»Beim Ozean der Venus, das will ich aber auch hoffen«, sagte Turner eifrig. »Falls ich etwas tun könnte, um die Scharte wieder auszuwetzen.« Dann faßte er sich mit der Hand an die Stirn, als befürchtete er, einen fremden Kopf, der nicht sein eigener war, auf den Schultern zu haben.
»Sind wir jetzt wir selbst?« wollte er wissen.
»Wir werden es solange sein, wie wir uns auf die Vaseline da konzentrieren«, warf Evans ein.
»Das verstehe ich nicht. Warum sollte das nützen?«
»Es hilft. Im Augenblick ist es nicht so wichtig warum«, meinte Lucky. »Ich möchte mit dem weiterkommen, was ich gerade sagen wollte, als Sie kamen.«
Bigman drehte sich zur Wand und stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte auf, wo das Aquarium früher gestanden hatte. Während er lauschte, starrte er müßig das offene Glas auf dem anderen Tisch an.
»Können wir uns sicher sein, daß die V-Frösche die wirkliche Gefahr sind?« fragte Lucky.
»Also, das ist Ihre Theorie«, entgegnete Morriss überrascht.
»Oh, zugegeben, sie sind die unmittelbaren Werkzeuge um menschliche Gehirne zu kontrollieren, aber sind sie der wirkliche Feind? Sie treten mit ihren Geisteskräften gegen die Erdbewohner an und beweisen sich als ernstzunehmende Gegner, einzelne V-Frösche andererseits machen einen recht unbedarften Eindruck.«
»Wie das?.«
»Nun, der V-Frosch, den Sie hier in diesem Zimmer hatten, war nicht clever genug, sich aus unseren Köpfen herauszuhalten. Er übermittelte sein Erstaunen über die Tatsache, daß wir keine Schnurrbärte trugen. Er befahl Bigman, ihm in Wagenschmiere getunkte Erbsen zu geben. War das etwas klug? Er hat sich sofort verraten.«
Morriss zuckte die Achseln. »Vielleicht sind nicht alle V-Frösche intelligent.«
»Nein, da steckt mehr dahinter. An der Meeresoberfläche waren wir ihrer geistigen Gewalt hilflos ausgeliefert. Und dennoch, weil ich bestimmte Dinge geraten hatte, versuchte ich es mit einem Glas Vaseline, und es wirkte. Es hat sie in alle Winde zerstreut. Man muß bedenken, daß ihr gesamter Schlachtplan auf dem Spiel stand. Sie mußten uns unbedingt daran hindern, daß wir unser Wissen über sie an die Erde weitergeben. Als wir versuchten, nach Aphrodite hineinzukommen, hätten sie uns beinahe wieder erwischt. Die Kanone war gerade auf ihr Ziel gerichtet, als die bloße Erwähnung von Petroleum ihre Pläne zunichte machte.«
Turner rutschte auf seinem Stuhl herum. »Ich verstehe jetzt, was Sie mit dem Petroleum meinen, Starr. Alle Welt weiß, wie verrückt V-Frösche auf jede Art von Schmiere sind. Ihr Verlangen ist einfach zu stark für sie.«
»Für Wesen, die ausreichend intelligent sind, sich auf einen Kampf mit Menschen einzulassen, zu stark? Würden Sie den Endsieg für ein Steak oder ein Stück Torte aufgeben, Turner?«
»Natürlich würde ich das nicht, aber das beweist noch lange nicht, daß ein V-Frosch es nicht doch tut.«
»Das tut er nicht, zugegeben. Der Verstand der V-Frösche ist uns fremd, und wir können nicht davon ausgehen, daß was bei uns so abläuft, bei ihnen genauso abläuft. Trotzdem ist der Umstand, daß sie von Kohlenwasserstoff abgelenkt werden, verdächtig. Es veranlaßt mich dazu, V-Frösche eher mit Hunden als mit Menschen zu vergleichen.«
»Wieso?« fragte Morriss.
