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"Aber du verstehst die Folgerungen vielleicht nicht, Dua", sagte Odeen. "Es ist eine große Menge Energie erforderlich, um einen neuen Lebensfunken zu zünden."

"Du hast schon oft von der Energie gesprochen. Was ist das? Genau?"

"Nun, was wir essen."

"Warum nennst du's dann nicht Nahrung?"

"Weil Nahrung und Energie nicht ganz dasselbe sind. Unsere Nahrung kommt von der Sonne, und das ist eine Art Energie. Aber es gibt auch andere Arten Energie, die keine Nahrung sind. Wenn wir essen, müssen wir uns ausdehnen und das Licht absorbieren. Den Gefühlslingen fällt das am schwersten, weil sie viel durchlässiger sind; das heißt, das Licht dringt eher durch sie hindurch und wird nicht absorbiert..."

Es war wundervoll, das alles erklärt zu bekommen, dachte Dua. Was sie da erfuhr, wußte sie natürlich schon, ohne die Worte dazu zu kennen, die langen Wissenschaftsworte, die Odeen immer benutzte. Was ringsum geschah, wurde plötzlich viel klarer und bedeutsamer.

Da sie den kindischen Spott nicht mehr fürchtete, nachdem sie nun das Prestige der Odeen-Triade teilte, versuchte sie von Zeit zu Zeit mit den anderen Gefühlslingen auszukommen und das Zwitschern und das Gedränge über sich ergehen zu lassen. Immerhin lag ihr gelegentlich doch an einer handfesteren Mahlzeit - eine Mahlzeit, die zudem noch das Verschmelzen besser machte. Es bereitete eine gewisse Freude - manchmal verstand sie fast den Spaß, den die anderen daran hatten , in den Sonnenstrahlen herumzugleiten, damit sie möglichst günstig bestrahlt wurde; es machte Spaß, sich gemütlich zusammenzuziehen und zu verdichten, um mit größerer Dichte die Wärme besser aufnehmen zu können.

Doch war Dua immer schnell gesättigt, und ihr Energievorrat reichte sehr lange, während die anderen nie genug zu bekommen schienen. Sie hatten eine Art gefräßiges Schlenkern an sich, das Dua nicht nachmachen konnte und das ihr langsam unerträglich wurde.

Aus diesem Grunde ließen sich Denklinge und Elterlinge auch so selten an der Oberfläche sehen. Ihre Dichte ermöglichte es ihnen, eine Mahlzeit schnell aufzunehmen und sofort wieder zu verschwinden. Gefühlslinge räkelten sich stundenlang in der Sonne, denn obwohl sie langsamer aßen, brauchten sie tatsächlich mehr Energie als die anderen - zumindest beim Verschmelzen.

Der Gefühlsling lieferte die Energie, hatte ihr Odeen einmal erklärt (und dabei so sehr pulsiert, daß seine Signale kaum verständlich waren), der Denkling den Samen und der Eiterung die Brutstätte.

Nachdem Dua das verstanden hatte, mischte sich eine gewisse Belustigung in ihre Mißbilligung, wenn sie die anderen Ge-fühlslinge die Mittagssonne förmlich aufschlürfen sah. Da diese Wesen niemals Fragen stellten, wußten sie bestimmt nicht, warum sie das taten, und begriffen daher auch nicht, daß ihre zitternden Verdichtungen etwas Obszönes hatten; ebenso die Art und Weise, wie sie zum Schluß zwitschernd nach unten entschwanden - natürlich zu einem guten Verschmelzen, für das sie nun viel Energie parat hatten.

Sie wußte nun auch mit Tritts Ärger fertig zu werden, wenn sie ohne die flirrende Trübung hinunterkam, die eine gute Mahlzeit anzeigte. Doch die beiden konnten sich kaum beklagen. Die dünne Gestalt, die sie sich bewahrte, hatte ein nachhaltiges Verschmelzen zur Folge. Jedenfalls war die Vereinigung nicht so überladen wie möglicherweise bei den anderen Triaden, doch überhaupt - da war sie sicher - kam es ja einzig und allein auf die ätherischen Eigenschaften an. Und Klein-Links und Klein-Rechts waren ja auch gekommen, oder?

Natürlich hing es nun vom Baby-Gefühlsling, vom KleinMitt ab. Der erforderte mehr Energie als die beiden anderen, und Dua hatte einfach nie genug.

Auch Odeen begann schon davon zu sprechen. "Du bekommst nicht genügend Sonnenlicht, Dua."

"Doch", erwiderte Dua hastig.

"Genias Triade", sagte Odeen, "hat gerade einen Gefühlsling gezündet."

