Tritt konnte nun kein Zusammensein verstreichen lassen, ohne daß es dazu kam; wenn nicht mit einem Ausläufer, dann Oberfläche an Oberfläche. Und schließlich ließ sich Odeen durch das Vergnügen daran verführen und versuchte zu helfen und zu leuchten. Er schaffte das viel besser als Tritt. Der arme Tritt, der so eifrig bemüht war, brachte nur hier und dort einen Anflug von Schimmer zustande, ungleichmäßig und zerfranst.
Odeen jedoch konnte überall durchscheinend werden. Er kämpfte seine Verlegenheit nieder und ließ sich gegen Tritt fließen. Es folgte eine hauttiefe Durchdringung, und Odeen spürte Tritts harte Oberfläche unter der Haut pulsieren. Beide empfanden Vergnügen, vermischt mit einem seltsamen Schuldbewußtsein.
Tritt war hinterher oft müde und irgendwie ärgerlich.
"Also, Tritt", meinte Odeen, "ich habe dir gesagt, daß wir einen Gefühlsling brauchen, um das wirklich richtig zu machen.
Du kannst dich nicht über etwas aufregen, das sich einfach nicht ändern läßt." Und Tritt erwiderte: "Besorgen wir uns doch einen Gefühlsling."
Besorgen wir uns einen Gefühlsling! Tritts einfache Triebe führten ihn stets auf gerade Wege. Odeen bezweifelte, daß er dem anderen die Kompliziertheit des Lebens begreiflich machen konnte. "Das ist gar nicht so einfach, Rechtsling", begann er vorsichtig.
Tritt erwiderte abrupt: "Die Hartlinge machen das. Du stehst gut mit ihnen. Frag sie."
Odeen war entsetzt. "Ich kann sie unmöglich fragen. Die Zeit", fuhr er fort und verfiel unwillkürlich in einen dozierenden Tonfall, "ist noch nicht reif - oder ich wüßte das. Bis es soweit ist ..."
Tritt hörte ihm nicht zu. "Dann frage ich", sagte er.
"Nein", entgegnete Odeen außer sich. "Du hältst dich da heraus. Ich sage dir doch, es ist noch nicht soweit. Ich muß mich um meine Bildung kümmern. Es ist sehr einfach, ein Eiterung zu sein und nichts anderes wissen zu müssen, aber ..."
Er bereute seine Worte sofort, die ohnehin nicht stimmten. Er wollte es nur auf jeden Fall vermeiden, die Hartlinge zu verärgern und seinen nützlichen Kontakt zu ihnen zu belasten. Tritt jedoch ließ das anscheinend völlig kalt, und Odeen machte sich klar, daß es dem anderen sinnlos erschien, etwas zu lernen, das er nicht bereits wußte, und daß er Odeens Äußerung daher auch nicht als Beleidigung auffaßte.
Das Problem kam jedoch immer wieder auf. Gelegentlich versuchten sie sich an einer Durchdringung. Tatsächlich wurde der Drang mit der Zeit immer stärker. Es war niemals wirklich befriedigend, obwohl sie ihren Spaß daran hatten, und jedesmal verlangte Tritt einen Gefühlsling. Jedesmal stürzte sich Odeen hinterher noch mehr auf seine Studien, fast als wollte er sich des Problems erwehren.
Dennoch war er manchmal versucht, mit Losten darüber zu sprechen.
Losten war der Hartling, den er am besten kannte, der das größte persönliche Interesse an ihm nahm. Die Hartlinge hatten eine unangenehme Gleichheit an sich, denn sie veränderten sich nicht, sie veränderten sich überhaupt nie; ihre Form stand fest. Ihre Augen rückten nicht von der Stelle, und sie waren bei allen Hartlingen am gleichen Platz. Ihre Haut war nicht eben hart, aber sie war stets undurchdringlich, schimmerte niemals, wurde nicht durchdringbar für Haut der gleichen Art.
Sie waren auch nicht viel größer als die Weichwesen, doch schwerer. Ihre Substanz hatte eine größere Dichte, und sie mußten sich vor den nachgiebigen Geweben der Weichwesen in acht nehmen.
Vor sehr langer Zeit, als Odeen noch ganz klein war und zerfließen konnte wie seine Schwester, hatte sich einmal ein Hart-ling für ihn interessiert. Den Namen hatte er nie erfahren, doch lernte er später, daß sich die Hartlinge grundsätzlich für Baby-Denklinge interessierten. Aus reiner Neugier hatte Odeen nach dem Hartling gegriffen, der jedoch zurückgesprungen war. Später hatte Odeens Eiterung ihn gescholten.
