"Aber wie suchen Sie danach?"
Denison zögerte: "Das ist jetzt nicht so ganz einfach zu erklären. Pionen sind die vermittelnden Partikel der Starken nuklearen Wechselwirkung. Die Stärke der Wechselwirkung hängt von der Pionenmasse ab und diese Masse kann unter besonderen Bedingungen verändert werden. Die Lunarwissenschaftler haben ein Instrument entwickelt, das sie den Pionisa-tor nennen - ein Gerät, das eben diese Veränderung bewirken kann. Wenn die Masse des Pions herabgesetzt - oder heraufgesetzt - ist, wird es damit effektiv zum Teil eines anderen Universums, es wird zu einem Durchgang, zu einem Durchflußpunkt. Wenn es ausreichend herabgesetzt wird, kann es auch zum Teil eines Kosmei-Universums werden - und genau das wollen wir."
"Und Sie können Materie aus dem... dem... Kosmei-Universum herübersaugen?"
"Das ist einfach. Wenn sich das Tor bildet, erfolgt der Durchfluß spontan. Die Materie strömt herüber, bringt ihre eigenen Gesetze mit und ist bei ihrer Ankunft stabil. Langsam sinken die Gesetze unseres Universums hinein, die Starke Wechselwirkung wird stärker, die Materie verschmilzt und beginnt gewaltige Energie abzugeben."
"Aber wenn sie so superdicht ist, warum weitet sie sich dann nicht explosiv aus und verpufft?"
"Auch das würde Energie erbringen, aber da ist auch das elektromagnetische Feld, und in diesem Falle hat die Starke Wechselwirkung den Vorrang, weil wir das elektromagnetische Feld kontrollieren. Es würde zu weit führen, Ihnen das alles zu erklären."
"Also, sehe ich das richtig - die Lichtkugel, die ich da an der Oberfläche gesehen habe, war verschmelzende Kosmei-Materie?"
"Ja, Hochkommissar."
"Und diese Energie läßt sich für nützliche Zwecke heranziehen?"
"Gewiß doch. Und in jeder denkbaren Menge. Was Sie vorhin gesehen haben, war eine Mikromikrogramm-Menge Kos-mei-Materie. Theoretisch hätten wir keine Schwierigkeiten, die Materie auch tonnenweise herüberzuholen."
"Dann könnte Ihre Entdeckung also die Elektronenpumpe ersetzen."
Denison schüttelte den Kopf. "Nein. Die Verwendung von Kosmei-Energie hat nämlich ebenfalls verändernden Einfluß auf die beteiligten Universen. Im Zuge des Übertritts der Naturgesetze wird die Starke nukleare Wechselwirkung im Kos-mei-Universum zunehmen und bei uns abnehmen. Das heißt, daß im Kosmei die Kernverschmelzung erleichtert wird und es sich langsam erhitzt. Irgendwann..."
"Irgendwann", sagte Gottstein, faltete die Arme vor der Brust und kniff nachdenklich die Augen zusammen. "Irgendwann explodiert es mit gewaltigem Knall."
"Das halte ich für möglich."
"Meinen Sie, daß in unserem Universum vor zehn Milliarden Jahren das gleiche passiert ist?"
"Vielleicht. Die Kosmogonisten haben sich oft gefragt, warum das ursprüngliche Kosmische Ei gerade dann explodierte und nicht später oder früher. Eine Version sprach von einem oszillierenden Universum, in dem sich das kosmische Ei bildete und sofort explodierte. Diese Möglichkeit ist inzwischen eliminiert worden, und nun hält sich die Ansicht, daß das kosmische Ei erst längere Zeit existieren mußte und dann eine Instabilitätskrise durchmachte, die sich aus unbekanntem Grunde ergab."
"Die aber das Ergebnis eines Energieanzapfens durch ein anderes Universum sein kann."
"Möglich. Dabei braucht es sich nicht unbedingt um den Einfluß einer Intelligenz zu handeln. Vielleicht gibt es von Zeit zu Zeit natürliche Durchflüsse."
"Wenn der große Knall nun kommt", sagte Gottstein, "können wir dann immer noch Energie aus dem Kosmei-Universum beziehen?"
"Ich weiß es nicht genau - aber das ist wohl kaum eine dringende Sorge. Der Durchfluß unseres Feldes der Starken Wechselwirkung in das Kosmei-Universum müßte sicherlich einige Millionen Jahre anhalten, ehe die andere Seite den kritischen Punkt erreicht. Und außerdem muß es andere Kosmei-Universen geben; vielleicht sogar eine unendliche Anzahl."
"Was ist aber mit der Veränderung in unserem Universum?"
"Die Starke Wechselwirkung schwächt sich ab. Langsam, sehr langsam kühlt unsere Sonne aus."