Dua mochte Genia nicht, schon seit jeher. Sie war sogar für einen Gefühlsling ziemlich hohlköpfig und hatte wenig zu bieten. Dua sagte hochmütig:

"Damit brüstet sie sich wohl. Sie hat keinen Takt. Vermutlich sagt sie: "Ich sollte wohl nicht davon sprechen, meine Liebe, aber du errätst nie, was mein Linksling und mein Rechts-ling getan haben..." "Sie ahmte Genias tremolierendes Gehabe treffsicher nach, und Odeen war belustigt. Doch dann sagte er: "Genia ist vielleicht ein Dummkopf, doch sie hat einen Gefühlsling fertiggebracht, und Tritt regt sich sehr darüber auf. Wir haben uns schon viel länger..."

Dua wandte sich ab. "Ich kann einfach nicht mehr Sonne vertragen. Ich tu's ja schon, bis ich mich kaum noch bewegen kann. Ich weiß nicht, was du eigentlich von mir willst."

"Sei nicht böse", meinte Odeen. "Ich habe Tritt versprochen, ich würde mit dir reden. Er meint, du würdest auf mich hören..."

"Oh, Tritt hält es nur für komisch, daß du mir die Wissenschaft erklärst. Er begreift das alles nicht... Willst du denn einen Mittling wie die anderen?"

"Nein", antwortete Odeen ernst. "Du bist anders als die übrigen, und das freut mich. Und wenn dich das Gerede eines Denklings nicht weiter stört, möchte ich dir etwas erklären. Die Sonne erbringt heute längst nicht mehr die Nahrungsmenge wie in der alten Zeit. Die Lichtenergie hat nachgelassen, und man muß länger in der Sonne liegen. Die Geburtsrate fällt seit Urzeiten, und die Weltbevölkerung beträgt heute nur noch einen Bruchteil der früheren."

"Ich kann's doch nicht ändern", sagte Dua heftig.

"Die Hartlinge können vielleicht etwas tun. Auch ihre Zahl hat sich verringert..."

"Ziehen sie weiter?" Dua war plötzlich interessiert. Sie hatte die anderen Wesen immer irgendwie für unsterblich gehalten, hatte geglaubt, daß sie gar nicht geboren wären und daher nicht starben. Wer hatte denn schon einmal einen Baby-Hartling zu Gesicht bekommen? Sie hatten keine Babies. Sie verschmolzen nicht miteinander. Sie aßen nicht.

"Ich könnte mir denken, daß sie weiterziehen", antwortete Odeen nachdenklich. "Sie erzählen mir nie von sich. Ich bin nicht mal sicher, wie sie essen, aber sie tun das natürlich. Und sie werden geboren. Da gibt es zum Beispiel einen neuen... Ich habe ihn noch nicht gesehen... Aber egal, es geht darum, daß sie eine künstliche Nahrung entwickelt haben..."

"Ich weiß", sagte Dua. "Ich habe davon gekostet."

"O wirklich? Das wußte ich nicht."

"Ein paar Gefühlslinge haben davon erzählt. Sie sagten, ein Hartling habe Freiwillige gesucht, die davon kosten sollten, aber die Dummköpfe fürchteten sich. Sie sagten, das Zeug würde sie nachhaltig hart machen, so daß sie niemals wieder verschmelzen könnten."

"Das ist doch Unsinn", sagte Odeen heftig.

"Ich weiß. Also meldete ich mich. Das brachte sie zum Schweigen. Sie sind einfach unerträglich, Odeen."

"Wie war es denn?"

"Schrecklich", erwiderte Dua. "Herb, bitter. Natürlich habe ich das den anderen Gefühlslingen nicht gesagt."

"Ich habe auch davon gekostet. So schlimm war es nun wieder nicht."

"Denklinge und Elterlinge haben sowieso keinen Geschmack."

"Es steckt noch im Experimentierstadium", sagte Odeen. "Sie bemühen sich sehr, es zu verbessern, die Hartlinge. Besonders Estwald - das ist der Hartling, den ich schon erwähnte, der Neue, den ich noch nicht gesehen habe. Er arbeitet daran.

Losten spricht ab und zu von ihm, als ob er etwas Besonderes wäre, ein ganz bedeutender Wissenschaftler."

"Wie kommt es, daß du ihn noch nicht gesehen hast?"

"Ich bin nur ein Weichwesen. Du wirst doch wohl kaum annehmen, daß man mir alles zeigt und erklärt, wie? Ich bekomme ihn schon eines Tages zu Gesicht. Er hat eine neue Energiequelle entwickelt, die uns vielleicht noch alle rettet..."

"Ich will keine künstliche Nahrung", sagte Dua und hatte Odeen abrupt allein gelassen.

Das war vor gar nicht so langer Zeit gewesen. Odeen hatte noch nicht wieder von diesem Estwald gesprochen, doch sie wußte, daß er die Sprache eines Tages wieder darauf bringen würde, und sie dachte jetzt bei Sonnenuntergang darüber nach.