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"Weißt du, was auch unanständig ist? Du kannst nicht in einen Felsen eindringen."

"Nein, das kannst du auch nicht", sagte Dua. Das war nun eine dumme Bemerkung, denn Dua war oft genug in die äußeren Schichten von Felsgestein eingedrungen und hatte Spaß daran gehabt. Aber Dorals Gekicher machte ihr die Sache zuwider, und sie verschloß die Augen davor.

"Doch, das kann man. Es wird Felsreiben genannt. Gefühls-linge haben damit überhaupt keine Schwierigkeiten. Linkslinge und Rechtslinge schaffen es nur, solange sie noch ganz klein sind. Wenn sie größer werden, tun sie's miteinander."

"Ich glaube dir nicht. Du denkst dir das aus."

"Sie tun es, ich sag's dir. Kennst du Dimit?"

"Nein."

"Aber natürlich. Sie ist das Mädchen mit der dicken Ecke aus Höhle C."

"Die so komisch fließt?"

"Ja. Das liegt an der dicken Kante. Die dort meine ich. Sie ist einmal ganz und gar in einen Felsen eingedrungen - bis auf die dicke Ecke. Sie ließ ihren Links-Bruder zuschauen, und der erzählte es ihrem Eiterung, und ich möchte nicht wissen, was sie da zu hören bekam. Sie hat es jedenfalls nicht wieder versucht."

Verwirrt zog sich Dua zurück. Lange Zeit sprach sie überhaupt nicht mit Doral und hatte dann auch kein rechtes Verhältnis mehr zu ihr. Dennoch war ihre Neugier geweckt.

Bloß ihre Neugier? Oder ihre Links-Neigung?

Eines Tages, als sie ganz sicher fühlte, daß ihr Elterling nicht in der Nähe war, ließ sie sich in einen Felsen gleiten, langsam, ein kleines Stück. Es war das erstemal seit frühester Jugend, daß sie das versuchte, und sie wußte nicht mehr, ob sie sich jemals so tief vorgewagt hatte. Es gab ein seltsam warmes Gefühl, doch als sie wieder freikam, war ihr, als müßte es ihr jeder ansehen, als habe der Felsen sie befleckt.

Von Zeit zu Zeit versuchte sie es wieder, kühner geworden, und hatte auch mehr Spaß daran. Natürlich ließ sie sich niemals ganz im Gestein versinken.

Dann wurde sie von ihrem Elterling erwischt, der aufgebracht schnalzte, und war von nun an vorsichtiger. Sie war inzwischen auch älter und wußte, daß ihr Treiben trotz Dorals Gehabe ganz und gar nicht selten war. Fast jeder Gefühlsling machte es von Zeit zu Zeit, und einige gaben es auch offen zu.

Mit zunehmendem Alter geschah es seltener, und Dua vermutete, daß für die meisten anderen Gefühlslinge nach Eintritt in eine Triade und nach Beginn des richtigen Verschmelzens damit Schluß war. Es war eines ihrer Geheimnisse (sie erzählte niemandem davon), daß sie nicht damit aufgehört hatte, sondern es ein oder zweimal sogar nach Bildung der Triade versucht hatte. (Und jedesmal hatte sie dabei gedacht: Wenn Tritt das erfährt... Irgendwie beschwor dieser Gedanke entsetzliche Folgen herauf und verdarb ihr ziemlich den Spaß daran.)

Verwirrt rechtfertigte sie dieses Tun vor sich selbst mit ihrem Kampf gegen die anderen. Der Ruf "LinksG" begann ihr überallhin zu folgen als eine Art öffentliche Schmach. Und so gab es eine Periode in ihrem Leben, die sie in fast einsiedlerischer Abgeschiedenheit verbrachte. Wenn sie eine Anlage zum Einzelgänger mitbekommen hatte, dann wurde diese jetzt geweckt. Das Felsreiben, unanständig oder nicht, war etwas Einsames, und die anderen drängten sie in die Einsamkeit.

Wenigstens redete sie sich das ein.

Sie hatte sich einmal zu wehren versucht. Sie hatte den spottenden Mittlingen zugerufen: "Ihr seid ja ein Haufen RechtsGs, ein Haufen schmutziger RechtsGs!"

Sie hatten nur gelacht, und Dua war verwirrt und aufgebracht davongelaufen. Es stimmte ja auch. Fast jeder Gefühlsling, wenn er in das Alter der Triadenbildung kam, begann sich für Babies zu interessieren und umflatterte sie auf eine elterliche Weise, die Dua stets abstoßend gefunden hatte. Sie selbst hatte kein solches Interesse. Babies waren eben Babies; sollten sich die Rechts-Brüder darum kümmern.

