Es ist sehr gefährlich, in der Umgebung des Staryj Basars auf und ab bei Nacht und Nebel zu gehen. Die Kriminalitätsrate ist in der Stadt, gelinde gesagt, nicht gerade niedrig, ehe umgekehrt, aber im Basargegend ist sie enorm groß. Niemand von gesundem Verstand läuft hier in der Dunkelheit. Igor weiß das alles, glaubt aber nicht, dass ihm irgendwas passieren könnte Er wohnt ja in der Straße fast sein ganzes Leben lang.
Igor geht die Ausnüchterungsanstalt vorbei und nähert sich seinem Haus. Ihm kommt wackelig eine männliche Gestalt entgegen. Die ist offensichtlich voll besoffen und schreit etwas Unverständliches aus, die Intonation ist aber eindeutig aggressiv. Igor will sich in Ausnüchterungsprozess nicht einmischen und überquert vernünftig die Straße. Der Besoffene begegnet unerwartet einem Baum, der auf dem Trottoir wächst, und erzählt ihm plötzlich ganz deutlich schon Einiges über Sexualleben der Baummutter. Der unhöfliche Baum antwortet nicht und das bringt den Besoffenen in die Rage. Er versucht den Gegner überwältigen, indem er ihn mit dem Kopf aus Leibeskräften stößt, doch den Baum zeigt keine Reue. Dann stößt der Mann ihn noch einmal und fällt bewusstlos nieder. Das vorbeifahrende Polizeiauto nimmt ihn nicht besonders zärtlich mit.
Igor bewundert den Mut des Mannes. Dann hört er überraschend Schritte hinter sich. Er ist sich total sicher, dass ihm niemand folgte. Er greift in seine Tasche und fühlt den hölzernen Griff des Nunchakus. Er ist kein Meister am Karatemetier, aber als er noch jung war, zeigte ihm einer seiner Freunde, wie man das Nunchaku effektiv benutzen kann. Igor kennt das alles ehe theoretisch als praktisch, aber mit Nunchaku in der Tasche fühlt er sich sicherer.
Die schnellen Schritte kommen näher und Igor kehrt sich um. Er sieht einen Mann in grauer Jacke mit Kapuze, der ihm entgegen läuft. Die Silhouette des Mannes kommt ihm bekannt vor, aber ihm bleibt keine Zeit daran zu denken, weil der Mann etwas Glitzerndes in der rechten Hand hält und das scheint Igor gefährlich zu sein. Er zieht vorsichtig sein Nunchaku aus der Tasche, versteckt das hinter den Rücken und wartet.
Der Man nähert sich schnell ihm zu. Jetzt sieht Igor, dass der Mann einen Pfriem in der Hand hält. Wozu soll es nützlich sein, in der Nacht mit dem Pfriem durch die Stadt zu laufen? - denkt Igor und versucht mit dem Nunchaku den Mann zu entwaffnen. Selbstverständlich schlägt er daneben, trifft gerade das linke Knie des Mannes. Der Letzte schreit laut von sich hin, ehe wegen der Überraschung, als wegen des Schmerzes. Seltsamerweise ermutigt dieser Schrei Igor zum zweiten Schlag. Er versucht wieder den Mann zu entwaffnen. Und wieder ist es ein Fehlschlag. Doch diesmal tritt das Nunchaku die Nase des Mannes. Igor fühlt, wie sein Gesicht mit Bluttropfen bespritzt wird. Der Mann knickt mit einem Schrei und gequältem Gesichtsausdruck auf der Straße zusammen. Igor ist fast bis zur Tode erschrocken und rennt, ehe fliegt nach Hause.
Zu Hause öffnet Igor mit zitternden Händen eine Flasche seines Liblingsdonweins – Kagor-32. Früher schätzte Igor viel mehr Wodka und konnte gewisse Menge intus nehmen, vor allem weil er das wichtigste Geheimnis des Wodkatrinkens wusste: man muss viel essen und für alle hundert Gramm von Wodka dreißig Gramm Butter essen. Das soll aber echte Butter sein, keine sogenannte „weiche“ Butter. So kann man eine Flasche Wodka ohne sichtbare Konsequenzen verkraften. Diese guten Zeiten sind schon seit langem vorbei. Jetzt verträgt seine Leber keinen Wodka und keine Butter. Aber die süßen Weine – das geht noch.
