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Kim schwang sein Schwert und warf sich, Gorgs Warnung mißachtend, in den Kampf. Ein schwarzer Ritter fiel unter seinem Streich, ein zweiter stürzte, von der Kante seines Schildes getroffen, rückwärts und verschwand mit einem gellenden Schrei in einer jäh aufklaffenden Spalte. Neben ihm kämpfte Priwinn waffenlos, mit bloßen Händen und Füßen. Er schien dabei übernatürliche Kräfte zu entwickeln, denn wie wäre es ihm sonst möglich gewesen, auch nur einem der Angreifer standzuhalten.

Dennoch, ohne den Drachen wären sie rettungslos verloren gewesen. Rangarig kämpfte mit verbissener Wut. Mit jedem Schwanzschlag schleuderte er ein Dutzend Gegner beiseite, brachte Felsen zum Bersten und riß in Sekunden eine Bresche in die Phalanx der Feinde. Gegen seinen Willen mußte Kim beinah den Mut der schwarzen Reiter bewundern, die sich dem riesigen Drachen mit Todesverachtung entgegenwarfen und mit ihren schwarzen Schwertern auf seine goldenen Schuppen einhieben, ohne ihn ernsthaft verletzen zu können.

»Paß auf!« brüllte Gorg. »Über dir!«

Kim riß instinktiv den Schild hoch und taumelte zurück, als sich ein halbes Dutzend armlanger Pfeile in das Holz bohrte. Eine Abteilung schwarzer Ritter war auf ein schmales seitliches Felsband hinaufgestiegen und nahm sie nun von dort aus unter Beschuß. Kelhim brüllte zornig auf, als sich ein Pfeil in seine Schulter bohrte. Gorg entging mit einem verzweifelten Satz knapp einem Hagel der tödlichen Geschosse, der plötzlich auf ihn herunterprasselte.

Kim schloß geblendet die Augen, als Rangarig den Kopf hob und eine grelle Feuergarbe gegen die Wand schleuderte. Eine Hitzewelle fegte durch die Klamm, daß Kim und Priwinn entsetzt aufschrien und in einer Felsspalte Schutz suchten. Als sich die Glut verzogen hatte, war von den Bogenschützen nichts mehr zu sehen.

»Los jetzt!« rief Priwinn. Er sprang vor, riß Kim mit sich und rannte auf den Drachen zu. Kelhim und Gorg kamen von der anderen Seite, und gemeinsam stürmten sie weiter. Rangarigs Feuerstrahl schien den Kampfesmut der Schwarzen gebrochen zu haben. Trotzdem schnellten immer wieder massige Schatten zwischen den Felsen hoch und griffen mit zäher Wut an.

Dann waren sie durch. Die Krieger verschwanden wie ein böser Spuk, und nur das Knacken des glühenden Felsens und Kelhims unterdrückte Schmerzenslaute verrieten, daß dies kein Alptraum gewesen war, sondern der Kampf wirklich stattgefunden hatte.

»Weiter!« drängte Rangarig. »Sie werden nicht lange brauchen, um sich von ihrem Schrecken zu erholen. Noch einmal können wir sie nicht überrumpeln.«

Sie liefen weiter. Kelhim humpelte. Er stöhnte hin und wieder leise auf, hielt aber tapfer durch, bis sie eine weitere Biegung erreichten und endlich eine Pause einlegten.

Erschöpft ließen sie sich zu Boden sinken. Sogar Rangarigs Atem ging rasselnd und merklich schneller. Als Kim sich den Drachen näher besah, stellte er fest, daß viele seiner goldschimmernden Schuppen losgerissen oder zerbrochen waren. Blut sickerte aus unzähligen winzigen Wunden, und sein rechtes Auge blinzelte ununterbrochen.

»Du bist verletzt!« sagte Kim erschrocken.

Rangarig schnaubte. »Ein paar Kratzer, mehr nicht. Kein Grund zur Besorgnis. Kümmert euch lieber um Kelhim. Ich gebe derweil acht, daß uns keiner folgt.« Er machte kehrt, watschelte ein paar Meter die Klamm zurück und ließ sich dicht hinter der Biegung nieder.

Kim kroch auf Händen und Knien zu Gorg und Priwinn hinüber, die sich bereits um den verwundeten Bären bemühten. Priwinn machte sich mit geschickten Fingern an seiner Schulter zu schaffen. Gorg mußte seine ganze Kraft aufwenden, um den Bären, der vor Schmerzen blind um sich zu schlagen begann, niederzuhalten.

»Hilf mir!« keuchte Priwinn. Kim griff zu, und mit vereinten Kräften gelang es ihnen schließlich, den Pfeil aus Kelhims Schulter zu ziehen. Kim stöhnte, als er das Geschoß sah. Es war tief in Kelhims Schulter eingedrungen, und die Spitze war breit und voller Widerhaken.

