Und sollte das doch einmal geschehen, dann war Anton immer in der Lage, von einer der nahegelegenen Asteroidenbasen Verstärkung herbeizuholen.
Ja, Anton würde im Asteroidengürtel bleiben, sagte Lucky sich. Zum Teil, weil er davon überzeugt war und teils, weil er eigene Pläne verfolgte, hob Lucky die Shooting Starr in einem flachen Bogen aus der Ekliptik.
Die Sonne war der Schlüssel zu allem. Sie war der Schlüssel des gesamten Systems. Sie stellte so etwas wie eine Straßensperre und eine Umleitung für jeden Raumfahrer dar. Wollte ein Schiff von einer Seite des Systems zur anderen, war man gezwungen, der Sonne in einem weiten Bogen auszuweichen. Kein Passagierschiff kam näher als sechzig Millionen Meilen an sie heran, das entsprach in etwa der Entfernung Venus - Sonne. Selbst dann waren noch Kühlaggregate nötig, eine unabdingbare Notwendigkeit für die Bequemlichkeit der Passagiere.
Natürlich war es technisch möglich, Schiffe zu bauen, die sich für die Reise zum Merkur eigneten, jenem Planeten, dessen Distanz von der Sonne zwischen neunundsechzig und fünfundvierzig Millionen Kilometer schwankte, je nach Umlaufbahn. Man landete gewöhnlich dann, wenn der Planet seine sonnenfernste Stellung bezogen hatte. Bei weniger als dreißig Millionen Meilen schmolzen bereits verschiedene Metalle.
Trotzdem wurden manchmal Spezialschiffe zur Sonnenbeobachtung gebaut. Die Hüllen solcher Schiffe wurden dann von einem starken elektrischen Feld durchdrungen, das ein Phänomen hervorrief, das man »Pseudoverflüssigung« nannte, dabei handelte es sich um eine Veränderung der Moleküle der äußeren Haut, die zu einer beinahe totalen Hitzereflektion führte, so daß nur ein ganz geringer Teil der Solarstrahlung ins Schiffsinnere drang. Von außen glichen solche Schiffe richtigen Spiegeln. Dennoch drang genug Hitze ein, um die Temperatur im Inneren der Schiffe über den Siedepunkt von Wasser klettern zu lassen, obwohl die Entfernung zur Sonne immer noch fünf Millionen Meilen betrug, und dabei handelte es sich bereits um den nächsten je verzeichneten Abstand. Selbst wenn es Menschen möglich war, derartige Temperaturen zu überleben, waren sie noch lange nicht im Stande, die Kurzwellenstrahlung, die auf diese Entfernung aus der Sonne flutete und in das Schiff eindrang, zu überstehen. Diese Strahlen konnten jede Form des Lebens in Sekundenschnelle töten.
Im vorliegenden Fall lag der Nachteil der Sonnenposition für die Weltraumfahrt besonders deutlich auf der Hand, denn Ceres befand sich auf der einen Seite der Sonne, während Erde und Jupiter beinahe diametral entgegengesetzt auf der anderen Seite kreisten. Wenn man sich im Asteroidengürtel befand, betrug die Entfernung von Ceres zum Ganymed etwa eine Milliarde Meilen, Hätte man die Sonne außer acht lassen und quer durch das Sonnensystem fliegen können, würde die Gesamtdistanz nur etwa sechshundert Millionen Meilen betragen, was einer Ersparnis von ungefähr vierzig Prozent entsprochen hätte.
Lucky hatte vor, soviel wie möglich von dieser Ersparnis Gebrauch zu machen.
Er holte alles aus der Shooting Starr heraus und kam praktisch überhaupt nicht mehr aus seinem Gravitationsanzug heraus. Er trug ihn beim Essen und Schlafen und war ständig den Auswirkungen der Beschleunigungskräfte ausgesetzt. Er gestattete sich pro Stunde nicht mehr als fünfzehn Minuten Ruhe.
Er zog hoch über den Umlaufbahnen von Mars und Erde dahin, aber da gab es nichts zu beobachten, selbst wenn man das Schiffsteleskop zu Hilfe nahm. Die Erde befand sich auf der anderen Seite der Sonne, und der Mars stand augenblicklich beinahe in einem rechten Winkel zu seinem eigenen Kurs.
Die Sonne war bereits so groß, wie sie von der Erde aussah und er konnte sie nur durch extrem stark polarisierende Bildschirme betrachten. Es würde nicht mehr lange dauern, dann mußte man die stroboskopischen Zusatzeinrichten einschalten.