»Denken Sie einmal nach. Einen Hund kann man so abrichten, daß es den Anschein hat, als täte er anscheinend intelligente Dinge. Ein Wesen, daß noch nie einen Hund zu Gesicht bekommen oder noch nie von Hunden gehört hätte und zuschauen würde, wie zum Beispiel ein Blindenhund seinen Herrn in den Tagen, als es noch keine Son-O-Taps gab, führte, hätte sich die Frage gestellt, ob der Hund nicht intelligenter als sein Herr ist. Wäre es aber mit einem Markknochen vorbeigegangen und hätte bemerkt, daß die Aufmerksamkeit des Hundes augenblicklich abgelenkt wird, hätte es die wahren Zusammenhänge vermutet.«
Turners blasse Augen traten beinahe aus den Höhlen. »Wollen Sie etwa sagen, daß die V-Frösche nur Werkzeuge in den Händen von Menschen seien?«
»Hört sich das wahrscheinlich an, Turner? Wie Dr. Morriss vor ein paar Minuten sagte, es gibt die V-Frösche seit Jahren in der Stadt, aber erst in den letzten Monaten machten sie Schwierigkeiten. Und es fing mit harmlosen Sachen an, wie zum Beispiel der Mann, der auf der Straße mit Geld um sich wirft. Es sieht fast so aus, als ob einige Leute gelernt haben, wie man sich die natürlichen telepathischen Fähigkeiten der V-Frösche zu Nutze macht und sie dazu verwendet, anderen Menschen Gedanken und Befehle aufzuzwingen. Es ist, als ob diese Leute das zunächst üben mußten, daß sie lernen mußten, wo die Grenzen ihrer Werkzeuge liegen, ihre Kontrollfähigkeit entwickeln mußten, bis die Zeit reif war, große Sachen tun zu können. Am Schluß waren es vielleicht gar nicht die Hefekulturen, auf die sie es abgesehen hatten, sondern etwas viel größeres; möglicherweise Kontrolle über die Solare Konföderation, ja sogar über das gesamte Milchstraßensystem.«
»Ich kann das alles einfach nicht glauben«, sagte Morriss.
»Dann will ich Ihnen noch ein weiteres Beweisstück liefern. Als wir da draußen auf dem Ozean waren, sprach eine Geisterstimme - höchstwahrscheinlich die eines V-Frosches -zu uns. Sie versuchte uns zur Preisgabe bestimmter Informationen und danach zum Selbstmord zu zwingen.«
»Ja, und?«
»Die Stimme kam über einen V-Frosch an, aber sie stammte nicht von einem V-Frosch. Sie gehörte einem menschlichen Wesen.«
Evans setzte sich bolzengerade auf und starrte Lucky ungläubig an.
Lucky lächelte. »Selbst Lou glaubt mir nicht, aber es ist so. Die Stimme verwendete seltsame Begriffe, wie >Maschinen aus schimmerndem Metall< statt >Schiffe<. Wir sollten glauben, daß V-Frösche mit solchen Begriffen nicht vertraut seien, und die Stimme mußte uns einreden, daß wir uns einbildeten, allgemeine Ausdrücke zu hören, die die gleiche Sache bedeuteten. Aber dann hat sich die Stimme vergessen. Ich kann mich daran erinnern, was sie sagte. Ich erinnere mich Wort für Wort: >Das Leben deines Volkes wird wie eine Kerze verlöschen. Es wird ausgeblasen werden, und das Lebenslicht wird nie wieder brennenc.«
Unbeirrt sagte Morriss wiederum: »Ja, und?«
»Sehen Sie es denn immer noch nicht? Wie sollten V-Frösche Begriffe wie >Verlöschen einer Kerze< oder >das Lebenslicht wird nie wieder brennen< verwenden? Wenn die Stimme vorgibt, die eines V-Frosches zu sein, der die Vorstellung eines Schiffes nicht kennt, wie sollte er dann über einen Begriff wie Feuer verfügen?«
Sie alle sahen es nun, aber Lucky war nun nicht mehr zu bremsen. »Die Venusatmosphäre besteht aus Stickstoff und Kohlendioxyd. Sauerstoff kommt nicht vor. Das ist uns allen bekannt. In der Venusatmosphäre kann nichts brennen. Flammen kann es nicht geben. In einer Million Jahren kann kein V-Frosch überhaupt ein Feuer gesehen haben, und keiner von ihnen kann wissen, um was es sich dabei handelt. Selbst wenn man einräumen würde, daß einige von ihnen vielleicht Flammen und Feuer in den Kuppelstädten gesehen haben, könnten sie dennoch nicht wissen, was Feuer eigentlich ist, genauso wenig, wie sie unsere Schiffe verstanden haben. So wie ich die Sache sehe, stammten die Gedanken, die wir empfangen haben, nicht von den V-Fröschen, sondern von einem Mann, der die V-Frösche bloß als Kanal benutzte, um unsere Gehirne von seinem aus zu erreichen.«
»Aber wie sollte das zu machen sein?« fragte Turner.
»Ich weiß es nicht«, entgegnete Lucky. »Ich wünschte, ich wüßte wie. Ganz gewiß braucht man einen blendenden Verstand, um einen solchen Weg zu finden. Der Betreffende müßte viel über die Funktionsweise des Nervensystems und die damit in Zusammenhang stehenden elektrochemischen Abläufe wissen.« Lucky schaute Morriss kalt an. »Dabei könnte es sich zum Beispiel um einen Mann handeln, der Biophysiker ist.«
Alle Augen richteten sich auf das Ratsmitglied von der Venus, aus dessen rundem Gesicht das Blut vollständig wich, bis sein angegrauter Schnäuzer sich von der blassen Haut kaum noch abzuheben schien.