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Er umschlang den Zylinder mit den Armen, preßte ihn an die Brust und wartete.

Es waren nur fünfzehn Minuten vergangen, aber Lucky kamen sie wie Stunden vor, bis er zu der Überzeugung kam, daß der Asteroid zusehends heller wurde. Näherte er sich dem Brocken wieder? Oder war das alles nur Einbildung? Weitere fünfzehn Minuten verstrichen, und jetzt war er entschieden heller als zuvor. Lucky empfand so etwas wie Dankbarkeit, für den Zufall, daß man ihn von der Lichtseite des Asteroiden aus ins All katapultiert hatte, so konnte er jetzt sein Ziel wenigstens erkennen.

Das Atmen wurde zusehends anstrengender. Die Gefahr einer Kohlendioxydvergiftung bestand nicht, denn das Gas wurde sofort chemisch gebunden. Aber mit jedem Atemzug verringerte sich sein kostbarer Sauerstoffvorrat, der sich in seinem Anzug befand. Er versuchte so flach wie möglich zu atmen, dann schloß er auch noch die Augen, um sich auszuruhen. Schließlich konnte er ja im Augenblick nichts weiter unternehmen, bis er den Asteroiden erreicht und passiert hatte. Dort hinten auf der Nachtseite wartete Bigman vielleicht auf ihn.

Sollte es ihm gelingen, mit seinem defekten Sprechfunkgerät aus nächster Nähe Kontakt aufzunehmen, ehe er ohnmächtig wurde, dann bestand noch Aussicht auf Rettung.

*

Für Bigman waren die Stunden langsam und quälend verstrichen. Er brannte darauf zu landen, traute sich aber nicht.

Er sagte sich immer wieder, falls der Feind tatsächlich vorhanden war, dann hätten sie sich inzwischen längst zu erkennen gegeben. Dann wieder gelangte er zu der bitteren Erkenntnis, daß eben genau dieses anhaltende Schweigen und die absolute Stille des Alls für eine Falle sprachen und Lucky in Gefangenschaft geraten war.

Er legte Luckys Privatkapsel vor sich und fragte sich, was sie wohl enthalten mochte. Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, das Ding aufzubrechen und die dünne Mikrofilmspule zu lesen. Wenn ihm das gelang, konnte er eine Meldung zur Ceres absetzen, und sobald das erledigt war, stünde es ihm frei, mit Karacho auf den Asteroiden herabzudonnern. Er würde sie alle in Fetzen schießen und Lucky aus dem Dreck ziehen, egal, in was für Schwierigkeiten sich sein Partner auch befinden mochte.

Aber das ging nicht! Erstens wagte er nicht auf Sub-Äther zu gehen. Die Piraten konnten zwar seinen Code nicht entschlüsseln, das war klar, aber sie würden den Funkstrahl orten, und ihm war befohlen worden, die Position des Schiffes nicht preiszugeben.

Außerdem war es zwecklos, sich über das Öffnen einer Privatkapsel überhaupt Gedanken zu machen. Ein Solarhochofen konnte das Ding zum Schmelzen bringen und es zerstören, ein Atomschlag reichte, um sie zu vernichten; aber nichts auf der Welt war in der Lage, die Kapsel zu öffnen, außer der Person, auf die sie abgestimmt war.

Über die Hälfte der zwölf Stunden war verstrichen, als urplötzlich die Gravitationssensoren losschrillten.

Bigman riß sich aus seinen nutzlosen Tagträumereien und blickte wie gebannt auf das Ergometer. Die Signalimpulse mehrerer Schiffe verschmolzen zu komplizierten Kurvenmustern, die sich schlangengleich von einer Konstellation in die nächste verwandelten.

Der Schutzschild der Shooting Starr hatte die ganze Zeit über in ausreichender Stärke vor sich hin geglimmt, um den üblichen >Schutt< (so nannte man in der Weltraumfahrt Meteoriten von einem Zoll oder noch weniger Durchmesser) abhalten zu können, und sprang jetzt auf volle Stärke. Bigman vernahm, wie das sanfte Schnurren der Kraftanlage zu einem Kreischen anschwoll. Er ließ die Nahdistanz-Sichtgeräte eins nach dem anderen aufflackern.

Ihm schwirrte der Kopf. Die Schiffe stiegen von der Oberfläche des Asteroiden auf, sonst waren nirgendwo welche zu entdecken. Also mußten sie Lucky geschnappt haben, wahrscheinlich war er tot. Es war ihm gleichgültig, wie viele da auf ihn zukamen. Er würde sie alle erwischen, jedes einzelne.

