die hundertfünfzig Meter im Durchmesser betragen, aber auf dem Meeresgrund nur noch fünfzehn Meter, das hing von der Anfangsgeschwindigkeit und der Entfernung bis zum Meeresboden ab.

Diese Ausgangsgeschwindigkeit würde ebenfalls abgenommen haben. Das hieß natürlich nicht, daß die Endgeschwindigkeit etwas war, das man mit einer Handbewegung abtun konnte. Lucky hatte ihre Gewalt am eigenen Leibe zu spüren bekommen.