Выбрать главу

Das herablassende »Woher wollen Sie das wissen?« ließ Hallam jedoch keine andere Wahl, als wütend zu erwidern: »Ich zeig’s Ihnen, daß ich es weiß!«

Und danach konnte ihn nichts und niemand mehr vom Äußersten abhalten. Die Analyse des Metalls in dem alten Glas wurde zu seiner vordringlichsten Aufgabe, und sein vornehmstes Ziel war es, den hochmütigen Ausdruck von Denisons spitznasigem Gesicht zu fegen und das ständige höhnische Lächeln seiner Lippen auszulöschen.

Denison vergaß diesen Augenblick nie, denn es war seine Bemerkung, die Hallam schließlich den Nobelpreis einbrachte und ihn selbst in Vergessenheit geraten ließ.

Er konnte natürlich nicht wissen (oder wenn er es wußte, scherte es ihn damals nicht), daß Hallam von überwältigender Sturheit sein konnte, jenem ängstlichen Bedürfnis aller Mittelmäßigen, Front zu wahren — eine Sturheit, die in diesem Augenblick mehr bewirken konnte als Denisons natürlicher Scharfsinn.

Hallam trat sofort und auf dem direktesten Wege in Aktion. Er brachte sein Metall in die massenspektrographische Abteilung, was für ihn als Strahlungschemiker ein ganz natürliches Vorgehen war. Er kannte die Techniker dort, hatte schon mit ihnen zusammengearbeitet, und er war energisch. So energisch, daß seine Probe anderen, weitaus älteren und wichtigeren Projekten vorgezogen wurde.

Tracy, der Mann am Massenspektrograph, sagte schließlich: »Nun, Wolfram ist es nicht.«

Hallams breites, humorloses Gesicht verzog sich zu einem strengen Lächeln. »Gut. Das sagen wir unserem klugen Köpfchen Denison. Ich möchte einen Bericht, und…«

»Moment noch, Dr. Hallam. Ich sage zwar, es ist kein Wolfram, aber das heißt nicht, daß ich weiß, was es ist.«

»Was soll das — Sie wissen nicht, was es ist?«

»Ich meine, die Ergebnisse sind einfach lächerlich.« Der Techniker überlegte einen Augenblick. »Sie sind sogar unmöglich. Die spezifische Ladung stimmt überhaupt nicht.«

»Inwiefern nicht?«

»Zu hoch. Einfach unmöglich.«

»Nun«, sagte Hallam — und welche Motive ihn auch bewegten, seine nächste Bemerkung brachte ihn auf den Weg zum Nobelpreis, verdientermaßen, könnte man sogar sagen. »Nun, dann stellen Sie die Frequenz der charakteristischen XStrahlung des Stoffes fest und bestimmen die Ordnungszahl. Sitzen Sie hier nicht herum und reden von unmöglichen Sachen.«

Nach einigen Tagen suchte der Techniker ziemlich aufgeregt Hallam in dessen Büro auf.

Hallam ignorierte den besorgten Gesichtsausdruck des anderen — er war niemals feinfühlig — und fragte: »Haben Sie« — Er warf nun seinerseits einen besorgten Blick auf Denison, der am Tisch seines Labors gegenüber saß, und schloß die Tür. »Haben Sie die Ordnungszahl festgestellt?«

»Ja, aber sie stimmt nicht.«

»Na gut, Tracy. Dann versuchen Sie’s eben noch mal.«

»Aber ich habe es schon mehr als ein dutzendmal versucht. Sie kommt nicht hin.«

»Wenn Sie’s so gemessen haben — gut. Gegen Tatsachen sollten Sie nicht anreden.«

Tracy rieb sich am Ohr und erwiderte: »Aber ich muß, Doc. Wenn ich von meinen Ergebnissen ausgehe, haben Sie mir da Plutonium-186 in die Hand gedrückt.«

»Plutonium-186? Plutonium-186?«

»Die Ordnungszahl ist 94. Die Massenzahl 186.«

»Aber das ist unmöglich. Ein solches Isotop gibt es nicht. Unmöglich.«

»Sage ich Ihnen doch. Aber das ergeben die Messungen.«

»Da fehlen doch über fünfzig Neutronen im Atomkern. Das kann unmöglich Plutonium-186 sein. 94 Protonen mit nur 92 Neutronen in einem Kern würden nicht einmal eine Trillionstelsekunde zusammenhalten.«

»Das sage ich ja, Doc«, wiederholte Tracy geduldig. Und nun begann Hallam eingehend nachzudenken. Ihm fehlte Wolfram, und eines der Isotope dieses Elements, Wolfram-186, war stabil. Wolfram-186 hatte im Kern 74 Protonen und 112 Neutronen. War es denkbar, daß sich zwanzig Neutronen in zwanzig Protonen verwandelt hatten? Im Grunde doch unmöglich.

