Eines Tages kam Alik zu einer revolutionären Idee. Genauer gesagt, kam diese Idee von selbst zu Alik in der Nacht während des Schlafes. Wenn er sowieso die Stipendien nicht gleichzeitig verteilt, warum sollte er dann dieses Geld etwas länger bei sich nicht behalten? Er könnte das, sagen wir in sechs – neun Monaten, alles zurückzahlen. Den Rest der Nacht dachte Alik nach und nach, am Ende fand er seine Lösung ausgezeichnet. Er teilte die Igor mit, und sein Freund stimmte ihm zu. Dann kalkulierten sie, wie viel Geld wäre für sie möglich zusammenzubringen. Die Summe, die sie bekamen, war nicht imstande jemanden zu beeindrucken. Um ein neues Auto könnte keine Rede sein. Nur ein gebrauchtes kam in Frage. XXXXXX XXX XXXX XX XXX XX XXX XXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXX XXX XXXXXXX XX
Wo aber fand man ein gebrauchtes Auto in der Sowjetunion? Der Markt der gebrauchten Autos war damals eher mager. Gewöhnlicherweise kaufte man Auto und fuhr damit bis zum Tode – seines eigenen oder seines Autos. Ansonsten reparierte man das, vorzüglich selbst. Freunde begannen ein gebrauchtes Auto zu suchen. Ohne Ergebnisse vergingen vier Monate. Dann meldete sich ein Igors Bekannter aus Mariupol. Er fand das Objekt der Begierde. Alik und Igor sollten schnellstmöglich kommen und Auto anschauen. Genau das taten sie.
Das Auto war ein Wunder. Ein Denkmal der Ingenieurkunst und technischen Geschicklichkeit eines unbekannten ukrainischen Meisters. Das Auto bestand aus Ersatzteilen von ukrainischer Parodie auf Fiat 600 namens „Saporoschez“, russischer Parodie auf verschiedenen Fiat-Modellen namens „Lada“ und Überreste von Opel-Kadett, Baujahr 1939, der man während deutscher Okkupation in Mariupol vergaß. Das Ergebnis sah scheußlich aus, wie ein böser Zwerg. Das Auto wurde mit silberner Farbe angestrichen. Man muss ja wissen, dass in russischen Friedhöfen alle Denkmäler mit einem Zaun umgeben sind. Dieser Zaun stricht man üblicherweise mit silberner Farbe an...
Der Verkäufer nannte sein Auto stolz „Lamborghini“ und erzählte nicht, dass Mädchen Angst von „Lamborghini“ hatten, weil es seltsame Geräusche vor sich aus produzierte und schwarze Abgase verbreitete. Er hätte das ruhig erwähnen können, weil für die Freunde dieser Fakt keine Rolle spielte. Was aber bewundernswert war, dass es dem Besitzer gelang, dieses Monster bei hiesiger Verkehrspolizei als Auto zu registrieren und das darüber hinaus genau unter Markennamen „Lamborghini“. Vielleicht aber nicht so bewundernswert – mit eine Menge Geld kann man die Verkehrspolizei zu allem inspirieren – früher genauso wie heute. Man erzählt solch einen Witz:
Ein Mercedes E-Klasse raste eine (natürlich, russische) Straße entlang und stieß auf eine Straßenwalze. Der Verkehrspolizist nähert sich dem Fahrer der Straßenwalze und fragt ihn:
Na, erzähl doch, wie hast du den Mercedes überholt, wie hast du ihn abgeschnitten?
Der Verkäufer feilschte nicht lange, er war schon dieses Automobils satt. So wurden die Freunde zu Autobesitzer. XXX XXXXXX XX XXX XXX XX XXX XX XXXXXXXXXX XXX XXXXX XX XXX XXXXXXXX XXX XXXXXX XX XXX XX XXX XXXXXXXXXXXXXX XXX XXXX XX XXX XXXXXX.
Alik und Igor fuhren zurück nach Rostow und den ganzen Weg waren sie vor Angst geschüttelt, weil keiner von ihnen einen Führerschein hatte. Viermal wurden sie von Verkehrspolizei gestoppt, doch niemals kam es zur Papierkontrolle. Alik und Igor handelten streng nach Empfehlungen einer ihrer Freunde, und nämlich – Verkehrspolizisten gleich ohne Umschweife zu bestechen. Man musste dabei eines ins Betracht ziehen – wenn der Verkehrspolizisten vom niedrigen Rang war, sollte man ihm fünf Rubel geben, wenn, hingegen, war er vom höheren Rang, dann sollte er mit zehn Rubel besänftigen sein. Keineswegs sollte man die Größe der Bestechung verwechseln. In diesem Fall wuchs in Verkehrspolizisten einen Verdacht, dass etwas nicht stimmt und sie könnten nach Führerschein fragen. So bezahlten Freunde für die Reise dreißig Rubel an Verkehrspolizisten, plus Benzin... Ja, mit der Bahn oder Bus wäre es viel billiger, doch ihrer Ansicht nach, war es dieser Sache wert.