Er riß sich zusammen. Der erste Sonnenstrahl wurde von einem der Sichtgeräte aufgefangen. Er richtete das Fadenkreuz auf ein Ziel. Dann drückte er auf einen Schalter, der wie eine Klaviertaste aussah, und das Piratenschiff glühte, von einer unsichtbaren Energiesalve getroffen, auf.

Das Glühen kam nicht durch eine Einwirkung auf den Rumpf, sondern durch die Energieabsorption des Abwehrschildes des feindlichen Schiffes zustande. Das Glühen wurde heller und heller. Als der Feind sich zur Flucht wandte und die Entfernung zwischen ihnen vergrößerte, nahm der Lichtschein wieder ab.

Ein zweites und drittes Schiff tauchten auf. Ein Projektil bewegte sich auf die Shooting Starr zu. Im leeren Weltraum gab es keinen Blitz, es verursachte auch kein Geräusch, aber die Sonne beleuchtete es, und es sah wie ein kleiner Lichtfleck aus. Im Sichtgerät wurde es zu einem kleinen Kreis, wuchs dann zusehends, um dann schließlich aus dem Bildschirmausschnitt zu verschwinden.

Bigman hätte ausweichen, die Shooter aus der Schußbahn flitzen lassen können, aber er dachte sich, »laß' es ruhig einschlagen«. Er wollte, daß sie merkten, worauf sie sich eingelassen hatten. Die Shooter sah vielleicht wie ein Spielzeug für Reiche aus, aber mit ein paar Schleudern würden sie sein Schiff nicht außer Gefecht setzen können.

Das Projektil schlug ein und kam an dem Absorberschild der Shooting Starr träge zum Stillstand. Bigman war klar, daß sein Schutzschild für den Bruchteil einer Sekunde aufgeblitzt haben mußte. Das Schiff selbst schwankte sanft, als es dem Teil der Aufprallwucht, der durch den Schutzschild gedrungen war, ausgesetzt wurde.

»Das wollen wir denen jetzt mal heimzahlen«, murmelte Bigman vor sich hin. Die Shooting Starr hatte keine Projektile, Sprenggranaten oder dergleichen, aber dafür war sie mit einer Batterie unterschiedlicher und zudem starker Energiewerfer bestückt. Seine Hand schwebte über den B lasterknöpfen, da sah er auf dem Sichtgerät etwas, was sein kleines entschlossenes Gesicht in eine finstere Miene verwandelte: Der Gegenstand sah wie ein Mann in einem Raumanzug aus.

Es ließ sich nicht von der Hand weisen, daß ein Mann in einem Raumanzug einem Schiff gefährlicher werden konnte, als es die besten Waffen eines anderen Raumschiffes je vermochten. Ein feindliches Schiff kann man mit Schwerkraftsensoren spielend leicht orten, selbst wenn es meilenweit von einem entfernt war, mit Ergometern ließ sich das sogar über Tausende von Meilen bewerkstelligen. Ein einzelner Mann in einem Raumanzug dagegen ist mit Schwerkraftsensoren nur auf hundert Meter feststellbar, Ergometer können gar nichts ausrichten.

Ein Absorberschild verhielt sich um so effektiver, je größer die Geschwindigkeit des Projektils war. Riesige, mit enormer Geschwindigkeit heransausende Metallbrocken konnten wie nichts zum Stillstand gebracht werden. Ein einzelner Mann hingegen, der mit ungefähr zehn Kilometern pro Stunde einherschwebte, wurde von der Existenz eines solchen Absorberschildes überhaupt nicht beeinflußt, sah man einmal davon ab, daß sich sein Anzug minimal aufheizte.

Wenn man ein Dutzend Männer gleichzeitig gegen ein Schiff vorgehen ließ, mußte die Besatzung ihr Handwerk schon verstehen, um alle Angreifer zu erledigen. Es reichte völlig, wenn zwei oder drei nahe genug herankamen und es ihnen gelang, mit den Handwaffen die Schleuse aufzuschmelzen, in dem Falle war das betreffende Schiff ernsthaft angeschlagen.

Und jetzt sah Bigman hier ein kleines Pünktchen, das sich als die Vorhut eines solchen Selbstmördertrupps entpuppen konnte. Er richtete eines der Neb enge schütze. Der einsame Mann tauchte mitten im Fadenkreuz auf, Bigman stand gerade im Begriff abzudrücken, da fing sein Helmempfänger plötzlich zu summen an. Im ersten Augenblick war er überrascht. Die Piraten hatten ohne Vorwarnung angegriffen und hatten nicht versucht, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, ihn zur Übergabe aufzufordern oder Verhandlungen anzubieten oder dergleichen.