Lucky seufzte und meinte dann: »Ich dachte mir schon, daß die V-Frösche versuchen würden, uns aus der Stadt auszusperren, deswegen hatte ich den Petroleumtrick parat. Aber ich hätte nie damit gerechnet, daß es so schlimm werden könnte, und sie eine Kanone auf uns richten würden. Das machte es wirklich schwierig. Ganz so sicher war ich mir nicht, ob das mit dem Petroleum funktionieren würde.«
»Aber wie hat es denn funktioniert?«
»Wieder mal Kohlenwasserstoff. Petroleum ist Kohlenwasserstoff. Meine Meldung ist über die Lautsprecheranlage gegangen, und die V-Frösche, die die Wachen unter Kontrolle hatten, waren abgelenkt.«
»Wie kommt es, daß sie wußten, was Petroleum ist?«
»Ich habe es mir mit größtmöglicher Vorstellungskraft bildlich vorgestellt. Sie können Gedanken lesen, wenn man das geistige Bild durch lautes Sprechen verstärkt, weißt du.«
»Aber das ist jetzt nicht so wichtig.« Seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Wenn sie bereit sind, uns zu vernichten, wenn sie zu einer dermaßen rohen Gewalttat bereit sind, dann stehen sie mit dem Rücken zur Wand, und wir ebenfalls. Wir müssen die Sache schnellstens zuende bringen, und wir müssen das Richtige tun. Ein Fehler, zu diesem Zeitpunkt könnte sich fatal auswirken.«
Er holte einen Stift aus der Hemdtasche hervor und schrieb geschwind etwas auf ein Stück Folie.
Er hielt es Bigman vor die Nase. »Das tust du wenn ich das Stichwort gebe.«
Bigmans Augen wurden groß. »Aber Lucky.«
»Psst! Du darfst nie mit Worten darauf zu sprechen kommen.«
Bigman nickte. »Aber bist du dir auch sicher, daß du recht hast?« »Ich hoffe.« Luckys markantes Gesicht war von Sorge gezeichnet. »Die Erde weiß über die V-Frösche jetzt Bescheid, also werden sie niemals gegen die Menschheit gewinnen können, aber hier auf der Venus können sie noch jede Menge Schaden anrichten. Das müssen wir irgendwie verhindern. Hast du nun verstanden, was du zu tun hast?«
»Ja.«
»In diesem Fall.« Lucky wickelte die Folie um den Finger und knetete sie mit seinen kräftigen Fingern zusammen. Die entstandene Kugel steckte er wieder in die Hemdtasche.
»Wir sind in der Schleuse, Lucky. In fünf Minuten werden wir in der Stadt sein«, rief Lou Evans ihnen von vorne zu.
»Gut«, meinte Lucky bloß. »Bring' Morriss an die Leitung.«
Sie waren wieder im Hauptquartier des Rates in Aphrodite, es war sogar der gleiche Raum, dachte Bigman, in dem sie Lou Evans zum ersten Mal getroffen hatten, der gleiche Raum, in dem er zum ersten Mal einen V-Frosch gesehen hatte. Bei dem Gedanken, wie die geistigen Tentakel in sein Gehirn gekrochen waren, ohne daß es ihm bewußt gewesen war, erschauderte er. Das war jetzt auch der einzige Unterschied, den das Zimmer aufwies. Das Aquarium war verschwunden, ebenso die Gefäße mit Erbsen und Wagenschmiere; die hochbeinigen Tische standen leer vor dem künstlichen Fenster.
Sobald sie den Raum betraten hatten, wies Morriss mit Gesten auf diesen Umstand hin. Seine dicken Wangen hingen schwer herab, und der Streß stand hm deutlich im Gesicht geschrieben. Sein weicher Händedruck wirkte unsicher.
Vorsichtig stellte Bigman das, was er in den Händen gehalten hatte auf eine der Tischplatten. »Vaseline«, bemerkte er dazu.
Lou Evans nahm Platz, Lucky ebenfalls.
Morriss hingegen blieb stehen. »Ich habe alle V-Frösche aus dem Gebäude entfernen lassen. Mehr konnte ich nicht tun. Ich kann schließlich die Leute nicht darum bitten, ihre Haustiere abzuschaffen, ohne ihnen einen triftigen Grund dafür zu nennen. Und den Grund konnte ich verständlicherweise nicht preisgeben.«
»Es wird schon genügen«, sagte Lucky. »Aber ich möchte, daß ihr während der gesamten Besprechung die Augen auf den Kohlenwasserstoff gerichtet haltet. Denkt immer fest daran, daß er vorhanden ist.«
»Glauben Sie, das hilft?« wollte Morriss wissen.
»Ich denke schon.«
Morriss blieb genau vor Lucky stehen. Seine Stimme klang wie ein plötzlich losschlagendes Getöse.
