Inzwischen ist das Wolfram-186, das in das Parauniversum eindringt, dort aus entgegengesetztem Grunde instabil. Nach den fremden Gesetzen hat es zu viele Neutronen oder nicht ausreichend Protonen. Die Kerne des Wolfram-186 beginnen Elektronen abzustrahlen und setzen dabei beständig Energie frei, und mit jedem ausgestrahlten Elektron verwandelt sich ein Neutron in ein Proton, bis das Ganze zum Schluß zu Plutoni-um-186 geworden ist. Mit jedem in das Parauniversum geschickten Wolfram 186-Kern wird es auch um zwanzig neue Elektronen angereichert.
Das Plutonium/Wolfram kann seinen Zyklus zwischen Universum und Parauniversum endlos vollziehen und erbringt dabei zuerst Energie im einen und dann im anderen Universum, wobei mit jedem Umlauf pro Kern zwanzig Elektronen von unserem Universum in das andere verbracht werden. Beide Seiten können aus diesem Austausch Energie gewinnen, wenn er durch den Bau einer Inter-Universum-Elektronenpumpe in die Tat umgesetzt wird."
Die Verwirklichung dieser Idee und die Einrichtung der Elektronenpumpe als effektive Energiequelle erfolgten mit verblüffender Geschwindigkeit - und jede Stufe dieses Erfolges kam Hallams Prestige zugute.
Lamont hatte zunächst keinen Grund, an der Basis für dieses Prestige zu zweifeln. So machte er sich mit einer gewissen Heldenverehrung daran (eine Erinnerung, die ihm später unangenehm war und die er nicht ohne Erfolg zu unterdrücken suchte), um ein längeres Interview mit Hallam nachzusuchen -in Verbindung mit dem Geschichtswerk, das er plante.
Hallam schien nicht abgeneigt. Im Laufe der Jahre war seine Popularität in derartige Höhen gestiegen, daß man sich fragen mochte, warum er nicht ständig Nasenbluten hatte. Physisch war er imponierend gealtert, wenn er auch nicht mehr der Schlankste war. Sein Körper hatte eine gewisse Schwere, die dem Mann einen Anstrich von Gewichtigkeit gab, und wenn sein Gesicht auch nicht gerade fein geschnitten war, so vermochte er ihm doch einen Hauch intellektueller Gelassenheit zu geben. Noch immer rötete sich sein Nacken sehr schnell, und seine Mimosenhaftigkeit war allseits bekannt.
Hallam hatte sich vor Lamonts Eintritt kurz unterrichten lassen. Er sagte: "Sie sind Dr. Peter Lamont, und wie man mir sagt, haben Sie sich bisher mit gutem Erfolg an der Paratheorie versucht. Ich erinnere mich an Ihre Abhandlung. Über die Paraverschmelzung, nicht wahr?"
"Jawohl, Sir."
"Nun, dann frischen Sie mein Gedächtnis auf. Erzählen Sie mir davon. Ganz zwanglos natürlich, als sprächen Sie zu einem Laien. Immerhin " und er lachte leise - "bin ich, genau genommen, tatsächlich Laie. Wie Sie wissen, bin ich Radiochemiker und kein großer Theoretiker, ein paar wenige Ideen hier und da ausgenommen."
Lamont akzeptierte diese Äußerung damals ohne Vorbehalt, und tatsächlich war sie vielleicht nicht ganz so unverschämt herablassend, wie er sie später im Rückblick sehen wollte. Jedenfalls war sie typisch, wie Lamont später herausfand oder zumindest behauptete, für Hallams Methode, sich aus der Arbeit anderer das Wesentliche herauszugreifen. Er konnte anschließend in anderem Kreise flott über das Thema sprechen, ohne sich allzu große Mühe zu geben oder überhaupt die Anstrengung zu machen, seine Quellen offenzulegen.
Doch Lamont, der zu jenem Zeitpunkt noch ziemlich am Beginn seiner Laufbahn stand, war geschmeichelt und legte sofort mit jener wortreichen Begeisterung los, die man bei der Erläuterung eigener Entdeckungen empfindet. "Ich habe wirklich noch nicht viel erreicht, Dr. Hallam. Die Naturgesetze des Parauniversums abzuleiten die Paragesetze , ist eine kitzlige Sache. Die Ausgangsbasis ist sehr schmal. Ich machte mir die geringen vorhandenen Kenntnisse zunutze, ohne neue, unbeweisbare Wege einzuschlagen. Mir erscheint es zum Beispiel offensichtlich, daß bei einer stärkeren nuklearen Wechselwirkung die Verschmelzung kleiner Kerne erleichtert wird."
