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XVI

Der Feind!

»Wollen Sie etwa damit sagen.«, mehr brachte Morriss nicht heraus, seine Stimme wurde zu einem Krächzen, und verstummte dann ganz.

»Ich will überhaupt nichts Abschließendes sagen«, meinte Lucky diplomatisch. »Ich habe nur eine Andeutung gemacht.«

Morriss schaute sich hilflos um, sein Blick wanderte nacheinander zu allen vier Männern im Zimmer, und mußte feststellen, daß jedes Augenpaar das seine mit gebannter Faszination musterte.

»Das ist verrückt, völliger Wahnsinn«, würgte er heraus. »Ich bin der erste gewesen, der dies alles gemeldet hat. diese. diese. Schwierigkeiten auf der Venus. Seht euch den ersten Bericht an das Hauptquartier an, da steht mein Name drauf. Warum sollte ich den Rat verständigen, wenn ich ein. Und wie steht es mit meinem Motiv? He, los, sagt mir, was für ein Motiv ich haben sollte?«

Ratsmitglied Evans schien es nicht wohl in seiner Haut zu sein. Aus einem schnellen Blick, den er auf Turner warf, schloß Bigman, daß diese Art von ratsinterner Streiterei in Gegenwart eines Außenstehenden nicht nach Lous Geschmack war.

Dennoch sagte Evans: »So würde sich Dr. Morriss Versuch, mich in ein schlechtes Licht zu setzen, erklären. Ich war ein Außenseiter und hätte auf die Wahrheit stoßen können. Ich hatte bestimmt schon die Hälfte herausgefunden.«

Morriss atmete schwer. »Ich bestreite, jemals so etwas getan zu haben. Die ganze Angelegenheit ist irgendeine Verschwörung gegen mich, und für jeden von Ihnen, der sich daran beteiligt, wird es am Ende böse aussehen. Ich verlange Gerechtigkeit.«

»Wollen Sie damit andeuten, daß Sie eine Verhandlung vor dem Rat wünschen?« erkundigte Lucky sich. »Wollen Sie Ihren Fall vor dem Zentralkomitee des Rates vertreten?«

Worauf Lucky anspielte, war natürlich der vorgeschriebene Verfahrensablauf für eine Verhandlung gegen ein wegen Hochverrats gegen den Rat und die Solare Konföderation angeklagtes Ratsmitglied. In der Geschichte des Rates hatte noch niemals jemand vor einem solchen Gericht erscheinen müssen.

Das bloße Erwähnen dieses Gerichtes genügte, um was an Beherrschung in Morriss noch vorhanden war, zu beseitigen. Brüllend sprang er auf und stürzte sich blindwütig auf Lucky.

Lucky rollte sich geschmeidig über die Armlehne und gab Bigman dabei gleichzeitig ein Zeichen.

Das war das Signal, auf das Bigman die ganze Zeit gewartet hatte. Bigman schickte sich an, die Befehle zu befolgen, die Lucky ihm an Bord der Hilda gegeben hatte, als sie durch die Schleuse in die Kuppel von Aphrodite fuhren.

Ein Blasterblitz schoß hervor. Er war auf geringe Wirkung eingestellt, aber seine ionisierende Strahlung rief den stechenden Geruch von Ozon hervor.

Die Situation blieb einen Augenblick, wie sie war. Alle Bewegungen hörten auf. Morriss befand sich in der Nähe des umgefallenen Stuhls; er machte keine Anstalten aufzustehen. Bigman verharrte an seinem Platz wie eine kleine Statue, den Blaster im Hüftanschlag, ganz so, als wäre er beim Schießen zur Salzsäule erstarrt.

Das Ziel des Blastergeschosses lag zerstört und in Trümmern auf dem Boden.

*

Lou Evans fand als erster wieder Worte, aber es reichte nur zu einem scharfen Ausruf: »Was beim All.«

Lyman Turner flüsterte: »Was haben Sie gemacht?«

Von seiner Eskapade noch ganz außer Atem, brachte Morriss nichts heraus, sondern rollte nur stumm mit den Augen in Richtung Bigman.

»Guter Schuß, Bigman«, kommentierte Lucky. Der Kleine grinste.

Lyman Turners schwarzes Computergehäuse war nur noch ein Haufen Schrott und größtenteils nicht mehr zu gebrauchen.

Turners Stimme wurde lauter. »Mein Computer! Sie Idiot! Was haben Sie bloß getan?«

»Nur was wir tun mußten, Turner«, sagte Lucky streng.