»Irgendwelche Spuren von Radioaktivität?« fragte Hallam, auf der verzweifelten Suche nach einem Ausweg aus dem Durcheinander.

»Nein, das Zeug ist stabil«, erwiderte der Techniker. »Absolut stabil.«

»Dann kann es auch nicht Plutonium-186 sein.«

»Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Doc.«

Hallam sagte hoffnungslos: »Na gut, geben Sie mir die Probe.«

Wieder allein, starrte er die Flasche bestürzt an. Das am wenigsten unstabile Plutonium-Isotop war Plutonium-240, in dem 146 Neutronen benötigt wurden, um die 94 Protonen mit annähernder Stabilität zusammenzuhalten.

Was konnte er nun tun? Er wußte nicht weiter, und es tat ihm schon leid, daß er die Sache überhaupt angeschnitten hatte. Immerhin warteten dringende Arbeiten auf ihn, und diese Sache, dieses Geheimnis, war überhaupt nicht sein Bier. Tracy hatte irgendeinen dummen Fehler gemacht, oder der Massenspektrograph war nicht in Ordnung, oder…

Na, also! Vergiß die ganze Sache! sagte er zu sich selbst.

Nur brachte Hallam das nicht fertig. Früher oder später würde Denison in sein Büro herüberkommen und mit seinem aufreizenden Lächeln nach dem Wolfram fragen. Was konnte Hallam dann erwidern? »Es ist kein Wolfram, wie ich Ihnen schon sagte?«

Bestimmt würde Denison darauf fragen: »Oh, aber was ist es dann?« Jede Ankündigung, es handele sich um Plutonium-186, hätte unweigerlich Hohn und Spott heraufbeschworen, dem sich Hallam um nichts in der Welt ausgesetzt hätte. Er mußte das Element bestimmen, und zwar allein. Ganz offensichtlich konnte er niemandem trauen.

Etwa zwei Wochen später betrat er Tracys Labor — in einem Zustand, der sich als hochgradig aufgebracht bezeichnen läßt.

»He, haben Sie mir nicht gesagt, das Zeug wäre nicht radioaktiv?«

»Was für Zeug?« fragte Tracy automatisch, ehe es ihm wieder einfiel.

»Na, das Zeug, das Sie Plutonium-186 nannten.«

»Oh. Also, es war stabil.«

»Etwa so stabil wie Ihr Geisteszustand, will mir scheinen. Wenn Sie das als strahlungsfrei bezeichnen, sollten Sie sich mal als Klempnergeselle versuchen.«

Tracy runzelte die Stirn. »Okay, Doc. Schauen wir’s uns an.« Und dann sagte er: »Tatsächlich! Es ist radioaktiv. Nur eine Spur, aber kein Zweifel möglich. Ich verstehe nicht, wie ich das übersehen konnte.«

»Und wie weit kann ich Ihnen nun das Plutonium-186 noch abnehmen?«

Die Angelegenheit ließ Hallam nicht mehr los. Das Geheimnis war so ärgerlich, daß er es fast schon als persönliche Beleidigung auffaßte. Wer immer die Flasche oder ihren Inhalt ausgewechselt hatte, mußte entweder ein zweitesmal am Werk gewesen sein oder ein Metall geschaffen haben, das einzig und allein dazu da war, einen Narren aus ihm zu machen. Wie dem auch sein mochte — um das Problem zu lösen, war er bereit, die Welt auf den Kopf zu stellen.

Mit einer Eindringlichkeit, die sich nicht so ohne weiteres übergehen ließ, wandte er sich direkt an G. C. Kantrowitsch, der damals im letzten Jahr seiner ziemlich bemerkenswerten Karriere stand. Kantrowitsch ließ sich nur schwer für eine Sache einspannen, doch wenn man ihn einmal dazu überredet hatte, fing er schnell Feuer.

Zwei Tage später stürmte er in heller Aufregung zu Hallam ins Büro. »Haben Sie das Zeug mit der Hand angefaßt?«

»Kaum«, antwortete Hallam.

»Also, das sollten Sie auch bleibenlassen. Wenn Sie noch mehr davon haben, lassen Sie die Hände davon. Es strahlt Positronen ab.«

»Oh?«

»Die kräftigsten Positronen, die ich je erlebt habe… Und Ihre Radioaktivitätsmessungen sind zu niedrig.«

»Zu niedrig?«

»Entschieden. Was mir aber zu schaffen macht, ist die Tatsache, daß jede neue Messung ein wenig höher ausfällt als die letzte.«