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Bigmans Blick wanderte automatisch hinter Luckys durch den Raum.

Plötzlich meinte er: »Sag mal, Lucky, was ist das denn?«

Halb laufend näherte er sich dem Aquarium, er bückte sich und spähte in seine Tiefen. »Sieh dir das mal an, bitte.«

»Das ist nur einer von den V-Fröschen, die sich die Männer hier als Haustiere halten«, sagte Morriss. »Dieser hier ist ein ziemliches Prachtexemplar. Haben Sie noch nie einen gesehen?«

»Nein«, gab Lucky zur Antwort. Er stellte sich zu Bigman an das Aquarium, das ungefähr sechzig Zentimeter hoch und breit und neunzig tief war. Das Wasser wurde von federartigen Tangbüscheln kreuz und quer durchzogen.

»Der beißt doch nicht oder so, wie?« erkundigte sich Bigman. Er rührte mit dem Finger im Wasser und beugte sich noch näher über das Becken, um besser hineinsehen zu können.

Luckys Kopf tauchte neben Bigmans auf. Der V-Frosch starrte sie irgendwie weihevoll an. Es handelte sich um ein kleines Tier von etwa zwanzig Zentimeter Länge, mit einem dreieckigen, spitz zulaufenden Kopf, an dem ein Paar vorstehender schwarzer Augen saßen. Das Tierchen besaß sechs ausgepolsterte kleine Füße, die es eng an den Körper gezogen hatte. An jedem der Füßchen waren drei lange Zehen, die nach vorn zeigten, und eine, die nach hinten gerichtet war. Die Haut war grün, wie die eines Frosches, den Rückenkamm entlang verliefen gekräuselte, schnell vibrierende Flossen. Statt eines Maules hatte das Tier einen kräftigen, gekrümmten papageienartigen Schnabel.

Während Lucky und Bigman ihn betrachteten, begann der V-Frosch an die Oberfläche zu steigen. Seine Füße blieben auf dem Boden des Aquariums, aber die Beine dehnten sich wie ausziehbare Stelzen, als die zahlreichen Beinglieder sich gerade ausrichteten. Kurz bevor der Kopf aus dem Wasser kam, hielt das Tier ein.

Morriss war neben sie getreten und sagte, während er das kleine Tier wohlwollend betrachtete: »Er kommt nicht gern aus dem Wasser. In der Luft ist zu viel Sauerstoff. Sie lieben Sauerstoff, aber nur in Maßen. Sie sind freundliche, angenehme Dinger.«

Bigman war entzückt. Auf dem Mars gab es praktisch überhaupt keine einheimischen Tiere, und Lebewesen wie diese hier stellten für ihn etwas absolut Neues dar.

»Wo leben sie?« wollte er wissen.

Morriss steckte den Finger ins Wasser und streichelte dem V-Frosch über den Kopf. Der V-Frosch ließ das zu und schloß seine dunklen Augen mit rhythmischen Abständen, was man, soweit das überhaupt festzustellen war, als Ausdruck des Wohlbefindens deuten konnte.

»Im Seetang findet man sie in ziemlichen Mengen an«, sagte Morriss. »Dort bewegen sie sich, als befänden sie sich in einem Wald. Mit ihren langen Zehen können sie sich an einzelnen Stengeln festhalten, und ihre Schnäbel sind im Stande, die zähesten Büschel zu zerreißen. Wahrscheinlich könnten sie einem Menschen damit ganz ordentlich in den Finger hacken, aber ich habe noch nie gehört, daß sie einen Menschen gebissen hätten. Ich bin ganz erstaunt, daß Sie noch nie einen zu Gesicht bekommen haben. Im Hotel haben sie ganze Sammlungen ausgestellt, richtige Familiengruppen. Haben Sie die nicht gesehen?«

»Dazu hatten wir wohl kaum die Zeit«, bemerkte Lucky trocken.

Bigman trat schnell an den anderen Tisch, nahm eine Erbse, tauchte sie in die schwarze Schmiere und kam damit zurück. Er hielt den Bissen verheißungsvoll hoch, und der Schnabel des V-Frosches durchbrach mit unglaublicher Vorsicht die Wasseroberfläche und nahm den Leckerbissen aus Bigmans Fingern. Bigman krähte vor Freude.

»Habt ihr das gesehen?«

Morriss lächelte freundlich, wie über das erfolgreiche Kunststück eines kleinen Kindes. »Diese kleinen Racker. Das könnten sie den ganzen Tag lang verputzen. Sehen Sie nur, wie er schluckt.«

Der V-Frosch mampfte vor sich hin. Ein kleines schwarzes Tröpfchen perlte seitlich aus dem Schnabel, und sofort fuhren die Beine des Tierchens wieder ein, und es bewegte sich in die Tiefe. Der Schnabel öffnete sich und das schwarze Tröpfchen war verschwunden.