In Rostow fuhr „Lamborghini“ ausschließlich durch Unigelände wegen fehlender Führerscheine. Zwei Menschen passten ins Zwergauto, aber so viele Freunde wollten mitfahren! Sie pressten sich zu acht in den Salon. Und alle wollten selbst fahren. Angesichts dringender Notwendigkeit Führerscheine zu schaffen, wurde entschieden, sich in Unifahrschule eintragen zu lassen. Das war für Studenten umsonst. Der Fahrschullehrer war jung, aber klug. Er ließ Führerscheinanwärter nur außer Stadt trainieren. So konnte er die unvermeidlichen Schäden drastisch reduzieren. In der Tat, Alik ist es misslungen, einen Hund zu überfahren und Igor konnte einen Baum, der frech im Abstand von drei Meter von der Straße wuchs, nicht zerschlagen. Die Prüfung fand auch außer Stadt statt, weil Verkehrspolizei Studentenklientel zu gut kannte, um sie durch die überfüllten Straßen fahren zu lassen.
Die Sache mit den Führerscheinen wurde erledigt, aber die mit dem Geld nicht und die Perspektiven sahen schlecht aus. Nach zwei Monaten Wartezeit verlieren einige Studenten die Geduld. Sie wollten ganz unverschämt ihre Stipendien bekommen. Alik versuchte ehrlich sie zur Vernunft zu bringen und versprach in ein halbes Jahr alles zurückzugeben. Man glaubte ihm aber nicht und Alik wunderte sich warum. In drittem Monat wurde die Lage erst ernst. Ein Paar von Studenten wollten leere Versprechungen nicht mehr hören und versprachen seinerseits Alik seine Fresse zu polieren, wenn sie Stipendien nicht bald bekommen. Angesichts des Mangels an flüssiges Geld bei Alik, wurde die Versprechung zur Realität. Das half aber niemandem. Nach der zweiten Prügelei musste Alik für einige Tagen in die Klinik, aber als er zurückkam, hatte er wie früher kein Geld. Schwerem Herzen wandten Studenten an Dekan, weil es nichts mehr Unehrenhaftes gab, als jemanden zu verpetzen, doch man brauchte Geld fürs Leben.
Der Dekan war erschrocken. Von solch einem Verbrechen hörte er noch nie. Und das obendrein unter seiner Leitung! Er wollte aber dem Rektor nicht Kummer bereiten und schob alles unter dem Teppich. Alik wurde zum einfachen Studenten degradiert mit Versprechung Geld wohl oder übel zurückzuzahlen. Von seiner Popularität verblieb nichts, aber er hatte noch „Lamborghini“ und Igors Freundschaft. XXXXXXX XX XXX XXXX XXX XX XX XX XXX XXXXXXXXXX XXX XXXXXX XXX XXXX XX.
Ein Jahr verging für Alik ganz ruhig, dann kam die Zeit der Offiziersprüfungen. Damals waren in der Sowjetunion alle Studenten des männlichen Geschlechts verpflichtet zu Offizieren zu werden. Es gab den Militärlehrstuhl an der Uni und ein Tag pro Woche verbrachten männliche Studenten dort studierend Militärwissenschaft, das heißt in Reih und Glied marschieren. Man muss kein Genie sein, um sich vorzustellen, dass Studenten, solange sie keinen Fahneneid ablegten, schikanierten lehrende Offizieren wie es nur möglich sein könnte. Die Offiziere litten schweigend. Sie warteten geduldig. Sie wussten genau, dass der Tag der Vergeltung kommt, und der kam tatsächlich. Sogar regelmäßig. Jedes Jahr pünktlich. Um zu Offizieren zu werden, mussten Studenten vorerst für zwei Monaten in das sogenannte „Militärlager“ und hier bezahlten sie für ihre Taten.
Das Militärlager, wo Alik war, befand sich in einem Kieferwald mit gelbem sandigem Boden. Am zweiten Tag dieser Militärausbildung wurde befohlen, im Wald Fußwege zu machen und sie mit weißem Sand zu dekorieren. Am dritten Tag kamen Offiziere zur Idee, dass diese Fußwege schöner aussehen, wenn sie mit Bordüren aus rotem Sand dekoriert sind. Am fünften Tag gab es noch eine Rationalisierung des Designs – Bordüren wurden mit Kieferzapfen verschönert. Diese Kieferzapfen musste man selbstverständlich mit weißer Farbe anstreichen. Man musste ausschließlich die obengenannten Fußwege benutzen, diese jeden Tag renovieren und Kieferzapfen anstreichen.