Die Radioaktivitätsanzeiger knatterten bereits ab und zu. Innerhalb der Erdumlaufbahn erreichte die Kurzwellenstrahlung sehr respektable Werte. Innerhalb der Venusbahn würde er besondere Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen - zum Beispiel das Tragen eines bleibeschichteten Semiraumanzuges.
Was mich betrifft, dachte Lucky, so wird Blei nicht ausreichen, wenn ich noch näher an die Sonne herankomme, nichts Stoffliches würde als Schutz genügen.
Zum ersten Mal seit seinem Abenteuer auf dem Mars im letzten Jahr, holte Lucky aus einer an seiner Hüfte befestigten Spezialtasche das fadenscheinig aussehende, halbtransparente Objekt hervor, das ihm die Energiewesen auf dem Mars zum Geschenk gemacht hatten.
Er hatte es längst aufgegeben, darüber nachzudenken, nach welchem Prinzip das Ding funktionierte. Es war das Produkt einer Forschung, die bereits eine Million Jahre in voller Blüte gestanden hatte, bevor die Menschheit überhaupt an so etwas gedacht hatte, außerdem hatten die Marsbewohner dabei völlig andere Wege beschritten. Es war ihm ebenso unbegreiflich, wie ein Raumschiff einem Steinzeitmenschen unbegreiflich vorkommen mußte. Es war ganz und gar unmöglich, ein zweites Exemplar herzustellen, aber es funktionierte! Allein darauf kam es an!
Er zog es über den Kopf. Es schmiegte sich seinen Schädelkonturen an, als verfüge es über ein seltsames Eigenleben. Im gleichen Augenblick war er von einem Lichtschimmer umgeben. Sein ganzer Körper glitzerte, als wäre er über und über in Phosphor getaucht worden, das war auch der Grund dafür, weswegen Bigman »Glitzerschild« dazu sagte. Über seinem Gesicht wirkte es wie ein undurchsichtiges irisierendes Tuch, das seine Gesichtzüge vollständig verbarg, ohne daß es andererseits das einfallende Licht von seinen Augen abhielt.
Es handelte sich um einen Energieschild, den die Marsbewohner Luckys Bedürfnissen entsprechend angefertigt hatten. Das heißt, der Schild war für jede Art der Energie undurchdringlich, abgesehen von solcher, wie sie sein Körper brauchte. Dazu gehörte eine gewisse Menge Licht, das innerhalb des sichtbaren Spektrums lag, und ebenfalls ein bestimmtes Wärmequantum, damit er sich wohlfühlte. Gase diffundierten völlig problemlos, so daß Lucky ohne Schwierigkeiten atmen konnte, zudem wurden heiße Gase gleichzeitig abgekühlt.
Als Luckys Schiff die Venusumlaufbahn passiert hatte, immer noch mit Kurs auf die Sonne, behielt er den Energieschild ständig an. Der Nachteil war, daß er, solange er den Schild trug, weder essen noch trinken konnte, aber die ihm auferlegte Fastenzeit würde höchstens einen Tag währen.
Er schoß nun mit viel größerer Geschwindigkeit durch das All als je zuvor in seinem Leben. Neben der geschoßartigen Schubkraft der hyperatomaren Motoren machte sich jetzt auch noch die unvorstellbar große Anziehungskraft des gigantischen Schwerkraftfeldes der Sonne bemerkbar. Er legte im Augenblick mehrere Millionen Kilometer in der Stunde zurück.
Er schaltete das Elektrofeld ein, das die äußere Hülle des Schiffes in einen pseudoflüssigen Zustand versetzte, und war im stillen dankbar dafür, daß er beim Bau der Shooting Starr darauf bestanden hatte, diese Vorrichtung zu bekommen. Die Bimetallthermometer, die bereits Temperaturen von über vierzig Grad angezeigt hatten, begannen wieder langsam zu sinken. Die Bildschirme verdunkelten sich, als Metalljalousien sich vor das dicke Glassit schoben, um sie vor Schaden zu bewahren und ein Anschmelzen durch die Sonnenhitze zu verhindern.
Als er die Merkurbahn erreicht hatte, waren die Strahlenmeßgeräte völlig verrückt geworden. Das Knattern hörte nicht mehr auf. Lucky legte seine schimmernde Faust vor die Einfallfenster und der Krach legte sich. Bis hinunter zu den härtesten Gammastrahlen wurde die Strahlung, die das Schiff durchdrang und erfüllte, von der körperlosen Aura aufgehalten, die ihn umgab.