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Es war das Blasrohr.

Lucky war sich sicher, daß es sich hierbei um das Blasrohr handelte, eine gigantische Einbuchtung, von einem Ende zum anderen hundert Meter lang, aus der die Wut reißenden Wassers hervorbrechen konnte. Vorsichtig schlug Lucky einen Bogen; zweifelsohne befand er sich hier am sichersten Platz, an dem man sein konnte, aber dennoch suchte er sich mit äußerster Vorsicht einen Weg.

Er wußte, wonach er suchte, und deshalb ließ er das Blasrohr in Ruhe. Er bewegte sich nach wie vor in der Richtung, wo der Fleischberg immer noch nach oben wuchs. Dann hatte er den Gipfelpunkt dieser umgedrehten Schüssel erreicht, und da war es!

Anfangs wurde Lucky sich nur eines langgezogenen Rumpelns gewahr, das im Ton fast zu tief war, um es richtig hören zu können. In Wirklichkeit war es die Vibration, die seine Aufmerksamkeit erregte und nicht so sehr das Geräusch. Dann betrachtete er eingehend, wie der Körper des Monsters an dieser Stelle anschwoll. Hier zuckte und schlug es, eine riesige Masse, die zehn Meter hinabhing und vielleicht den Umfang des Blasrohres hatte.

Das mußte das Zentrum des Lebewesens sein, sein Herz, oder was als Herz diente, mußte hier sein. Dieses Herz mußte mit ungeheurer Kraft schlagen. Lucky wurde ganz schwindelig, als er versuchte, sich den Vorgang vorzustellen. Diese Schläge mußten jedesmal fünf Minuten dauern, während dabei tausende von Kubikmetern Blut (oder was immer das Wesen hatte) durch Gefäße gepumpt werden mußten, die groß genug waren, um die Hilda in ihnen fahren zu lassen. Dieser Herzschlag mußte ausreichen, um das Blut einen Kilometer und wieder zurück fließen zu lassen.

Was mußte das für ein Mechanismus sein, dachte Lucky. Wenn man doch bloß eines dieser Wesen lebend fangen und seine Physiologie studieren könnte!

Irgendwo in dieser Schwellung mußte sich auch das, was das Monster an Gehirn besaß, befinden. Gehirn? Vielleicht war das, was als Gehirn durchging, nichts weiter als ein Nervenbündel, ohne das das Monster ganz gut leben konnte.

Vielleicht! Aber ohne Herz konnte es nicht leben. Es hatte gerade einen Schlag beendet. Die Zentralschwellung hatte sich beinahe zu nichts zusammengezogen. Jetzt entspannte sich der Herzmuskel, um in fünf oder mehr Minuten wieder zu schlagen, und die Schwellung begann sich wieder auszudehnen und zu wachsen, während Blut hineinlief.

Lucky hob die Waffe und richtete den Lichtstrahl voll auf das riesige Herz, dann ließ er sich in die Tiefe sinken. Es war vielleicht besser, nicht in allernächster Nähe zu sein, andererseits wagte er nicht vorbeizuschießen.

Einen Augenblick lang überkam ihn so etwas wie Bedauern. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, war es fast ein Verbrechen, dieses größte aller Wesen, das die Natur hervorgebracht hatte, zu töten.

War das sein eigener Gedanke, oder einer, den die V-Frösche an der Wasseroberfläche ihm aufgezwungen hatten?

Er wagte nicht, noch länger zu zögern. Er drückte den Griff seiner Waffe. Der Draht schoß heraus. Er traf, und Lucky wurde von dem hellen Schein, mit dem die nahegelegene Herzwand des Monsters durchgebrannt wurde, geblendet.

*

Minutenlang kochte das Wasser im Todeskampf des Fleischberges. Die ganze Körpermasse wand sich in gigantischen Zuckungen. Hilflos wurde Lucky hin und her geworfen.

Aber der Tod, wenn er eintritt, dringt schließlich auch in das letzte Gramm, selbst wenn es sich um ein Leben von hundert Millionen Tonnen Gewicht handelt. Schließlich war das Wasser ruhig.

Lucky schwamm langsam, ganz langsam, beinahe zu Tode erschöpft, in die Tiefe.

Er rief die Hilda. »Es ist tot. Schickt das Richtungssignal.«

Lucky ließ sich von Bigman aus dem Taucheranzug helfen, und es gelang ihm sogar, ein Lächeln zustande zu bringen, als der kleine Mann vom Mars besorgt zu ihm aufsah.

»Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen, Lucky«, sagte Bigman und schluckte hörbar.

