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»Aber der Schild ist doch auch von euch!«

»Waffen zum Töten und ein Schild, um sich vor ihnen zu schützen, sind doch wohl zweierlei, oder?« gab Priwinn spöttisch zurück. Doch sogleich wurde er wieder ernst. »Ich schlage vor, wir unterhalten uns später darüber. Mir scheint, ich höre etwas.«

Sie traten aus dem Schatten der Felswand hervor und blickten gespannt den Weg hinunter. Gorg kam, keineswegs leise, angestampft.

»Wo ist Kelhim?« flüsterte Kim.

Priwinn deutete stumm hinter sich. Einer der schwarzen Schatten am Wegrand schien ein wenig zu rund und struppig für einen Stein, und bei genauerer Betrachtung gewahrte Kim einen rotglühenden Punkt auf der Höhe von Kelhims Auge. Kim nickte anerkennend. Wenn Baron Karts schwarze Reiter sie wirklich bis hierher verfolgten, würden sie eine böse Überraschung erleben.

Gorg war mit ein paar Schritten bei ihnen. Über seine rechte Schulter hing ein schlaffer, lebloser Körper. Das Gesicht des Riesen zeigte einen zerknirschten Ausdruck.

»Brobing!« rief Priwinn, als er den Mann erkannte.

Gorg lud den Bauern behutsam ab und trat einen halben Schritt zurück. Kim kniete nieder, befühlte Gesicht und Hals des Bewußtlosen und atmete erleichtert auf. Auf Brobings Hinterkopf prangte eine mächtige Beule, aber er atmete, und als ihm Kim eine Handvoll Wasser ins Gesicht schöpfte, öffnete er stöhnend die Augen.

»Was hast du mit ihm gemacht, Gorg?«

Der Riese drehte verlegen die Daumen. »Es... es tut mir leid...« stammelte er. »Aber er kam so dahergeschlichen, und in dem schlechten Licht... ich habe ihn nur gestreichelt, ehrlich, ich...«

»Schon gut. Er kommt ja schon wieder zu sich.«

Brobing griff sich an den Kopf und zuckte zusammen.

Priwinn beugte sich über ihn. »Was hast du dir nur dabei gedacht, uns zu folgen«, sagte er vorwurfsvoll. »Gorg hätte dir fast den Schädel eingeschlagen, weil er dich für einen Schwarzen hielt.«

Brobing stöhnte wieder. Er setzte sich mühsam auf und hielt sich den Kopf.

»Weg...« preßte er hervor. »Ihr müßt... fliehen. Ich... ich kam, um euch zu warnen.«

»Warnen? Wovor?«

»Vor den schwarzen Reitern. Sie verfolgen euch.«

»Das haben wir gemerkt«, grollte Kelhim, der aus seinem Hinterhalt getrottet kam und den Bauern kopfschüttelnd betrachtete. »Sie waren schon vor uns in der Klamm und haben uns erwartet. Aber wir haben ihre Pläne ein klein wenig durchkreuzt.«

Brobing schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht, Kelhim. Ich... Als ihr aufgebrochen wart«, sagte er, »da machten wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Unterschlupf für die kommende Woche. Wir waren noch nicht weit gekommen, als ich ein verdächtiges Geräusch hörte. Ich hieß meine Familie, sich zu verstecken, und folgte dem Lärm. Es war eine ganze Armee schwarzer Reiter.«

»Wie viele genau?« fragte Gorg.

»Ich weiß nicht. Wohl an die fünfhundert, vielleicht mehr. Sie befanden sich auf dem Weg zur Klamm...«

»Fünfhundert!« rief Gorg erschrocken.

»Dann waren die in der Klamm also nur die Vorhut«, stellte Kelhim sachlich fest.

»Wahrscheinlich«, sagte Brobing. »Jedenfalls kehrte ich daraufhin zu meiner Familie zurück, um zu beraten, was zu tun sei. Wir kamen überein, daß wir euch warnen müßten. Ich brachte die Meinen in ein sicheres Versteck in den Bergen und machte mich auf den Weg.«

»Aber wie bist du an Kart vorbeigekommen?« fragte Priwinn. »Und am Tatzelwurm?«

»Gar nicht«, gestand Brobing. »Jedenfalls nicht direkt. Ich hatte Glück, dem schwarzen Baron nicht persönlich in die Arme zu laufen. In der Klamm herrschte große Aufregung. Allem Anschein nach hatte ein Kampf stattgefunden. Die Schwarzen mußten große Verluste erlitten haben, aber es war für mich unmöglich, an ihnen vorbeizukommen. So suchte ich mir ein Versteck und wartete, bis der Haupttrupp angekommen war. Als sie weiterzogen, folgte ich ihnen in sicherem Abstand. Ich hoffte, später eine Gelegenheit zu finden, sie abzuhängen.«

»Und weiter?« fragte Gorg.

