Выбрать главу

Der schwarze Ritter trieb ihn mit wütenden Hieben vor sich her. Kim wehrte sich, so gut es ging, aber er spürte bald, daß er gegen seinen Widersacher keine Chance hatte. Schritt für Schritt wurde er zurückgedrängt. Seine Arme schmerzten von der Wucht der Schläge, die unbarmherzig auf ihn herunterprasselten. Im Rücken spürte er den kalten Stein der brusthohen Zinnen, die den Wehrgang gegen den Burghof hin abschirmten.

Kims Klinge bebte unter einem fürchterlichen Hieb. Er wankte zurück und verlor auf dem rutschigen Boden das Gleichgewicht. Der Ritter schrie triumphierend auf, schwang seine Waffe zu einem beidhändig geführten, tödlichen Hieb und sprang vor.

Kim krümmte sich blitzschnell zusammen, warf sich herum und stieß dem gepanzerten Riesen beide Füße in den Leib. Der Riese taumelte an ihm vorbei und stürzte, von seinem eigenen Schwung getragen, über die Brüstung. Ein gellender Schrei zerriß die Luft, gefolgt von einem dumpfen Aufprall.

Kim blieb keine Zeit, sich über seinen Sieg zu freuen. Plötzlich sah er sich von mehreren schwarzen Rittern umringt. Er sprang auf die Füße, tauchte unter einer niedersausenden Klinge hindurch und rannte, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war. Er rannte, schlug einen Haken und warf sich durch eine Tür. Ein kurzer, gewundener Gang nahm ihn auf. Dann eine steile Treppe, die vor einer verschlossenen Tür endete. Kim erreichte mit einem federnden Satz die oberste Stufe und wirbelte um seine Achse. Sein Schwert krachte mit der Breitseite gegen den Helm eines Verfolgers. Der Ritter wurde von der Wucht des Schlages zurückgeworfen. Er stürzte rücklings die Treppe hinunter und riß die Nachstürmenden mit sich. Für einen kurzen Moment war die Treppe von einem Knäuel ineinander verkeilter Leiber und Rüstungen blockiert.

Kim machte sich erfolglos am Schloß zu schaffen und sprengte die Tür schließlich mit einem verzweifelten Schlag auf.

Die Verfolger brachen in wütendes Geheul aus, als sie sahen, daß ihr schon sicher geglaubtes Opfer abermals zu entkommen drohte. Eine Flutwelle aus schwarzem Metall schien sich die Treppe hinauf zu ergießen.

Kim rannte weiter. Seine Kräfte begannen nachzulassen, und das Schwert in seiner Hand schien mit jeder Sekunde schwerer zu werden. Er hetzte um Ecken, stürzte durch Türen und durchquerte große, leere Säle.

Und dann plötzlich war er allein. Der Gang hinter ihm war leer, und das einzige Geräusch war sein eigener keuchender Atem.

Kim blieb erschöpft stehen. Für einen Moment begann sich alles um ihn zu drehen. Er ließ sich gegen die Wand sinken und rang keuchend nach Atem. Sein Herz pumpte so schnell, daß es schmerzte, und in seinen Ohren rauschte das Blut. Gewaltsam öffnete er die Augen, blinzelte die Tränen fort, sah sich mißtrauisch um und lief weiter. Für den Augenblick hatte er die Verfolger abgeschüttelt. Aber das bedeutete noch lange nicht, daß er in Sicherheit war. Boraas würde die Burg bis in den letzten Winkel durchsuchen lassen, sobald er von seiner Flucht erfuhr.

Bei dem Gedanken an den Magier erfaßte ihn kalte, berechnende Wut. Ein Gefühl, das er nie zuvor gekannt hatte, begann in ihm emporzukriechen, seine Seele zu vergiften und wie ein schleichendes Raubtier die Krallen in seine Gedanken zu schlagen. Kim begriff, daß er zum ersten Mal, seit er denken konnte, jemanden aus tiefster Seele haßte. Boraas hatte viel über den Haß geredet, aber für Kim war das Wort bisher nicht viel mehr als eine leere Hülle gewesen. Und mit dem Haß kam auch das Wissen, daß Boraas' Prophezeiung richtig war. Dieser Haß würde ihn auffressen, ihn selbst zu einem Geschöpf der Nacht werden lassen, wenn er sich ihm hingab.

Er mußte hier heraus, koste es, was es wolle.