Igor trinkt langsam Wein aus und denkt daran, was er tun soll. Er will sich nicht bei der Polizei melden – das bringt überhaupt nichts und ist nur Zeitverschwendung. Und was soll er denn sagen, dass er jemandem die Nase brach? Und er weiß nicht, wie der Mann sich fühlt. Vielleicht behandelt man ihn jetzt im Krankenhaus, vielleicht ist er schon tot. Wer außer Igor sah diesen Pfriem? Und wo ist er? Warum dachte Igor, dass der Mann ihn überfallen wollte? Es ist doch möglich, dass er einfach so eine Angewohnheit hat, mit dem Pfriem in der Nacht durch die Stadt spazieren zu gehen. Wen stört das doch? Das war aber Igor, der den armen Mann überfiel. Verletzte der Unbekannte irgendwie Igor? Dazu gibt es keine Spuren, doch Igor verletzt den Unbekannten offensichtlich. Ja, gewiss, Igor ist derjenige, der in den Knast soll! Nein, der Polizei muss abgesagt sein.
Aber was für einen Mann war das? Wollte er wirklich ihn überfallen? Bin ich sicher? Dennoch er lief mit einem Pfriem... Er schien irgendwie mir bekannt zu sein... Wer war das? Nein, das stimmt nicht, ich kenne ihn nicht. Was soll ich jetzt tun?
Igor entscheidet sich nicht an die Polizei zu wenden. Soll er über das Geschehen jemandem erzählen? Aber wem denn? Den Freunden? Hat er denn welche, und wenn ja, dann könnte er ihnen vertrauen, besonderes in solchen Sachen? Igor prüft sorgfältig seine letzten Freunde und kommt zum traurigen Schluss, dass er niemandem trauen kann. Seltsam, sein ganzes Leben pflegte er freundschaftliche Beziehungen und jetzt hat er keine Freunde und sogar keine Frau. So ist das Leben. Er wird schweigen. Es ist nichts passiert. Der Mann wird wohl auch gesund sein, das hofft Igor. Am besten werde ich alles vergessen. Ab sofort. Igor trinkt die Flasche von Kagor-32 aus und schläft ein.
Am nächsten Tag passiert nichts. Er arbeitet wie üblich, kauft in Laden wie üblich, kommt nach Hause wie üblich. Als ob das, was gestern passierte, nur ein düsterer Traum wäre. Igor geht zum Tatort und inspiziert diesen sorgfältig. Überall kann man Bluttropfen sehen. Aber niemand interessiert sich dafür. Menschen in der Gegend sind schon gewöhnt, auf dem Bürgersteig Bluttropfen zu sehen. Ansonsten ist alles ganz ruhig.
Es verging vier Monaten und Igor beginnt langsam diese Geschichte zu vergessen. Seine Netzpopularität wächst, immer mehr Menschen fragen nach seiner Meinung. In der letzten Zeit gibt es besonders große Nachfrage im Familienlebensgebiet. Weil Igor drei Frauen hatte und noch Erfahrung mit einigen Mädels erworben hat, glaubt er, dass er genug von lehrreichen Erlebnissen sammelte und deshalb der richtige ist, um die Fragen zu beantworten. Nach den Vorlesungen eilt er nach Hause. Sein Internetgefolge wartet schon auf ihn.
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Der Feldzug zu seinem Haus läuft wie immer. Es ist genau ein Feldzug, weil Igor gezwungen den Betrunkenen auszuweichen ist. Auch andere nüchterne Bürger benehmen sich genauso wie er. Sie laufen hastig von einer zu anderer Seite der Straße. Dabei sollen sie die Aufmerksamkeit der Polizei nicht erregen, denn dann könnte man sie als Betrunkenen behandeln. So im Zickzack läuft Igor nach Hause.
Plötzlich kommt ihm aus dunklem Torbogen ein Besoffener entgegen. Er ist schmutzig und zerlumpt, riecht von fern nach einer schönen Mischung von Urin und Alkohol. Sein Gesicht sieht wie eine große Wunde. Igor weigert sich, auf die andere Seite der Straße zu gehen, weil es nur zehn Meter bis zum seinen Haus bleibt. Er läuft ruhig neben dem Alkoholiker, versucht ihn nicht anzusehen. Jetzt ist er schon dem Alkoholiker vorbei. Der Geruch ist auch fast weg. Etwas stoßt ihn leicht in den Rücken. Sein Herz tut weh. Sein Herz tut oft weh. Igor versucht die dazu speziell vorbereitete Arznei aus der Tasche zu nehmen. Der Schmerz wächst. Ihm wird klar, dass er den Alkoholiker kennt, sein Name ist... Warum schalteten sie die Lichter aus? Es ist so dunkel... Igor fällt langsam zum Boden hin. Der Alkoholiker beugt sich über ihn und entfernt den Pfriem aus Igors Rücken. Dann nimmt er aus der Tasche eine Flasche Wodka und gießt sie auf den Kleidern den liegenden Mann. Er steckt die Flasche wieder in die Tasche, kehrt sich um und geht ruhig weg.
Das vorbeifahrende Polizeiauto hält neben den Liegenden an, Polizisten steigen aus und transportieren den Körper ins Auto. Sie schimpfen, dass dieser Mann wie eine Sau besoffen ist.