»Die Reiter erreichten den Verlorenen See«, berichtete Brobing, »und griffen den Tatzelwurm an.«

»Ist das dein Ernst?«

»Ja«, sagte Brobing. »Der Kampf war fürchterlich. Die schwarzen Reiter hatten riesige Katapulte mitgebracht, mit denen sie große Pfeile und Felsbrocken nach dem Ungeheuer schleuderten, aber die Geschosse zerbrachen an ihm wie Zunder. Und dann ging der Tatzelwurm zum Gegenangriff über.«

»Hast du irgendeine Spur von Rangarig gesehen?« fragte Kim leise.

Brobing sah ihn traurig an. »Nein, nicht die geringste. Es tut mir leid.«

»Was geschah weiter?« drängte Gorg.

»Der Kampf dauerte wohl länger als eine Stunde«, erzählte Brobing, »und viele der schwarzen Reiter haben ihn mit dem Leben bezahlt. Aber schließlich erlag der Tatzelwurm der Übermacht. Sie töteten ihn, und der Rest des Heeres zog weiter. Am Ufer des Verlorenen Sees schlugen sie ihr Nachtlager auf. Ich wartete bis nach Einbruch der Dunkelheit, dann stieg ich ins Wasser und schwamm an ihnen vorbei in die Höhle.«

»Ein riskantes Wagnis.«

Brobing winkte ab. »Nicht so riskant, wie es scheint. Die Reiter fühlten sich sicher, und die Wachen schliefen ebenso tief wie alle anderen. Wer sollte sie auch an diesem Ort angreifen. Ich kam unbehelligt vorbei und folgte dem Fluß, und nun bin ich hier.«

Gorg seufzte. »Ja, nun bist du hier. Wie weit sind die anderen zurück?«

»Nur wenige Stunden, fürchte ich«, antwortete Brobing bedrückt. »Ich habe mich einmal in den Höhlen verirrt und fand nur mit Mühe wieder auf den richtigen Weg zurück«, fügte er wie zur Entschuldigung hinzu.

»Und wir haben uns zu sicher gefühlt und unnütz Zeit vertrödelt«, grollte Gorg. »Wir müssen sofort weiter!« Er starrte mit zusammengekniffenen Augen den Fluß hinauf, als erwarte er jeden Augenblick, die Verfolger auftauchen zu sehen.

»Wir danken dir, daß du es gewagt hast, uns zu folgen, um uns zu warnen«, sagte Kim. »Du hast uns vielleicht das Leben gerettet.«

Brobing lächelte verlegen. »Ihr habt euer Leben riskiert, um das unsere zu retten«, erinnerte er ihn. Er stand auf, ging zum Flußufer hinüber und tauchte die Handgelenke ins eisige Wasser.

»Wie viele sind es jetzt noch, die uns folgen?« fragte Priwinn, nachdem Brobing sich erfrischt hatte und prustend vom Wasser zurückkam.

»Der Kampf mit dem Tatzelwurm hat schwere Opfer von ihnen gefordert. Trotzdem - über hundert werden es wohl noch sein«, sagte er nach kurzem Überlegen.

»Worauf warten wir noch?« sagte Gorg. »Los, gehen wir. Je eher wir aus diesen Höhlen heraus sind, desto besser.«

Sie brachen auf. Kelhim, der von ihnen allen wohl die schärfsten Sinne hatte, bildete den Schluß. Der Gedanke an die Verfolger, die vielleicht schon dicht hinter ihnen waren, spornte sie zu raschem Tempo an. Das Flußbett verengte sich allmählich wieder, und die Strömung nahm zu. Noch einmal mußten sie über eine steile, mit Schutt und Geröll bedeckte Rampe nach unten klettern, ehe sie schließlich in einer riesigen, domartigen Höhle standen, an deren jenseitigem Ende ein winziger grauer Fleck leuchtete. Tageslicht.

Kim stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Bis zum anderen Ende der Höhle mochten es noch zwei, vielleicht auch drei Stunden Fußmarsch sein. Nach allem, was sie überstanden hatten, war dies eine vergleichsweise lächerliche Anstrengung. Sie blieben stehen und warteten auf Kelhim, der freiwillig zurückgeblieben war, um nach den schwarzen Reitern auszuschauen.

»Geschafft!« sagte Priwinn. »Ich habe nicht mehr daran geglaubt, je wieder den Himmel und die Sonne zu sehen.«

Kim verstand Priwinn nur zu gut. Er selbst empfand ähnlich, und auch in Gorgs Augen blitzte es freudig auf, als er zum ersten Mal seit Tagen wieder Licht sah, natürliches Licht, nicht diesen kränklichen, grauen Schimmer, der aus Wänden und Decke zu sickern schien.