"Paraverschmelzung", sagte Hallam.
"Jawohl, Sir. Es ging nun darum, die Einzelheiten abzuleiten. Die mathematischen Berechnungen waren nicht ganz einfach, doch nach ein paar Transformationen schrumpften die Schwierigkeiten zusammen. Es erweist sich zum Beispiel, daß Lithiumhydrid zu einer katastrophalen Verschmelzung angeregt werden kann, bei einer Temperatur, die um vier Größenordnungen tiefer liegt als hier. Bei uns ist die Temperatur einer Atombombe erforderlich, um Lithiumhydrid zur Explosion zu bringen, doch im Parauniversum würde, bildlich gesprochen, eine einfache Dynamitladung ausreichen. Es wäre vielleicht auch denkbar, daß das Lithiumhydrid dort mit einem Streichholz entzündet werden könnte, aber das ist doch nicht sehr wahrscheinlich. Wie Sie wissen, haben wir ihnen Lithiumhydrid angeboten, da die Kernenergie ihnen offenbar ganz selbstverständlich ist, aber sie haben die Finger davon gelassen."
"Ja, ich weiß."
"Es wäre offensichtlich zu riskant für sie - so als benutzten sie tonnenweise Nitroglyzerin als Raketentreibstoff, nur schlimmer."
"Sehr schön. Und Sie schreiben also auch eine Geschichte der Pumpe."
"Einen allgemein verständlichen Abriß, Sir. Wenn das Manuskript fertig ist, würde ich Sie gern bitten, es zu lesen, damit ich von Ihrer intimen Kenntnis der Ereignisse profitieren kann. Schon heute würde ich Sie gern zu einigen Punkten befragen, wenn Sie ein wenig Zeit für mich hätten."
"Das läßt sich einrichten. Was möchten Sie wissen?" Hallam lächelte. Es war das letztemal überhaupt, daß er in Lamonts Gegenwart lächelte.
"Die Entwicklung einer nutzbaren Pumpe, Professor Hallam, erfolgte mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit", begann La-mont. "Als das Pumpenprojekt "
"Das Inter-Universum-Elektronenpumpen--Projekt", berichtigte ihn Hallam, noch immer lächelnd.
"Ja, natürlich", sagte Lamont und räusperte sich. "Ich habe nur die allgemein gebräuchliche Bezeichnung benutzt. Als das, Projekt begonnen hatte, wurden die technischen Einzelheiten in großem Tempo und ohne zeitraubende Umwege entwickelt."
"Das ist wahr", erwiderte Hallam mit einem Hauch von Selbstgefälligkeit. "Man hat mir einreden wollen, die Anerkennung hierfür gebühre meiner durchgreifenden und einfallsreichen Projektleitung, doch ich würde es ungern sehen, wenn Sie das in Ihrem Buch zu sehr herausstellten. Jedenfalls hat bei dem Projekt eine Vielzahl fähiger Leute mitgewirkt, und ich möchte nicht, daß der Einsatz einzelner Teammitglieder durch eine Übertreibung meiner Rolle herabgewürdigt wird."
Lamont schüttelte ein wenig verärgert den Kopf. Er hielt die Bemerkung für unangebracht. Er sagte: "Das meine ich nicht. Ich beziehe mich auf die Intelligenz am anderen Ende - die Paramenschen, um den bekannten Ausdruck zu verwenden. Sie gaben doch den Anstoß. Wir entdeckten sie nach dem ersten Wolfram-Plutonium-Austausch; sie dagegen mußten uns längst ausgemacht haben, um den Austausch überhaupt vornehmen zu können; sie arbeiteten aufgrund einer Theorie ins Blaue hinein
- hatten nicht die Hinweise von uns, die sie uns selbst gaben.
Und da ist auch die Metallfolie, die sie uns schickten ..."Hallams Lächeln war verschwunden, für immer. Er runzelte die Stirn und sagte laut: "Die Symbole wurden nicht entziffert. Nichts an ihnen."
"Die geometrischen Figuren wurden durchaus entziffert, Sir. Ich habe nachgeschlagen, und es ist ganz offensichtlich, daß sie die Geometrie der Pumpe bestimmten. Es will mir scheinen, als
Mit wütendem Schurren fuhr Hallams Stuhl zurück. Er sagte: "Fanden wir erst gar nicht damit an, junger Mann. Wir haben die Arbeit getan, nicht sie."
"Ja - aber stimmt es denn nicht, daß sie "