»Wenn du zu heulen anfängst, dreh' den Kopf zur Wand. Ich bin nicht aus dem Meer an Bord gekommen, um hier drinnen naß zu werden. Wie steht es mit den Hauptgeneratoren?«

»Die kriegen wir schon hin«, ließ Evans sich vernehmen, »aber es wird noch etwas dauern. Das Hin- und Hergeschleudertwerden jetzt eben am Schluß hat eine der Schweißarbeiten wieder ruiniert.«

»Also«, sagte Lucky, »wir müssen weitermachen.«

Er setzte sich mit einem müden Seufzer. »Es ist nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt hatte.«

»Wieso?« wollte Evans wissen.

»Mein Plan war, das Monster mit Nadelstichen dazu zu bringen, sich von uns wegzubewegen. Das hat nicht geklappt, ich mußte es töten. Jetzt sieht es so aus, daß sein Körper wie ein eingefallenes Zelt rings um die Hilda liegt.«

XI

Zur Oberfläche

»Soll das etwa heißen, daß wir in der Falle sitzen?« fragte Bigman zu Tode erschreckt.

»So kann man es ausdrücken«, meinte Lucky kühl. »Du könntest auch sagen, daß wir in Sicherheit sind, wenn dir das lieber ist. Bestimmt sind wir hier sicherer, als irgendwo sonst auf der Venus. Niemand kann uns physisch etwas zu Leide tun, mit dem toten Fleischberg über uns. Und wenn wir die Generatoren repariert haben, werden wir uns einfach hindurchfräsen. Bigman, mach', daß du an die Generatoren kommst, Evans, wir wollen uns mal einen Kaffee eingießen und die ganze Angelegenheit durchgehen. Es ist gut möglich, daß sich die Gelegenheit zu einem ruhigen Plausch nicht noch einmal bietet.«

*

Lucky begrüßte diese Erholungspause, diesen Augenblick, in dem es nichts weiter zu tun gab, als zu reden und nachzudenken.

Aber Evans machte einen verstörten Eindruck. Rings um seine porzellanblauen Augen hatten sich Falten gebildet.

»Du siehst besorgt aus«, meinte Lucky.

»Ich mache mir auch Sorgen. Was, beim All, stellen wir jetzt an?«

»Darüber habe ich mir schon so meine Gedanken gemacht. Mir scheint, die einzige Möglichkeit ist, die V-Frosch-Story jemandem zu erzählen, der nicht von ihnen kontrolliert werden kann.«

»Und wer sollte das sein?«

»Niemand auf der Venus, das ist sicher.«

Evans starrte seinen Freund an. »Willst du damit etwa sagen, daß jeder auf der Venus kontrolliert wird?«

»Das nicht, aber jeder könnte kontrolliert werden. Schließlich gibt es verschiedene Wege, wie ein menschlicher Verstand von diesen Wesen beherrscht werden kann.« Lucky ließ einen Arm über die Rückenlehne des Drehstuhls, der für den Piloten gedacht war, herabbaumeln und legte die Beine übereinander. »Einmal gibt es die völlige Kontrolle über einen Menschen, die für kurze Zeit aufrechterhalten werden kann. Völlige Kontrolle! In dieser Zeit kann ein Mensch dazu gebracht werden, Dinge zu tun, die im krassen Widerspruch zu seinen natürlichen Regungen stehen, Dinge, die das eigene und das Leben anderer gefährden: die Piloten des Küstenkreuzers zum Beispiel, als Bigman und ich auf der Venus gelandet sind.«

»Das ist nicht die Art, mit der ich zu kämpfen hatte«, bemerkte Evans grimmig.

»Ich weiß. Das hat Morriss nicht gesehen. Er dachte, daß du nicht manipuliert warst, einfach, weil du keinerlei Anzeichen von Bewußtseinstrübung gezeigt hast. Aber es gibt da noch eine zweite Form der Kontrolle, und unter der hast du gelitten. Sie ist weniger intensiv, der Betreffende behält sein Erinnerungsvermögen. Da der Zustand weniger stark ausgeprägt ist, kann die Person nicht gezwungen werden, gegen seine Natur zu handeln; du konntest zum Beispiel nicht zum Selbstmord gezwungen werden. Die V-Frösche machen mit Dauer wett, was sie an Intensität verlieren. Nun, es muß noch eine dritte Form der Kontrolle geben.«

»Und das wäre?«

»Eine Kontrolle, die noch weniger intensiv als die zweite Variante ist. Eine Manipulation, die derartig schwach ausgeprägt ist, daß das Opfer sie gar nicht merkt, aber trotzdem intensiv genug, um es den V-Fröschen zu gestatten, den Verstand des Betreffenden zu durchstöbern und Informationen daraus abzuzapfen. Da wäre zum Beispiel Lyman Turner.«