Er kümmerte sich um Morriss, half dem Dicken auf die Beine und sagte: »Ich möchte mich herzlich bei Ihnen entschuldigen, Dr. Morriss, aber ich mußte absolut sicher gehen, daß Turners Aufmerksamkeit vollständig abgelenkt wurde. Dazu mußte ich Sie benutzen.«

»Sie meinen, Sie verdächtigen mich nicht des. des.«

»Nicht für eine Sekunde«, antwortete Lucky. »Das habe ich nie getan.«

Morriss entfernte sich, seine Augen sprühten vor Wut. »Ich denke, Sie sollten eine Erklärung dafür abgeben, Starr.«

»Ehe diese Zusammenkunft stattfand, habe ich mich nicht getraut, irgend jemandem etwas davon zu erzählen, daß sich meiner Meinung nach hinter den V-Fröschen ein Mensch verbirgt. Das konnte ich noch nicht einmal in meiner Meldung zur Erde anklingen lassen. Hätte ich es dennoch getan, dann würde der wirkliche Feind möglicherweise verrückt genug sein, etwas zu unternehmen - zum Beispiel die Städte unter Wasser setzen - und dann hätte über unseren Köpfen immer noch die Gefahr, daß sich so etwas jederzeit wiederholen könnte, geschwebt, das war mir sonnenklar. Solange derjenige aber nicht wußte, daß ich über den Verdacht gegen die V-Frösche hinausging, hoffte ich, daß der Betreffende nichts unternehmen und auf Zeitgewinn spekulieren würde, schlimmstenfalls würde er versuchen, nur mich und meine Freunde zu töten.

Bei dieser Zusammenkunft konnte ich das Thema deswegen anschneiden, weil ich davon überzeugt war, daß die fragliche Person zugegen ist. Und dennoch traute ich mich nicht unvorbereitet gegen ihn vorzugehen. Ich hatte Angst, er könne uns trotz des Kohlenwasserstoffes unter seine geistige Kontrolle bringen, und daß seine Handlungen dann drastische Formen annehmen würden. Ich war gezwungen, ihn gründlich abzulenken, um sicher zu gehen, daß er wenigstens für ein paar Sekunden vom äußeren Handlungsablauf zu sehr abgelenkt war, um über seine V-Frosch-Werkzeuge die starken Gefühlsregungen, die möglicherweise aus Bigmans und meinem Kopf entwichen, entdecken zu können. Klar, in diesem Gebäude gibt es keine V-Frösche, aber er könnte durchaus imstande sein, V-Frösche in anderen Teilen der Stadt zu mißbrauchen, wie er es mit anderen V-Fröschen auf der Meeresoberfläche meilenweit von Aphrodite gekonnt hat.«

»Also um ihn abzulenken habe ich Sie, Dr. Morriss, beschuldigt. Ich konnte Sie vorher nicht warnen, weil ich wollte, daß Ihre Gefühlsregungen echt wirkten. und das sind sie auch in bewunderungswürdiger Weise gewesen. Ihr Angriff auf mich war alles, was noch gefehlt hatte.«

Morriss holte ein großes Taschentuch aus der Ärmeltasche und wischte sich die schweißschimmernde Stirn ab. »Das war eine reichlich drastische Taktik, Lucky, aber ich sehe es ein, glaube ich. Also Turner ist unser Mann, oder?«

»Ja, er ist es.«

Turner rutschte auf den Knien herum und wühlte in den geschmolzenen und zerborstenen Scherben seines Computers. Mit haßerfülltem Blick sah er auf und stieß hervor: »Ihr habt meinen Computer zerstört.«

»Ich möchte bezweifeln, daß es sich um einen Computer gehandelt hat«, meinte Lucky. »Dafür war er ein zu unzertrennlicher Begleiter von Ihnen. Als ich Sie zum ersten Mal traf, hatten Sie ihn dabei. Sie sagten mir damals, daß Sie ihn dazu brauchten, die Stärke der Innenschotts im Verhältnis zur Wucht des drohenden Wassereinbruchs zu berechnen. Jetzt haben Sie ihn wahrscheinlich dabei, um neue Berechnungen bei Ihrer Unterredung mit Dr. Morriss über die Stärke eben dieser Innenschotte vornehmen zu können.«

Lucky legte eine Pause ein, aber dann fuhr er mit harter Ruhe in der Stimme fort: »Aber ich habe Sie an dem Morgen nach dem drohenden Wassereinbruch in Ihrer Wohnung aufgesucht. Ich hatte lediglich vor, Ihnen einige Fragen zu stellen, von denen Sie ganz genau wußten, daß es dabei keine Berechnungen anzustellen gab. Aber trotzdem hatten Sie ihren Computer dabei. Sie konnten es einfach nicht übers Herz bringen, ihn im Nebenzimmer zu lassen. Er mußte bei Ihnen sein, zu Ihren Füßen, warum?«