»Dankenswerterweise haben die Schwarzen nicht die Angewohnheit, ihre Pfeile zu vergiften«, brummte Gorg, der vorsichtig Kelhims Tatzen losließ und sich aufrichtete. »Der Bursche hat Glück gehabt. Und wir auch. Fast mehr, als uns zukommt.«

»Das war kein Glück«, warf Rangarig ein. »So viele von der Sorte können gar nicht kommen, daß ich nicht mit ihnen fertig werde.«

Gorg lächelte, verzichtete aber ausnahmsweise auf eine spitze Antwort. Er hockte sich neben dem Bären auf den Boden und legte die Hand auf dessen gesunde Schulter. »Glaubst du, daß du gehen kannst?« fragte er.

Kelhim brummte. »Natürlich«, sagte er mit rauher Stimme. »So ein Zahnstocher wirft mich nicht um. Laß mich eine Stunde ruhen, dann...«

»Das geht nicht«, unterbrach ihn Gorg sanft. »Wir müssen sofort weiter. Wir brauchen einen größeren Vorsprung.« Er legte den Kopf in den Nacken und schaute zum Himmel hinauf, der nur noch als schmaler blauer Streifen zwischen den Wänden der Klamm sichtbar war. »Die Schlucht ist hier nicht breit genug«, sagte er besorgt. »Wenn sie auf die Idee kommen, uns von oben mit Felsen zu bewerfen, ist es aus.«

»Aber er braucht Ruhe«, warf Kim ein.

»Ich weiß, Junge, ich weiß«, antwortete Gorg gepreßt. »Aber es geht nicht. Sie werden uns töten, wenn wir noch lange hierbleiben. Baron Kart ist nicht dumm. Ganz und gar nicht.«

Baron Kart... Ein Schauer lief über Kims Rücken. »Hast du ihn... gesehen?« fragte er.

»Ja. Ich hätte ihm gerne den schwarzen Hals umgedreht, aber er war zu weit weg.«

»Was nicht ist, kann ja noch werden«, brummte Kelhim. Er wälzte sich herum, stemmte sich mühsam hoch und stand, wenn auch schwankend, auf allen vieren.

Rangarig kam geräuschvoll angefaucht. »Nichts zu sehen«, verkündete er. »Ich glaube, die haben erst einmal genug.«

»Ist es noch weit bis zum Verschwundenen Fluß?« fragte Kim.

Rangarig schüttelte den Kopf. »Vier Stunden... fünf«, verbesserte er sich mit einem raschen Seitenblick auf Kelhim.

Sie gingen weiter. Schon bald war der Rastplatz hinter ihnen verschwunden. Mit Ausnahme eines gelegentlichen leisen Seufzens von Kelhim ließ keiner von ihnen einen Laut vernehmen. Die sonderbare Beklemmung, die Kim schon vorhin im Canyon erfaßt hatte, stellte sich wieder ein, nur viel, viel stärker. Sein Blick irrte angstvoll an den senkrechten, wie poliert aussehenden Felswänden empor, und er spürte, wie die Beklemmung allmählich in ein Gefühl würgender Angst überging. Er war nicht der einzige, dem mulmig zumute war. Auch Gorg sah sich in immer kürzeren Abständen um, nervöse Spannung im Blick, und einen Moment lang glaubte Kim sogar auf den starren Zügen des Drachen Angst zu erkennen. Er begriff, warum man diese Schlucht Klamm der Seelen nannte. Sie war die Heimat der Angst, vielleicht die Angst selbst, die hier auf geheimnisvolle Weise Gestalt angenommen hatte. Eine Angst, der sich keiner entziehen konnte, ob groß oder klein, und die ohne Unterschied über jeden herfiel, der die Klamm betrat. Kims Herz begann zu klopfen, dann zu rasen, und bald mußte er sich zu jedem Schritt zwingen und all seine Willenskraft aufbieten, um nicht herumzufahren und laut schreiend wegzulaufen. Die Zeit schleppte sich quälend dahin, und nach einer Weile hatte Kim einen Zustand erreicht, in dem er fast keines klaren Gedankens mehr fähig, nur noch von abgrundtiefer Angst erfüllt war, beinah selbst zur Angst wurde. Sein Atem ging keuchend, und mehr als einmal taumelte er blind gegen die Wand und fiel der Länge nach hin.

»Es...« keuchte der Drache, »ist... bald... geschafft...« Nach jedem Wort holte er rasselnd Atem, als koste ihn das Sprechen ungeheure Anstrengung.

Kim konnte sich nur damit trösten, daß es ihren Verfolgern wahrscheinlich genauso erging. Aber als er versuchte, sich das schwarze Metallgesicht Baron Karts vorzustellen, kamen ihm Zweifel an dieser Vermutung. Der Baron und seinesgleichen waren Geschöpfe der Nacht, Diener des Bösen. Konnten solche Wesen überhaupt Angst empfinden? War es nicht gerade das, was sie so stark und furchtbar machte - daß die keine Angst kannten?