Diese Abreibung hatte Odeen nie vergessen. Als er älter war, lernte er, daß die dichtgepackten Atome in den Geweben der Hartlinge bei der erzwungenen Durchdringung mit anderen Wesen Schmerzen hervorriefen. Odeen fragte sich, ob das Weichwesen dabei ebenfalls Schmerz empfand. Ein anderer junger Denkling sagte ihm einmal, er wäre gegen einen Hart-ling gefallen, der sich sofort zusammengekrümmt hätte, während er selbst überhaupt nichts spürte - doch Odeen war sich nicht sicher, daß das nicht nur melodramatische Prahlerei war.
Es gab noch andere Dinge, die man einfach nicht tat. Zum Beispiel rieb er sich gern an den Wänden der Höhle. Wenn er in Fels eindrang, verspürte er ein angenehm warmes Gefühl. Babies machten das immer wieder, doch mit zunehmendem
Alter wurde es schwerer. Er konnte noch immer hauttief in den Fels tauchen, und es gefiel ihm, doch sein Elterling ertappte ihn und schalt ihn aus. Er wandte ein, seine Schwester täte das die ganze Zeit; er hätte sie gesehen.
"Das ist etwas anderes", entgegnete der Elterling. "Sie ist ein Gefühlsling."
Ein andermal, als Odeen gerade eine Aufzeichnung absorbierte - er war damals schon älter , hatte er gedankenverloren ein paar Ausläufer entstehen lassen und die Spitzen so ausgedünnt, daß er sie ineinander verschieben konnte. Das wurde schnell zur Angewohnheit während des Zuhörens. Er hatte dabei ein angenehm kitzelndes Empfinden, das ihm das Zuhören erleichterte und ihn hinterher schön schläfrig machte.
Doch auch dabei wurde er erwischt, und wenn er daran dachte, was ihm sein Elterling gesagt hatte, war ihm noch heute mulmig zumute.
Damals verriet ihm niemand etwas über das Verschmelzen. Er bekam Bildung aller Art eingetrichtert - nur über die Triade lernte er nichts. Auch Tritt hatte keine Unterweisung erhalten, aber da er ein Elterling war, wußte er auch so Bescheid. Als Dua endlich kam, war natürlich alles klar, obwohl sie anscheinend sogar weniger wußte als Odeen.
Aber sie kam nicht auf Odeens Betreiben. Es war Tritt, der die Angelegenheit ins Rollen brachte, Tritt, der die Hartlinge gewöhnlich fürchtete und ihnen stumm aus dem Weg ging, Tritt, dem Odeens Selbstsicherheit fehlte bis auf eine Beziehung, Tritt, der in dieser Beziehung geradezu besessen war, Tritt - Tritt - Tritt
Odeen seufzte. Tritt drang in seine Gedanken ein. Tritt kam. Er konnte ihn fühlen, streng, verlangend, stets verlangend. Odeen hatte neuerdings so wenig Zeit für sich allem, obwohl er mehr denn je das Gefühl hatte, nachdenken zu müssen, all die Gedanken ordnen zu müssen.
"Ja, Tritt", sagte er.
Tritt war sich seiner Klobigkeit durchaus bewußt und hielt sie nicht für häßlich. Er verschwendete überhaupt keinen Gedanken daran. Wenn er es doch einmal getan hätte, wäre er sich schön vorgekommen. Sein Körper war für einen bestimmten Zweck geschaffen, und die Schöpfung war gelungen.
"Odeen, wo ist Dua?" fragte er.
"Irgendwo draußen", murmelte Odeen, fast als wäre es ihm egal. Es ärgerte Tritt, daß die Triade so wenig zusammenhielt. Dua war so schwierig und Odeen so gleichgültig.
"Warum hast du sie gehen lassen?"
"Wie kann ich sie aufhalten, Tritt? Und was schadet es denn?"
"Du weißt schon. Wir haben zwei Babies. Wir brauchen ein drittes. Es ist heutzutage so schwer, einen Klein-Mitt zu machen. Dua muß gut genährt sein, wenn es klappen soll. Und schon treibt sie sich wieder bei Sonnenuntergang herum. Wie kann sie bei Sonnenuntergang vernünftig essen?"
"Sie ist eben keine große Esserin."
"Und wir haben noch keinen Klein-Mitt, Odeen." Tritts Stimme war einschmeichelnd. "Wie kann ich dich richtig lieben ohne Dua?"
"Na na", murmelte Odeen, und wieder einmal verwunderte sich Tritt über die offensichtliche Verlegenheit des anderen. Er hatte doch nur eine ganz einfache Tatsache ausgesprochen.
"Denk daran, ich war derjenige, der Dua geholt hat", sagte Tritt. Erinnerte sich Odeen daran? Dachte Odeen überhaupt jemals an die Triade und an die Bedeutung dieser Gemeinschaft? Manchmal war Tritt so aufgebracht, daß er die ganze Sache am liebsten... am liebsten ... In Wirklichkeit wußte er nicht, was er hätte tun wollen, doch er wußte, daß er frustriert war. Wie in jenen Tagen, da er einen Gefühlsling wollte und Odeen einfach nichts unternahm.