Noch weniger mochte Monja Genossen Andropow mit seiner idee fixe Arbeitsdisziplin zu befestigen und gegen Spekulanten zu kämpfen. Ein der populärste Witz damals war folgender:
Eines Morgens kommen ein Sekretär des Partkoms und ein Sekretär des Profkoms eines Betriebes zu einem Arbeiter nach Hause. Da fragen die seine weinende Frau, warum ihr Mann zur Arbeit nicht erschienen ist.
Er ist in der Nacht gestorben – antwortete die Frau.
Gott sei Dank, wir dachten fast, dass er sich verspätet hat!
Es wurde sogar gefährlich, Bücher auf dem Shodka zu verkaufen. Niemand wollte in Kerker. Für ein langes Jahr wurde Shodka geschlossen. Der unbegrenzte Gram nagte an Monja. In dieser Zeit verbreitete sich in der UdSSR Vorliebe für schwarze Poesie. Monja mochte die auch und oft zitierte, z. B., so was:
Oma erwartete ihre Enkelin zum Mittagessen,
fürsorglich löste sie Zyankali im Borschtsch auf,
Opa war wie gewöhnlich schneller,
Er befestigte die Enkelin mit Nägeln am Zaun.
Sein Lieblingsvers war aber dieser:
Ich hab den Schlosser Petrow gefragt,
Warum er einen Draht um de n Hals hat t e ,
Schweigt aber Petrow und antwortet nicht,
Nur der Wind pendelt s eine Leiche l eicht.
Gewöhnlicherweise freute er sich nicht, als jemand starbt, aber als Genosse Andropow ablebte, trank Monja ein Gläschen Wodka, wenn auch er den Wodka nicht mochte, und bedankte sich beim Herrn Gott, ungeachtet davon, dass er nicht gläubig war.
Monja hatte nichts gegen Genossen Tschernenko, bei ihm kam alles zurück, so wie es immer war. Doch Genossen Gorbatschöw traute er nie. Wie konnte man überhaupt jemandem traut, der in Russland Prohibition einzuführen versuchte! Monja sagte gleich, dass daraus nur Schaden entstehen konnte. Und in der Tat, man vernichtete überall die besten Weinberge, die seit Jahrhunderten, wenn nicht seit Jahrtausenden in Georgien, Krim und in Südrussland florierten. Man begann in Georgien sogar alkoholfreien Wein zu produzieren. Monja lachte sich tot, als er so was zum ersten Mal sah. Der Klamauk dauerte nicht lange und alkoholfreier Wein war nicht das Schlechteste, was Prohibition mitbrachte, aber der wachsende Konsum der Drogen. Jugendliche, die kein Geld hatten, um Drogen zu kaufen, rochen Klebstoffe und Farbstoffe. Einige Jahre später schuf man Prohibition ab, doch die Angewohnheit, Drogen und Klebstoffe zu konsumieren, blieb. Was noch übrig blieb – ein Motto: „Von alkoholfreier Hochzeit zur unbefleckten Empfängnis!“.
