Zuerst kamen Wowas Schwägerin samt ihrem Mann. Sie trieben früher in Rostow Handel mit Bananen, gingen aber Pleite, als die großen Handelsketten in Russland entstanden. Wowa war mit seinem Schwager befreundet. Der Letzte mochte es, Wowa betrunken zu machen. Einmal in diesem Zustand fuhren sie mit Wowas Auto (das war noch in Rostow) durch die Stadt spazieren. Wowa war total blau und lag bewusstlos am hinteren Sitzt, so fuhr das Auto der Schwager. Auf einmal wurde es zu viel Laternen auf rostower Straßen und sie begannen quer die Straße liefen. Schwager war nicht so gut bei Slalom, er fuhr gerade auf eine Laterne zu. Durch die Wucht des Anstoßes wurde der Wagen total beschädigt. Der Schwager setzte Wowa auf Fahrerplatz und als Wowa zu sich kam, erklärte er ihm, dass Wowa die Havarie verursachte. Die entstandenen Kosten musste Wowa natürlich selbst tragen. Wowa ahnte irgendwie, dass sein Schwager das Auto fuhr, war aber zu schüchtern, um ihn danach zu fragen. Ansonsten waren sie gute Freunde.
Die liebe Familie wohnten bei Wowa in Israel die ganze zwei Jahren. Weil die beide Diplome in Elektronik hatten, fanden sie schnell gute Arbeit. Sie blieben bei Wowa so lange, weil sie Geld für ihr eigenes Haus sparen wollten. Dann kauften sie ein zweistöckiges Haus und ein Auto. Der Schwager mochte es jetzt, Wowa einzuladen und ihm zu erzählen, dass er nicht so lange, wie Wowa, in Israel lebte, aber er hatte schon ein besseres Haus und ein besseres Auto. Was das Auto betraf, so war es nicht schwierig, ein Besseres zu haben, weil Wowa ein gebrauchtes Auto hatte, das durch Hagel beschädigt war. Eigentlich ist Hagel in Israel genau so selten, wie Chamsin in Deutschland. Wowa und seine Frau saßen auf lederner Couch, die nicht ihnen gehörte, und hörte stundenlang zu, wie ihr erfolgreich Schwager in Israel war. Abgesehen davon waren sie gute Freunde. XXXXX XXXXX XXXX XXXX XX XX XX XXX X XXXXXXXX XXXXXXXXX XXXXXXXXX XXXXXX XXXXX XXXX XXX XXX XXXX XXXXXXX XXXXXXX.
Die nächste Familie, die bei Wowa wohnte, waren seine Freunde aus Rostow. Sie blieben bei Wowa gar nicht so lange – nur ein Jahr. Sie gaben Wowa auch kein Geld, bekamen Handys und Wowa bürgte sogar für sie bei der Bank. In Israel, genau wie in Russland, wohnen Menschen in Eigentumswohnungen. Man muss bemerken, dass die Immobilienpreise in Israel fast die höchste in der Welt sind. Man nimmt dafür einen Hypothekarkredit auf, aber jemand muss Bürgschaft hinterlegen. Man zahlt diesen Hypothekarkredit dann zwanzig-dreißig Jahre zurück, andernfalls übernimmt die Bank diese Wohnung. Wowas Freunde kauften sich eine Wohnung und drei Jahre später verkauften sie die und kehrten mit dem Geld nach Russland zurück. Ihren Hypothekarkredit bezahlte Wowa. Sie blieben aber Freunde und Wowa besuchte sie in Russland. Es gab noch weitere Freunde und Verwandten, die bei Wowa wohnten, aber es waren immer die gleichen Geschichten. XXXXXX XXXXXX XXXXXX XXX XXXX XXXX XXX.
Im Endeffekt landete Wowa in einem Haus am Rand der Stadt. Früher hatte die Familie eine gute Wohnung fast im Stadtzentrum, aber sie musste diese Wohnung verkaufen und kaufen ein Haus, das aber wesentlich kleiner, als die frühere Wohnung war. Weil Immobilienpreise damals runter fielen, verlor Wowa viel Geld beim Verkauf und konnte nur dieses Haus im Stadtgebiet mit schlechter Reputation kaufen. Das Haus, wie alle andere in diesem Gebiet, waren in Kanada produziert für Saisonarbeiter. Die Teile wurden aus Pappe gemacht und man konnte ein Haus in einer Woche zusammenstellen. Leider dachte niemand, dass man in diesen Häusern jahrelang wohnen würde. Im Sommer war drin zu heiß, im Winter, sogar in Israel, zu kalt. Die früheren Besitzer des Hauses waren überglücklich beim Verkauf.
Neben dem Haus befand sich eine Bushaltestelle und alle Bewohner dieses Stadtgebiets lagerten gewöhnlicherweise ihren Müll dort. Das Haus besaß den dreißig Meter großen Hof, wo ein Pfirsichbaum und zwei Büsche einer Pflanze, die als verwelkte Rosa aussah, wuchsen. Dort gab es noch einen Carport für Wowas Auto. Das alles erweckte irgendwie bei Tomek vage Erinnerungen an irgendwelche literarische Personen, aber sie konnte sich nicht entsinnen, an welchen. Diese düsteren und betrüblichen Geschichten hat sie irgendwann gelesen.