"Und bietet die Kosmei-Energie dafür einen Ausgleich?"
"Das ist gar nicht erforderlich, Hochkommissar", antwortete Denison betont. "Während die Starke Wechselwirkung in unserem Universum als Folge der Kosmei-Pumpe nachläßt, wird sie durch die Tätigkeit der normalen Elektronenpumpe verstärkt. Wenn wir die Energieproduktion beider Pumpen aufeinander abstimmen, verändern sich die Naturgesetze bei uns nicht mehr, obwohl das im Kosmei-Universum und im Parauniversum nach wie vor geschieht. Wir wären dann eine Durchgangsstraße, nicht mehr Endpunkt.
Auch brauchen wir uns um die beiden anderen Endpunkte keine Gedanken zu machen. Die Paramenschen haben sich vielleicht auf das Abkühlen ihrer Sonne eingerichtet, die bestimmt schon von Natur aus nicht sehr heiß ist. Was das Kos-mei-Universum angeht, so haben wir keinen Grund zu der Vermutung, daß dort überhaupt Leben existieren kann. Indem wir die Bedingungen schaffen, die für den großen Knall erforderlich sind, fördern wir womöglich erst ein neues Universum, das irgendwann einmal Leben hervorbringen kann."
Gottstein schwieg eine Zeitlang. Sein plumpes Gesicht war ohne jeden Ausdruck. Er nickte langsam vor sich hin, als folge er einem eigenen Gedankengang.
Schließlich sagte er: "Wissen Sie, Denison, ich habe das Gefühl, diese Sache krempelt die Welt um. Wir dürften nun keine
Schwierigkeiten mehr haben, die wissenschaftlichen Spitzen zu überzeugen, daß die Elektronenpumpe unsere Welt vernichtet."
"Der gefühlsmäßigen Abneigung vor dieser Möglichkeit ist der Boden entzogen. Wir sind nun in der Lage, das Problem darzulegen und zugleich eine Lösung zu bieten."
"Wann würden Sie darüber eine Abhandlung schreiben, wenn ich Ihnen eine schnelle Veröffentlichung garantiere?"
"Können Sie das tatsächlich garantieren?"
"Notfalls in einem Journal der Regierung."
"Ich würde gern die Durchfluß-Instabilität neutralisieren, ehe ich darüber schreibe."
"Natürlich."
"Und ich hielte es für angemessen", fuhr Denison fort, "Dr. Peter Lamont als Mitautor vorzusehen. Er kann die mathematische Seite fundieren - etwas, das außerhalb meines Bereiches liegt. Außerdem hat seine Arbeit erst den Anstoß zu meinen Forschungen gegeben. Noch etwas, Hochkommissar ..."
"Ja?"
"Ich möchte auch vorschlagen, die Lunarphysiker mit heranzuziehen. Aus ihrer Gruppe käme zum Beispiel Dr. Barron Neville als dritter Autor in Frage."
"Aber warum denn? Gibt das jetzt nicht noch unnötige Komplikationen?"
"Es war ihr Pionisator, der das alles möglich machte."
"Das können wir angemessen erwähnen .. . Aber hat Dr. Bar-ron tatsächlich mit Ihnen an dem Projekt gearbeitet?"
"Nicht direkt."
"Warum wollen Sie ihn dann mit hereinziehen?" Denison senkte den Blick und fuhr mit der Hand vorsichtig über seine Bügelfalte. "Es wäre auf jeden Fall diplomatisch. Wir müssen nämlich die Kosmei-Pumpe auf dem Mond installieren."
"Warum nicht auf der Erde?"
"Erstens brauchen wir ein Vakuum. Der ganze Vorgang ist im Gegensatz zur Elektronenpumpe nur einseitig, und wenn
wir ihn nutzbar machen wollen, sind die Vorbedingungen auch anders. Mit der Mondoberfläche steht uns ein gewaltiges Vakuum zur Verfügung - das wir auf der Erde nur mit erheblichem Aufwand erzeugen könnten."
"Und doch wäre es denkbar, oder nicht?"
"Zweitens", fuhr Denison fort, "ist es zu gefährlich, wenn zwei gewaltige Energiequellen aus gegensätzlichen Richtungen in unserem Universum zusammentreffen. Es gäbe so etwas wie einen Kurzschluß, wenn die beiden Austrittspunkte zu dicht zusammenlägen. Eine Trennung durch vierhunderttausend Kilometer Vakuum, wobei die Elektronenpumpe nur auf der Erde arbeitet und die Kosmei-Pumpe nur auf dem Mond, wäre ideal und sogar unumgänglich. Und wenn wir auf dem Mond arbeiten müssen, wäre es nur klug und auch anständig, die Gefühle der Lunarphysiker zu achten. Wir sollten sie teilhaben lassen."