Als Dua älter wurde, verhallten die Schimpfrufe. Es half ihr auch, daß sie sich eine mädchenhaft verdünnte Struktur bewahrte und sich mit einem rauchigen Schlenker bewegte, den keine andere nachahmen konnte. Und als sich zunehmend Rechtslinge und Linkslinge für sie interessierten, fiel den anderen Gefühlslingen der Spott immer schwerer.

Und doch... Und doch... Obwohl jetzt niemand mehr wagte, sich abfällig über Dua zu äußern (denn es war bekannt in allen Höhlen, daß Odeen der wichtigste Denkling der Generation und Dua sein Mittling war), wußte sie innerlich, daß sie von ihrer Links-Neigung nicht mehr loskam.

Sie hielt das nicht für unanständig - nicht wirklich , ertappte sich jedoch gelegentlich bei dem Wunsch, ein Denkling zu sein, und das erschütterte sie doch etwas. Sie fragte sich, ob andere Gefühlslinge das gleiche Problem hatten - ständig oder nur vorübergehend - und ob wohl hier einer der Gründe lag, warum sie keinen Baby-Gefühlsling wollte, weil sie eben kein richtiger Gefühlsling war und ihre Rolle in der Triade nicht voll ausfüllte...

Odeen hatte es nichts ausgemacht, daß sie ein LinksG war. Er nannte sie niemals so, aber ihm gefiel das Interesse, das sie für sein Leben hatte, ihm gefielen ihre Fragen, die er stets erschöpfend beantwortete, und die Art und Weise, wie sie alles verstand. Er verteidigte sie sogar, wenn Tritt eifersüchtig wurde - nun, nicht wirklich eifersüchtig; er hatte nur das Gefühl, daß ihr Tun ganz und gar nicht in sein geradliniges, beschränktes Weltbild paßte.

Odeen hatte sie gelegentlich in die Hart-Höhlen mitgenommen, um sich vor ihr zu produzieren, und war sichtlich angenehm berührt, daß sie sich beeindruckt zeigte. Sie war tatsächlich beeindruckt - nicht so sehr von der Eindeutigkeit seines Wissens und seiner Intelligenz, sondern von der Tatsache, daß er nichts dagegen hatte, sie daran teilhaben zu lassen. (Sie mußte an die barsche Antwort ihres Links-Vaters denken, als sie ihn damals gefragt hatte.) Ihre Liebe zu Odeen war am größten, wenn er sie in sein Leben einschloß - und sogar das war ein Teil ihrer Links-Neigung.

Vielleicht (dieser Gedanke war ihr immer wieder gekommen) rückte sie durch ihre Neigung dichter an Odeen heran und entfernte sich von Tritt, was ein weiterer Grund sein mochte, warum Tritts Vorhaltungen sie abstießen. Odeen hatte noch kein Wort darüber verloren, aber vielleicht spürte Tritt diese Entwicklung und vermochte sie nur soweit zu erfassen, daß er unglücklich war, ohne den Grund dafür zu wissen.

Bei ihrem ersten Besuch in einer Hart-Höhle hatte sie zwei Hartlinge miteinander sprechen hören. Sie wußte natürlich nicht, daß sie redeten. Da war eine schnell wechselnde Luftvibration, die ein unangenehmes Summen in ihr hervorrief. Sie mußte sich verdünnen, um die Schwingungen durchzulassen.

Odeen hatte gesagt: "Sie reden." Hastig kam er dann ihrem Einwand zuvor: "Auf ihre Art. Sie verstehen einander."

Dua hatte begriffen. Schnelles Begreifen war um so schöner, als Odeen darüber besonders erfreut war. (Er hatte einmal gesagt: "Alle anderen Denklinge, die ich kenne, haben nur schwachköpfige Gefühlslinge. Ich bin da wirklich ein Glückspilz." Sie hatte erwidert: "Aber die anderen Denklinge scheinen Schwachköpfe zu mögen. Warum bist du anders als sie, Odeen?" Odeen leugnete nicht, daß die anderen Denklinge Schwachköpfe mochten. Er sagte nur: "Ich habe mir das nie überlegt, und ich halte es auch nicht für wichtig. Ich freue mich über dich, und ich freue mich, daß ich mich freue.")

"Verstehst du denn die Sprache der Hartlinge?" fragte sie.

"Kaum", antwortete Odeen. "Ich kann die Veränderung erspüren. Manchmal habe ich ein Gefühl dafür, was sie sagen, auch wenn ich es nicht richtig verstehe - besonders nach einem Verschmelzen. Allerdings nur manchmal. Solche Gefühle aufzufangen, ist eigentlich Sache eines Gefühlslings - nur kann ein Gefühlsling keinen Sinn aus dem herauslesen, was er da fühlt. Du könntest das sicher."

"Ich hätte Angst", meinte Dua abwehrend. "Sie mögen es vielleicht nicht."