Wowa gab den Empfang für Tomek im Hof. Wegen mangelndes Platzes stand der Tisch neben dem Zaun und Tomek fühlte sich so, als ob sie an der Bushaltestelle saß und aß. Die aus- und einsteigende in Busse Passanten begrüßten Wowa fortwährend. Ansonsten war die Stimmung sehr gut.
Tomek war schon gewöhnt an lässigen Erziehungsmethoden der Israelis, aber Wowa übertrumpfte sie alle. Sein dreijähriger Sohn, der noch Windelhöschen trug, lief ununterbrochen hin und her, nahm verschiedene Gartenwerkzeuge und schlug damit mit voller Kraft seine Eltern. Sie verzogen ihre Gesichter vor Schmerz, waren aber überglücklich, weil das Kind so lebendig und erfinderisch war.
Tomek kam zurück nach Rostow und arbeitete noch sieben Monate für Monja. Als ihr Gehalt der Null gleich war, kündigte sie. Monja war nicht besonders traurig. Statt einer alten Redaktion organisierte er fünf neue Redaktionen. Nach dem Tomeks Erfolg war er überzeugt, dass den „Backstein“, das heißt, das Buch (im übertragenen Sinne), jedermann produzieren könnte – jeder Djadja Wasja (jeder Onkel Wasja), wie es Monja behaupte. Aber Tomek interessierte das alles nicht mehr. Sie immigrierte nach Israel.
Tomek war schon zu alt, um in einem Kibbuz zu wohnen und dort Ivrit zu lernen. Sie mietete eine Wohnung und schrieb sich an einen Ulpan ein. Sie begann die Sprache noch in Russland zu lernen. Ivrit faszinierte und irritierte sie gleichzeitig. Die Sprache war mathematisch exakt, streng geregelt, es gab fast keine speziellen Normen bei Aussprache, aber es war zu wenig Wörter, die mit englischer oder russischer Sprachen übereinstimmten. Lehrbücher waren überwiegend schlecht. Weil es in geschriebenem Ivrit überhaupt keine Vokale gibt, kann man ein Wort nur dann lesen, wenn man dieses Wort kennt. Sie lernte aber fleißig, sah fern und begann langsam die Sprache zu beherrschen.
Nachdem sie sich auf Ivrit verständigten konnte, war für sie die Arbeitssuchfrage aktuell. Tomek wollte selbstverständlich als Wissenschaftlerin arbeiten. Wie sie feststellte, war das nicht gerade leicht. Vor der Massenmigration aus UdSSR hatte Israel acht tausend Wissenschaftler und auf einmal kamen zusätzlich vierzehn tausend sowjetische Wissenschaftler. Das war zu viel für so ein kleines Land. Einerseits wollte israelische Regierung diese qualifizierten Arbeiter behalten, andererseits gab es keine Arbeitsplätze für sie. Die Regierung rief ins Leben verschiedene Programme, um zusätzliche Arbeitsplätze zu finanzieren. Man dachte, wenn man zwei-fünf Jahre an einer Uni mit dem Geld von Regierung arbeitete, dann würde diesem Wissenschaftler einen Festplatz von der Seite der Uni angeboten. Aber das passierte nie. Die israelischen Universitäten konnten es nicht tun, sie hatten kein zusätzliches Budget.
Tomek nahm in Schapira-Programm und Giladi-Programm teil. Dank Belinda fand sie Arbeitsplatz an der Uni zu Tel-Aviv. Sie war aber nicht ganz zufrieden. In der UdSSR hatten Russen und Menschen anderer Nationalitäten immer gewaltigen Vorrang vor ihr, in Israel – Tzabar. Tomek wusste, dass sie besser als Wissenschaftler war, als viele von denen, aber genauso gut wusste sie, dass sie keine Chance auf einen Festplatz hatte. Sie fühlte sich wieder als ein Mensch zweiter Klasse.
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Tomek hatte jetzt eine Wohnung in Netania. Sie hatte es gern, abends am Kai spazieren zu gehen. Sie liebte das Meer und Meeresluft. Es gab da nicht viele Menschen um diese Zeit. Heute begegnet sie noch weniger Passanten, als gewöhnlich. Sie hört hastige Schritte hinter sich. Sie hasst es, wenn jemand hinter ihr läuft. Sie läuft langsamer, damit dieser Passant sie überholen kann, was der aber nicht tut. Tomek bleibt stehen und kehrt sich um. Das ist ein Mann und sie erkennt ihn gleich. Sein Name ist Löscha Inow. Er war ihr noch damals widerlich, als sie diesen Buchhaltungskurs besuchte. Er hatte etwas Falsches an sich und sie versuchte jegliche Kontakte mit ihm zu vermeiden. Er sieht, dass sie ihn erkannte, tut aber, als ob er sie nicht kennt. Er kommt näher, kommt vorbei. Sie fühlt einen heftigen Stoß und fehlt um die Steilwand der Kai runter.