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Aber das war Einbildung. Lucky war sich darüber im klaren, daß sie jede Sekunde mehrere Meilen in die Richtung zurücklegten, in die der letzte Jetstrahl sie beide befördert hatte. Sie trieben allein und verloren im Weltraum.

V.

DER EINSIEDLER AUF DEM FELSEN

Lucky befand sich nun auf Dingos Rücken, seine Oberschenkel umklammerten die Taille des anderen. Leise und grimmig sagte er: »Hörst du mich, Dingo, du kannst mich doch hören, oder? Ich weiß nicht, wo wir sind oder wo wir hintreiben, aber du weißt es auch nicht. Und deswegen brauchen wir uns jetzt gegenseitig. Bis du bereit, einen Handel abzuschließen? Da dein Sender bis zum Schiff reicht, kannst du herausfinden, wo wir sind, aber ohne Kohlendioxyd kommst du nicht zurück. Ich habe für uns beide genug, aber du mußt mich führen.«

»Scher' dich zur Milchstraße, Bürschchen«, brüllte Dingo. »Wenn ich mit dir fertig bin, habe ich deine Stoßröhren.«

»Das möchte ich bezweifeln«, antwortete Lucky kühl.

»Willst du sie auch abmachen, du Gimpel. Dann mal los! Los doch, du verdammter Gimpel! Wozu soll das gut sein? Der Captain wird mich holen, egal, wo ich bin, während du längst mit eingeschlagenem Helm und gefrorenem Blut im Gesicht durch die Gegend treibst.«

»Nicht ganz, Freund. Du hast etwas im Rücken, verstehst du. Vielleicht kannst du es durch das Metall nicht fühlen, es ist aber da, darauf kannst du wetten.«

»Eine Stoßpistole. Na und? Solange wir aneinanderhängen, bedeutet das überhaupt nichts.« Aber seine Arme hielten in ihrem zappelnden Bemühen, Lucky in den Griff zu bekommen, inne.

»Ich bin kein Stoßpistolen-Duellist.« Ob dieses Umstandes schien Luckys Stimme vergnügt zu sein. »Aber trotzdem weiß ich mehr über Stoßpistolen als du. Der Schußwechsel findet auf Meilenabstand statt. Es gibt keinen Luftwiderstand, der den Gasstrom abbremst oder verwirbelt, dafür gibt es aber einen inneren Widerstand. Im Strom selbst treten immer Turbulenzen auf. Die Kristalle prallen gegeneinander und werden dabei langsamer. Die Gasspur wird breiter. Wird das Ziel verfehlt, verteilt sie sich im All und verschwindet, trifft sie schließlich doch noch, ist das immer noch, als ob dich ein Pferd tritt.«

»Wovon, beim All, faselst du da? Was soll das Geschwätz?« Der Pirat wehrte sich mit der Kraft eines Bullen, und Lucky keuchte vor Anstrengung, während er ihn in die alte Position zurückzwang.

»Paß' mal gut auf«, sagte Lucky. »Was glaubst du eigentlich, was passiert, wenn das Kohlendioxyd aus zehn Zentimeter Entfernung trifft, ohne daß die Turbulenzen den Strom verlangsamt haben oder der Jet aufgefächert ist? Du brauchst gar nicht zu raten, ich werd's dir erzählen. Es würde wie ein Schneidbrenner durch den Anzug gehen, und durch deinen Körper natürlich auch.«

»Du spinnst! Du quatscht Unsinn!«

Dingo fluchte wie ein Besessener, hielt seinen Körper aber plötzlich stocksteif.

»Dann versuch's doch«, sagte Lucky. »Beweg' dich! Meine Stoßpistole liegt mit der Mündung fest an deinem Anzug und ich drücke ab. Versuch' es doch.«

»Du foulst mich«, knirschte Dingo. »Das ist kein anständiger Sieg.«

»Ich habe einen Sprung im Visier. Die Männer werden wissen, wer hier nicht fair gewesen ist. Du hast eine halbe Minute, um es dir zu überlegen, Dingo.«

Die Sekunden vertickten, ohne daß einer sprach. Lucky ergriff Dingos Hand.

»Auf Wiedersehen, Dingo!« sagte er.

»Warte mal, warte!« brachte der Pirat mit belegter Stimme hervor. »Ich dehne nur gerade den Senderadius aus.« Dann rief er: »Captain Anton. Captain Anton.«

Es dauerte anderthalb Stunden, um wieder zum Schiff zu kommen.

Die Atlas schwebte wieder im Gefolge des Piratenschiffs durch den Weltraum. Die automatische Steuerung war auf manuelle Bedienung umgeschaltet worden, und eine dreiköpfige Prisenmannschaft überwachte die Antriebsaggregate. Wie zuvor hatte die Atlas eine Passagierliste von genau einem Mann - Lucky Starr.