»Starr, ich kann es einfach nicht glauben. Es gibt seit Jahren V-Frösche in der Stadt. Sie sind beinahe so lange hier, wie die Stadt existiert.«
»Sie müssen immer daran denken.« fing Lucky an.
»Das ich unter ihrem Einfluß stehe?« Morriss lief rot an. »Dem ist nicht so, das streite ich ab.«
»Es besteht überhaupt keine Veranlassung, sich zu schämen, Dr. Morriss«, erwiderte Lucky mit Betonung. »Evans stand tagelang unter ihrer Beeinflussung, und Bigman und ich sind auch manipuliert worden. Es ist möglich, daß man ganz ehrlich nichts davon weiß, daß einem ständig das Gehirn angezapft wurde.«
»Dafür gibt es keinerlei Beweise, aber lassen wir das«, sagte Morriss wütend. »Mal angenommen, Sie hätten recht. Es erhebt sich die Frage, was wir tun können. Wie bekämpfen wir sie? Männer gegen sie in den Krieg zu schicken bringt nichts. Schaffen wir eine Flotte herbei, die die Venus vom Weltraum aus bombardiert, erzwingen sie vielleicht, daß die Kuppelschleusen geöffnet werden, und ersäufen so aus Rache alle Städte auf der Venus. Es wäre sowieso unmöglich, jeden einzelnen V-Frosch auf diesem Planeten zu töten. Ihnen stehen zweitausend Millionen Kubikkilometer Ozean zur Verfügung, in denen sie sich verstecken können. Und wenn sie wollen, können sie sich sehr schnell vermehren. Das Sie mit Ihrer Meldung zur Erde durchgekommen sind, ist wichtig, das will ich ohne weiteres zugeben, aber uns bleiben dennoch viele wichtige Probleme zu lösen.«
»Da haben Sie recht«, räumte Lucky ein, »aber es sieht so aus, daß ich denen da auf der Erde nicht die ganze Geschichte erzählt habe. Das konnte ich nicht, bevor ich nicht sicher war, daß ich die Wahrheit kannte. Ich.«
Das Sprechanlagensignal leuchtete auf, und Morriss bellte: »Was ist los?«
»Lyman Turner ist für jetzt bestellt, Sir«, kam die Antwort.
»Eine Sekunde.« Der Mann von der Venus wandte sich an Lucky und sagte leise: »Sind Sie sicher, daß wir ihn hier haben wollen?«
»Sie waren doch mit ihm wegen der Verstärkung der Transitschotts hier in der Stadt verabredet, oder nicht?«
»Schon, aber.«
»Turner ist ein Opfer. Die Tatsache sollte doch wohl klar auf der Hand liegen. Außer uns ist er der hochgestellte Offizielle, der ganz sicher wie ein Opfer aussieht. Wir sollten ihn kommen lassen, glaube ich.«
»Schicken Sie ihn herauf«, sagte Morriss in die Sprechanlage.
Turners ausgemergeltes hakennasiges Gesicht war ein einziges Fragezeichen, als er den Raum betrat. Die Stille im Zimmer und die Art und Weise, wie ihn die Anwesenden anstarrten, hätte selbst einen bedeutend weniger sensiblen Mann mit dunklen Vorahnungen erfüllt.
Er ließ seine Computertasche von der Schulter und setzte sie auf den Boden. »Stimmt irgend etwas nicht, meine Herren?«
Langsam und behutsam brachte Lucky ihm das Wesentliche bei.
Turners schmale Lippen öffneten sich. Mit schwacher Stimme sagte er: »Sie meinen, mein Gehirn.«
»Wie hätte der Mann an der Schleuse sonst so genau wissen können, wie er sich die Eindringlinge vom Leibe halten sollte? Er war nicht speziell ausgebildet und eingewiesen, aber dennoch hat er sich elektronisch perfekt verbarrikadiert.«
»Daran habe ich noch nie gedacht. Daran habe ich noch nie gedacht.«
Turners Worte waren ein beinahe unzusammenhängendes Gemurmel. »Wie konnte ich das nur übersehen?«
»Die wollten, daß Sie es übersehen«, entgegnete Lucky.
»Ich schäme mich deswegen.«
»Da sind Sie in bester Gesellschaft, Turner. Ich, Dr. Morriss, Ratsmitglied Evans.«
»Aber was unternehmen wir denn nun dagegen?«
»Genau diese Frage hat Dr. Morriss gerade gestellt, als Sie kamen«, sagte Lucky. »Dazu ist eine gemeinsame Anstrengung von uns allen nötig. Einer der Gründe, warum ich vorgeschlagen habe, daß Sie in diese Runde kommen sollten, ist der, daß wir vielleicht Ihren Computer benötigen.«