Wieder tauchte eine Tür vor ihm auf. Kim lauschte mit angehaltenem Atem und drückte dann vorsichtig die Klinke herunter. Die rostigen Scharniere quietschten, daß Kim meinte, das Geräusch müßte in der ganzen Burg zu hören sein. Hinter der Tür lag ein weiterer leerer Raum. Offensichtlich, so dachte Kim, bestand Morgon aus lauter Gängen, die von einem leeren Saal zum anderen führten. Er schlüpfte durch die Tür, schob sie hinter sich zu und sah sich ängstlich um. Der Raum war nicht völlig leer - an einer Wand hing ein riesiger, goldgefaßter Spiegel, und auf den schwarzen Fliesen davor war eine komplizierte, an einen fünfzackigen Stern erinnernde Figur aufgezeichnet. Durch ein Fenster an der Südseite flutete Sonnenlicht herein.

Kim verriegelte die Tür hinter sich, sah sich noch einmal nach allen Seiten um und lief dann geduckt auf das Fenster zu.

Sein Blick fiel in den Spiegel. Das Bild, das er ihm zeigte, war düster und unheimlich, wie alles auf Morgon. Das Glas des Spiegels war schwarz. Kims Gestalt zeichnete sich darin als undeutlicher, huschender Schatten ab, und sogar der glänzende Goldrahmen schien das hereinfallende Sonnenlicht aufzusaugen, statt es zu reflektieren.

Plötzlich ergriff ihn heftiges Schwindelgefühl. Er stolperte, fiel der Länge nach hin und blieb einen Augenblick benommen liegen. Übelkeit stieg in ihm hoch, und er hatte das Empfinden, als griffe eine unsichtbare, kalte Hand nach seinen Gedanken. Er stemmte sich stöhnend hoch, schüttelte den Kopf und tastete halb blind nach dem Schwert. Die Waffe schien Zentner zu wiegen. Er kam mühsam auf die Füße, wankte zum Fenster und ließ sich, von einem neuerlichen Schwächeanfall überwältigt, auf die Brüstung sinken. Er klammerte sich am Fenstersims fest, zog sich unter Aufbietung aller Kräfte hoch und blickte hinaus.

Die Mauer der Burg stürzte unter ihm mindestens zehn Meter senkrecht in die Tiefe. Dort unten lauerte ein Haifischgebiß aus Felsen und Graten. Aber direkt unter dem Fenster, am Fuße der schwarzen Mauer, war ein kleines, sichelförmiges Stück glatten sandigen Bodens.

Kim hatte keine Wahl. Wahrscheinlich würde er den Sturz aus dieser Höhe nicht überleben. Aber dieses Schicksal erschien ihm immer noch gnädiger als das, welches ihm Boraas zugedacht hatte.

Er warf sein Schwert in die Tiefe, stemmte sich hoch und ließ sich mit einem lautlosen Seufzer über die Brüstung fallen.

V

Der Aufprall betäubte ihn. Er hatte noch versucht, sich abzurollen, um den Sturz etwas zu mildern, aber seine Reaktion kam zu spät. Er schlug mit fürchterlicher Gewalt auf dem Boden auf, prallte gegen die Burgmauer und verlor das Bewußtsein.

Die Sonne stand hoch im Zenit, als er erwachte. Sein rechter Arm schmerzte unerträglich und schien gebrochen. Sein Kopf dröhnte. Er hatte sich auf die Zunge gebissen. Sein Mund war voll Blut, und seine Stirn fühlte sich heiß an.

Kim öffnete die Augen, blinzelte in die grelle Sonne und wandte stöhnend das Gesicht ab. Er lag lang ausgestreckt am Fuße der Mauer. Der schwarze Stein strebte über ihm senkrecht empor, und das Fenster, aus dem er hinabgesprungen war, erschien ihm unendlich weit entfernt.

Sekundenlang lag er einfach still da und wunderte sich, daß er noch lebte. Dann wälzte er sich herum, betastete den schmerzenden Arm und fuhr mit den Fingerspitzen über den Rand der tiefen Rißwunde, die sich vom Ellbogengelenk bis zur Handwurzel hinabzog. Es tat weh, aber der Knochen schien nicht gebrochen zu sein. Kim biß die Zähne zusammen, ballte versuchsweise die Faust und setzte sich dann vorsichtig an der Mauer auf. Obwohl die Sonne vom Himmel brannte und die Wand schon den ganzen Tag über beschienen hatte, fühlte sich der Stein in Kims Rücken kalt an.

Ein leises Geräusch erweckte seine Aufmerksamkeit. Kim schloß die Augen, konzentrierte sich und lauschte. Stimmen. Irgendwo über ihm waren Stimmen. Aufgeregte Stimmen, die wild durcheinanderriefen. Ein Kommando wurde gebrüllt, dann hörte er etwas, was ihn an das Trappeln vieler schwerer Stiefel erinnerte.

Sie suchen mich, dachte er grimmig. Die Burg befand sich in hellem Aufruhr. Trotz allem konnte Kim sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Boraas würde toben. Wahrscheinlich scheuchte er seine schwarzen Sklaven jetzt wie eine Herde Hühner vor sich her durch die Gänge und Stollen der Burg.