Lucky stand in einer Kabine unter Arrest und bekam die Crew nur zu Gesicht, wenn er seine Mahlzeiten erhielt. Dabei handelte es sich um die Vorräte von Bord der Atlas, dachte Lucky. Oder zumindest um das, was davon noch übrig geblieben war. Ein Großteil der Lebensmittel und all jene Ausrüstungsgegenstände, die für das Manövrieren des Schiffes nicht unabdingbar notwendig waren, hatte man bereits auf das Piratenschiff hinübergeschafft.

Seine erste Mahlzeit brachten ihm drei Piraten gemeinsam. Es waren schlanke Männer, von der ungebrochenen Sonne des Weltraums tief gebräunt.

Sie reichten ihm das Tablett, ohne etwas zu sagen, untersuchten die Kabine mit Sorgfalt, blieben stehen, während er die Dosen öffnete und den Inhalt erwärmte, dann trugen sie die Reste wieder weg.

»Setzt euch, Männer«, sagte Lucky. »Ihr braucht nicht zu stehen, während ich esse.«

Keine Antwort. Einer, es handelte sich um der dünnsten und hohlwangigsten der drei, seine Nase war einmal gebrochen worden und stand nun schief im Gesicht und sein Adamsapfel zeichnete sich scharf ab, sah seine Kameraden an, als überlege er, ob er die Einladung annehmen solle. Die anderen zeigten aber keine Reaktion.

Schiefnase brachte ihm die nächste Mahlzeit allein. Er stellte das Tablett ab, ging zur Tür zurück und öffnete sie. Er spähte den Korridor entlang, machte wieder zu und sagte: »Ich heiße Martin Maniu.«

Lucky lächelte. »Bill Williams. Die beiden anderen reden nicht mit mir, wie?«

»Das sind Freunde von Dingo. Ich nicht. Vielleicht bist du ein Regierungsspitzel, wie der Captain glaubt, vielleicht bist du auch keiner. Ich habe keine Ahnung. Aber was mich betrifft, ist jeder, der mit Dingo, der Ratte, macht, was du getan hast, in Ordnung. Er hält sich für schlau und liebt rauhe Scherze. Als ich neu war, hat er mich einmal in ein Stoßpistolenduell verwickelt. Er hat mich beinahe gegen einen Asteroiden geschossen. Und das ganz ohne Grund. Er hat behauptet, es sei ein Versehen gewesen, aber überleg' mal, der macht doch mit einer Stoßpistole keine Fehler. Du hast dir eine Menge Freunde gemacht, Mister, als du die Hyäne am Hosenboden zurückgeschleift hast.«

»Das freut mich.«

»Aber nimm' dich vor ihm in acht. Das wird er dir nie vergessen. Paß' auf, daß du nie mit ihm allein bist, selbst in zwanzig Jahren nicht. Es ist nicht nur, daß du ihn besiegt hast, verstehst du, sondern weil du ihn mit der Story über Kohlendioxyd, das angeblich durch eine Dreizentimeterplatte aus Metall schneidet, geblufft hast. Alle lachen ihn aus, und das hat er satt. Er ist regelrecht krank, Mann. Das ist das Schönste, was je passiert ist. Mann, ich hoffe echt, daß der Boß dich mitmachen läßt.«

»Der Boß? Captain Anton?«

»Nein, der Boß. Der große Chef. Sag' mal, das Essen hier an Bord ist wirklich klasse. Besonders das Fleisch.« Der Pirat schmatzte vernehmlich mit den Lippen. »Dieses Gerstenmus hängt dir bald zum Halse raus, besonders, wenn du selbst auch noch die Kessel überwachen mußt.«

Lucky kratzte die Essensreste von seinem Teller. »Wer ist der Kerl?«

»Wen meinst du?«

»Den Boß.«

Maniu zuckte die Achseln. »Beim All! Ich habe keine Ahnung. Du glaubst doch nicht etwa, einer wie ich würde ihn je zu Gesicht bekommen. Es ist jemand, von dem alle Welt redet. Ist doch klar, einer muß der Boß sein.«

»Kompliziert angelegte Organisation.«

»Mann, du machst dir keine Vorstellung davon, bis du selbst bei dem Verein mitmachst. Paß' auf, als ich hier herauskam, war ich total abgebrannt. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Ich dachte, na, wir knallen ein paar Schiffe ab und dann bekomme ich mein eigenes und das wär's dann gewesen. Das wäre bestimmt besser, als einfach zu verhungern, meinst du nicht auch?«