Gewiss versehentlich und nicht wollend öffnete Genosse Gorbatschöw die Pandoras Büchse – Pressefreiheit. Während Perestroika und ein wenig danach war Russland das Land mit der größten in der Welt Auflage von Zeitungen und Zeitschriften. Sogar Monja las regulär eine Zeitschrift – Ogonök, und ihm standen Haare zu Berge. Solschenizyns Werke waren wie Kinderverse im Vergleich zu Artikeln, die da veröffentlicht wurden. Monja las auch ein sehr populäres in der Zeit Buch von Alexander Kabakow Nichtheimkehrer. Der Autor prophezeite den Zerfall der UdSSR, religiös-nationalistisch geprägte Regime, die in ehemaligen Sowjetrepubliken herrschen sollten und blutige Kriege zwischen diesen Republiken. Alle lachten über enorme Fantasie des Autors und niemand ahnte…
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Als Genosse Gorbatschöw Kooperative erlaubte, bekam Monja gleich das Gefühl, dass seine Zeit gekommen war. Er organisierte mit seinem Freund Nikodim ein Kooperativ. Einige Jahre danach pflegte Monja zu erzählen, dass er dafür seinen und seiner Frau Trauerringe verkaufte und Nikodim seine Violine von Stradivari. Daraus hatten sie beide genug Geld und wurden zu Sozii mit gleichen Anteilen im Geschäft. In Wirklichkeit borgten sie Geld bei ihren Verwandten und fuhren nach Kischinöw. Dort hatten sie einige Bekannten, die in der hiesigen Typografie arbeiteten. Die Unternehmer kauften fünf Tonnen Krimis, luden einen Lkw und kehrten nach Rostow zurück, wo sie diese fünf Tonnen Bücher in zwei Stunden verkauften, weil in der UdSSR solch ein Hunger nach Bücher damals herrschte. Sie glaubten ihrem Erfolg selbst nicht. Die nächsten sechs Monaten pendelten sie ständig zwischen Rostow und Kischinöw und waren völlig erschöpft. Aber die schwierigste Arbeit war dieses ganzes Kleingeld zu sortieren und zu zählen. Dann stellte sich die Frage – wohin mit dem Geld? Es gab noch keine privaten Banken und staatlichen Sparkassen traute man nicht (oder noch nicht). Ein Zimmer von Monjas Wohnung war bis zur Zimmerdecke mit Geld vollgestopft, was seine Frau nervte. Deswegen kauften die Unternehmer eine Datscha und lagerte dort im Keller ihr ganzes Geld. Als sie später ihr Lager inspizierten, stellten sie fest, dass hunderte tausend Rubel von Mäusen gefressen wurden. Das war aber halb so schlimm, weil es keine Möglichkeit in der UdSSR für sie gab, dieses Geld auszugeben – es gab nichts, um zu kaufen. Das Kooperativ funktionierte weiter, aber der Gewinn schrumpfte kontinuierlich, da viele ehemalige Spekulanten jetzt in dieser Branche tätig waren. Viele von denen sind auf den Geschmack gekommen.
Auf einmal zerbrach der Sowjetunion, was laut Monjas Absichten nicht so traurig wäre, wenn gleichzeitig russische Bürger nicht verelendeten. Sie wollten Bücher kaufen, konnten aber nicht. Alles, was sie hatten, spendierten sie fürs Essen. Da kam Monja zur neuen geschäftlichen Idee – gebührenpflichtige Bücherei (staatliche Bibliotheken bekamen damals überhaupt keine neuen Bücher). Man bezahlte Pfand, dass dem Preis des Buches gleich war, dazu etwas fürs tägliche Benutzung vom Buch. Wenn jemandem ein Buch gefiel, gab er einfach dieses Buch nicht zurück. Die Bibliothek war nicht so profitabel, wie Buchverkauf, aber das Kooperativ hatte viele Büchereien, so reichte es Monja und Nikodim fürs Brot mit Butter und etwas Kaviar. Sie waren mit ihrem Los zufrieden, ketzerisch gesagt.
Die wirtschaftliche Lage Russlands verbesserte sich Schritt für Schritt und Leute waren wieder imstande, Bücher zu kaufen. Monja wollte diesmal Bücher nicht bloß verkaufen, er wollte die auch verlegen. Er wusste schon genau, dass man damit tausend Prozent Gewinn bekommen konnte und nicht nur wie gewöhnlich im Handel drei-fünf hundert Prozent. So entstand der Verlag Gamaün. Zuerst gab er ein-zwei Bücher pro Quartal heraus, aber die Auflage war hoch – ein-zwei Millionen Exemplare. Doch Glück ist bekanntlich nicht von Dauer. Verlage wuchsen wie Pilze, die Auflagen wurden langsam niedriger und niedriger – russische lesende Bürger verlangten nach Mannigfaltigkeit. Monja fühlte das und rief ins Leben eine Redaktion in seinem Verlag, aber ohne sichtbaren Erfolg. Nach einigen Monaten vergeblichen Versuchen selbst die Redaktion zu leiten musste Monja sich gestehen, dass er dieser Aufgabe nicht gewachsen war. Er begann einen Chefredakteur zu suchen.