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«Aber was ist mit Yarrow?«fragte Dart.

«Das muß Marjorie entscheiden. Aber wenn Sie Yarrow verklagen, geben Sie auch Rebeccas Mitschuld und Ihre eigene Verwicklung preis. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Ihnen daran liegt.«

«Aber Keith?«sagte Marjorie und wich der Last, die ich ihr aufgebürdet hatte, nicht aus.»Was ist mit ihm?«

Keith.

Ich wandte mich an Conrad.»Sagten Sie Marjorie vorhin, Keith habe Sie hergeschickt?«

«Ja.«

«Mit dem Gewehr?«

Er sah ein wenig beschämt aus.»Sie müssen mich auch verstehen. Ich meine, nachdem Sie und Dart gegangen waren, standen Keith und ich noch da im Zimmer und unterhielten uns über Sie und den aufgebrochenen Schrank, da sahen wir Ihren Dietrich im Schloß, und ich sagte gerade, Sie hätten aber viel riskiert, bloß um einen Blick auf die Pläne zu werfen. Und dann schoß mir auf einmal durch den Kopf, wie tief Sie in der ganzen Sache drinstecken, und obwohl ich nicht glauben konnte, daß Sie noch etwas anderes gesucht hatten oder daß Sie so viel wußten, schaute ich im Schrank in der Schachtel nach, in der ich das Foto und die Kassette verwahrte, und da war ich so fertig, daß Keith mich fragte, was los sei, und ich sagte es ihm. Wir dachten beide, jetzt würden Sie natürlich hingehen und uns erpressen.«

«Ach, natürlich.«

«Ja, aber…«

«Bei Ihnen macht das jeder mit jedem; Sie glauben, daß keiner anders kann.«

Conrad zuckte mit den schweren Schultern, als verstünde sich das von selbst.»Jedenfalls«, sagte er,»hat Keith dann die Herausgabe des Umschlags verlangt, den unser Vater mir kurz vor seinem Tod anvertraut hatte. Ich sagte, den dürfe ich nicht herausgeben. Es gab einen ziemlichen Streit, aber ich hatte strikte Anweisung von Vater, ihn niemandem zu zeigen. Keith fragte mich, ob ich wüßte, was drin sei, aber ich weiß es nicht, und das habe ich ihm auch gesagt. Er meinte, er müsse ihn haben. Er fing an, die Schachteln aufzumachen und alles rauszukippen. Ich wollte ihn bremsen, aber Sie wissen ja, wie er ist. Dann kam er zu der Schachtel, in der das Kuvert hätte sein müssen, wenn ich nicht irrte, aber als er sie auskippte, war es nicht drin… Sie konnten aber doch gar nicht wissen, daß es existiert — wie hätten Sie es da entwenden sollen? Schließ-lich half ich ihm bei der Suche. Jetzt liegt alles bei mir auf dem Fußboden, eine fürchterliche Unordnung, da steige ich nie mehr durch…«

«Aber den Umschlag habt ihr gefunden?«fragte Marjorie besorgt.

«Nein. «Er wandte sich an mich und betonte:»Ich weiß, daß er da drin war, in einem ganz bestimmten Karton, unter einem Stapel abgelaufener Versicherungspolicen. Keith sagte, ich solle die Flinte holen und Sie umbringen…«

«Aber er wußte, Sie würden es nicht tun«, sagte ich entschieden.

Dart fragte:»Was sind Sie da so sicher?«

«Der eine Zwilling«, sagte ich,»würde den Pilger umbringen. Der andere nicht. An ihrem Wesen können sie nichts ändern.«

«Die Weggabelung! Sie… Sie spitzfindiger Hund.«

Marjorie sah mir in die Augen, ohne zu verstehen oder sich um das zu kümmern, was Dart gesagt hatte.»Haben Sie den Umschlag mitgenommen?«

«Ja«, sagte ich.

«Haben Sie ihn geöffnet? Haben Sie gesehen, was drin war?«

«Ja.«

«Dann geben Sie ihn mir.«

«Nein. «Ich schüttelte den Kopf.»Diese Sache…«, ich holte Luft,»die muß ich alleine machen.«

Das Telefon schrillte neben Marjorie. Mit verkniffenem Mund, verärgert über die Unterbrechung, nahm sie den Hörer ab.

«Ja«, sagte sie, und ihr Gesicht wurde ausdruckslos.»Ja, er ist hier.«

Sie hielt mir den Hörer hin.»Es ist Keith«, sagte sie.»Er möchte Sie sprechen.«

Er weiß, dachte ich, daß ich diesen Brief an mich genommen haben muß. Und er weiß, was drin steht.