»Was ist das für Zeug?« fragte Lucky.

»In Wagenschmiere getauchte Erbsen«, gab Morriss zur Antwort. »Schmiere ist eine große Delikatesse für sie, etwa wie Zucker für uns. In ihrer natürlichen Umgebung finden sie so gut wie keinen reinen Kohlenwasserstoff. Sie lieben sie so sehr, daß ich nicht überrascht wäre, wenn sie sich fangen ließen, nur um an das Zeug zu kommen.«

»Wie werden sie eigentlich gefangen?«

»Wenn die Ernteschiffe Seetang aufnehmen, findet man natürlich immer V-Frösche in den Netzen. Andere Tiere auch, versteht sich.«

»He, Lucky«, meinte Bigman eifrig, »wir zwei sollten uns auch einen.«

Er wurde durch zwei straff eintretende Wachposten unterbrochen. Zwischen ihnen stand ein junger hochaufgeschossener blonder Mann.

Lucky richtete sich auf. »Lou! Lou, altes Haus!« Er streckte ihm lächelnd die Hand entgegen.

Einen Moment lang hatte es den Anschein, als würde der andere darauf eingehen. Ein freudiges Aufflackern zeichnete sich in den Augen des Neuankömmlings ab.

Aber schnell wie es gekommen war, verschwand es wieder. Er hielt die Arme steif und unpersönlich am Körper. »Hallo, Starr«, sagte er bloß.

Lucky ließ seine Hand sinken. »Seit unserer Abschlußprüfung habe ich dich nicht mehr gesehen.« Er legte eine Pause ein. Was konnte man als nächstes zu einem alten Freund sagen?

Das blonde Ratsmitglied schien sich der Unmöglichkeit der Situation bewußt zu sein. Den ihn flankierenden Wachen kurz zunickend, sagte er mit Galgenhumor in der Stimme: »Seit damals hat sich einiges verändert.« Und dann, seine dünnen Lippen zuckten krampfhaft: »Warum bist du gekommen? Warum bist du nicht geblieben, wo du warst? Ich habe dich doch darum gebeten.«

»Ich kann doch nicht einfach wegbleiben, wenn ein Freund in Schwierigkeiten ist, Lou.«

»Warte gefälligst, bis man dich um Hilfe bittet.«

»Ich glaube, Sie verschwenden ihre Zeit, Lucky«, meinte Morriss. »Sie sehen in ihm immer noch ein Ratsmitglied, ich würde vorschlagen, ihn als Verräter zu betrachten.«

Der fette Venusbewohner zischte das Wort durch zusammengepreßte Zähne wie einen Peitschenhieb heraus. Evans errötete langsam, sagte aber nichts.

»Ich will erst bis ins Kleinste gehende Beweise sehen, bis ich es zulasse, daß man diese Bezeichnung in Zusammenhang mit Ratsmitglied Evans benutzt.« Lucky betonte das Wort >Ratsmitglied< besonders.

Lucky nahm Platz. Lange Zeit betrachtete er seinen Freund nüchtern. Evans konnte ihm nicht in die Augen sehen.

»Dr. Morriss, veranlassen Sie, daß die Wachen den Raum verlassen«, sagte Lucky. »Ich werde die Verantwortung für Evans übernehmen.« Zu Lucky gewandt, hob Morriss leicht die Brauen, dann überlegte er einen Moment und machte den Wachen ein Zeichen.

»Wenn du nichts dagegen hast, Bigman, dann möchte ich dich jetzt bitten, nebenan zu warten«, sagte Lucky.

Bigman nickte und verließ den Raum.

»Wir sind jetzt nur noch zu Dritt«, sagte Lucky sanft an Evans gewandt. »Du, Dr. Morriss und ich. Drei Mitglieder des Wissenschaftsrates. Ich schlage vor, wir fangen ganz von vorne an. Stimmt es, daß du Geheimmaterial über die Hefeaufzucht aus dem Archiv entfernt hast?«

»Das habe ich getan«, gab Evans zu.

»Dann mußt du einen Grund dafür gehabt haben. Welchen!«

»Hör' mir mal genau zu. Ich habe die Dokumente gestohlen. Gestohlen habe ich gesagt. Ich bin bereit, das zuzugeben. Was willst du noch? Ich hatte keinen triftigen Grund dafür. Ich habe es einfach so getan. Also laß' es gut sein. Laß' mich in Ruhe.« Seine Lippen zitterten.