Mit böser Vorahnung sagte ich:»Ja?«

Er sprach nicht gleich, aber er war da; ich konnte ihn atmen hören.

Lange Sekunden vergingen.

Er sagte nur fünf Wörter, bevor die Verbindung abbrach. Die schlimmsten fünf Wörter unserer Sprache.

«Sagen Sie Ihren Kindern Lebewohl.«

Kapitel 16

Mein Verstand setzte aus.

Die Angst schoß in mir hoch und stürzte mich von den Zehenspitzen bis zum Kopf in einen jener furchtbaren Zustände größter innerlicher Gespanntheit, die mit dem Bewußtwerden einer unabwendbaren Katastrophe einhergehen.

Ich stand regungslos da und versuchte mich an die Telefonnummer der Gardners zu erinnern. Konnte es nicht. Kniff die Augen zusammen und hörte auf, mich zu bemühen, ließ die Zahlen aus dem Unterbewußtsein heraufkommen, nach ihrem Rhythmus statt nach ihrem Bild. Drückte die Tasten und schwitzte.

Rogers Frau meldete sich.

«Wo sind die Jungen?«fragte ich abrupt.

«Die müßten jeden Moment bei Ihnen sein«, sagte sie beruhigend.»Sie sind ungefähr. na, sagen wir, vor einer Viertelstunde weg. Sind sicher gleich bei Ihnen.«

«Wo bei mir?«

«Im Hauptzelt natürlich. «Sie war verwirrt.»Christopher hat Ihre Nachricht bekommen, und dann sind sie sofort los.«

«Hat Roger sie gefahren?«

«Nein. Der ist irgendwo draußen auf der Bahn. Ich weiß nicht genau, wo. Die Jungen sind zu Fuß weg, Lee… stimmt irgendwas nicht?«

«Was war das für eine Nachricht?«sagte ich.

«Ein Anruf, für Christopher.«

Ich warf Marjorie den Hörer zu und rannte aus ihrem Wohnzimmer, durch die ruhige Halle, zur Haustür hinaus und zu Darts Wagen. Auch wenn das Laufen ein Hinken war, noch nie hatte ich mich schneller bewegt. Auch wenn ich wußte, ich lief in einen Hinterhalt, in ein mir zugedachtes Unglück — mir blieb nichts übrig, als mich zu beeilen, als zu hoffen, daß er sich mit mir zufriedengab und die Jungen am Leben ließ.

Ich jagte Darts Wagen wie ein Irrsinniger durch den Ort, aber gerade jetzt, wo ich ein ganzes Polizeikommando hätte brauchen können, hängte sich kein Streifenwagen wegen Zuschnellfahrens hinter mich.

Durch das Tor auf die Rennbahn. Um die Bahn zu dem Platz vor Rogers Büro. Keiths silberner Jaguar stand da. Niemand zu sehen. Doch. Christopher. und Edward… und Alan. Allen stand das Entsetzen im Gesicht. Ich stürzte aus dem Wagen, von Dämonen gehetzt.

«Papa!«Christophers grenzenlose Erleichterung war nicht beruhigend.»Papa, schnell.«

«Was ist los?«

«Der Mann da. im Hauptzelt.«

Ich wandte mich in die Richtung.

«Er hat Feuer da drin gelegt… und Neil… und Toby… und Neil schreit.«

«Sucht Colonel Gardner«, rief ich ihm im Laufen zu.»Er soll die Sprinkleranlage einschalten.«

«Aber…«:, Verzweiflung in Christophers Stimme,»wir wissen nicht, wo er ist.«

«Sucht ihn.«

Ich hörte Neil schreien. Keine Worte, nichts Verständliches. Laute, schrille Schreie. Kreischen.

Wie stellt man sich so einer Situation?

Ich rannte in das Hauptzelt, zum Mittelgang und suchte nach dem Feuerlöscher, der dort am Eingang hätte sein müssen, lief aber weiter, da ich ihn nicht fand, und sah plötzlich Alan neben mir herlaufen.

«Bleib zurück«, schrie ich ihn an,»lauf zurück, Alan.«

Rauch hing im Zelt, und am Boden brannten mehrere kleine, helle Feuer; rote, orange und goldene Flammen tanzten auf Rinnsalen und Pfützen. Und dahinter stand wie ein Koloß, breitbeinig, felsenfest, den Mund zu einem schadenfrohen Grinsen geöffnet… Keith.

Er hatte Neil am Unterarm gepackt, die Finger wie ein Schraubstock um das dünne Handgelenk geschlossen, und hielt ihn halb in die Luft, fast auf Armlänge von sich. Mein kleiner Sohn zappelte und strampelte, um sich zu befreien, kam aber nur gerade mit den Zehen auf den Boden und fand keinen Halt.