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Kelhim zerrte Kim grob auf die Füße, drehte ihn um und gab ihm einen Stoß in den Rücken, der Kim vorwärts taumeln ließ.

»Weiter!« befahl der Bär. »Ihr müßt weitergehen! Ihr dürft nicht liegenbleiben. Ihr müßt weiter! Weiter!«

Kim brach nach wenigen Schritten wieder in die Knie, aber Kelhim trieb ihn und auch die anderen unbarmherzig weiter. Kims Kleider waren schwer von Wasser, und er hatte das Gefühl, als ob die Feuchtigkeit in seiner Rüstung allmählich erstarrte und seinen Körper mit einem tödlichen Eispanzer umgäbe.

Kims Herz hämmerte, als wollte es zerspringen. Vor seinen Augen zogen Nebelschleier auf und ab, und die Luft schien sich bei jedem Atemzug in seinem Hals in flüssiges Feuer zu verwandeln, das seine Lungen verbrannte. Aber er lief weiter, getrieben von einer Kraft, die er sich selbst nicht erklären konnte. Und die Bewegung tat, wenn auch langsam und unter fast unerträglichen Schmerzen, ihre Wirkung. Allmählich kehrte das Leben in seinen Körper zurück, zuerst als Kribbeln und Stechen in den Finger- und Zehenspitzen, dann als heißer, tobender Schmerz. Die Nebel vor seinen Augen lichteten sich, und er konnte von seiner Umgebung mehr als nur verschwommene Umrisse erkennen.

Die Landschaft war von eintönigem, konturlosem Weiß. Es gab nichts, keine Unebenheit, keinen Baum oder Strauch oder wenigstens einen Felsen, an dem der Blick sich hätte festhalten können. Der Horizont verschwamm im Nebel, und nur manchmal glaubte Kim in den treibenden, weißgrauen Schwaden die Umrisse eines riesigen, bizarren Gebäudes zu erkennen. Aber das Bild verschwand regelmäßig, bevor er sich wirklich darauf konzentrieren konnte.

Plötzlich blieb Brobing stehen und deutete mit schreckgeweiteten Augen in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Kim kniff die Augen zusammen, um über die gleißende Eisfläche zu schauen, und prallte entsetzt zurück.

Eine Anzahl winziger schwarzer Punkte zeichnete sich auf dem Eis ab.

»Das ist das Ende!« murmelte Brobing.

Kelhim fuhr wütend auf. »Nichts da! Weiter!« Er setzte sich in Bewegung, tappte ein paar Schritte über das Eis und blieb verdutzt stehen. Keiner machte Anstalten, ihm zu folgen. »Kommt schon!« drängte er. »Wir müssen fliehen!«

Ado schüttelte entschieden den Kopf. »Es ist zwecklos, Bär«, sagte er. »Wir vergeuden nur unsere Kräfte. Es gibt nichts, wohin wir fliehen könnten.«

Kelhim setzte zu einer energischen Antwort an, verzichtete dann aber darauf. Statt dessen blickte er nachdenklich über die endlose Eisfläche, die sie umgab. Der junge Tümpelkönig hatte recht. Die Eisige Einöde bot kein Versteck, nichts, wo sie sich hätten verbergen oder verschanzen können. »Stimmt«, brummte er. »Diesmal werden wir wohl kämpfen müssen.«

Kim nickte. Langsam, mit Bedacht zog er die schwarze Klinge aus der Scheide, packte den Schild fester und blickte den näher kommenden Reitern entgegen, bereit für den letzten, entscheidenden Kampf.

XVII

Es waren sieben. Sechs schlanke, hochragende Gestalten in schimmerndem Schwarz, Bogen und Pfeile kampfbereit in der Faust. Und an ihrer Spitze, gigantisch und drohend und als einziger mit einem großen schwarzen Morgenstern bewaffnet, Baron Kart. Tief über den Hals ihrer Pferde gebeugt, preschten die schwarzen Todesboten heran, noch dreihundert, noch zweihundert Meter entfernt, und mit jedem Augenblick wurde der Abstand geringer.

Kim packte sein Schwert fester. Die schwarze Klinge schien in seinen Händen zu vibrieren. Kim brauchte eine Weile, ehe er merkte, daß er selbst es war, der zitterte, nicht vor Angst oder Kälte, sondern vor Erregung. Neben ihm bereitete sich Priwinn auf den Zusammenstoß vor. Seine Augen waren geschlossen, der Körper seltsam entspannt. Und hinter ihm richtete sich Kelhim langsam auf die Hinterbeine auf und nahm die für Bären typische Kampfhaltung ein. Gerade aufgerichtet, beide Vordertatzen vorgestreckt, überragte er selbst die schwarzen Reiter auf ihren Pferden noch um ein gutes Stück.

Kim blickte den näherkommenden Reitern gefaßt entgegen. Zu einem anderen Zeitpunkt wären sie leicht mit ihnen fertig geworden. Es waren nur sieben, und Kelhim allein wog vier oder fünf von ihnen auf. Brobing und Priwinn hatte Kim bereits im Kampf erlebt und wußte, was ihnen zuzutrauen war, und auch er selbst hatte mit Schild und Schwert umzugehen gelernt. Aber diesmal waren die Karten schlecht verteilt. Auch wenn Kelhim sich alle Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen, machte ihm seine Verletzung doch schwer zu schaffen; Ado war in keiner Weise für einen Kampf auf Leben und Tod gerüstet, und auf dem offenen, deckungslosen Gelände waren ihnen die Reiter mit ihren Pferden weit überlegen.

Fast als wäre dieser Gedanke das Signal zum Angriff gewesen, teilte sich jetzt die Reihe der herangaloppierenden Reiter. Je drei scherten nach rechts und links aus, um von beiden Seiten anzugreifen. Nur Baron Kart ritt auf seinem riesigen Pferd direkt auf Kim zu. Ein Hagel schwarzer Pfeile sirrte durch die Luft. Kim warf sich mit seinem Schild schützend vor Ado und fing eines der tödlichen Geschosse auf. Der Anprall ließ ihn zurücktaumeln. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Priwinn sich unter einem heranzischenden Pfeil wegduckte. Baron Kart riß mit einem gellenden Schrei seine Waffe empor. Die stachelbewehrte Kugel am Ende der armlangen Kette begann zu rotieren und bildete einen singenden, tödlichen Kreis.

Aber er kam nicht dazu, den Schlag zu führen.

Irgend etwas geschah mit dem Licht. Es wurde gelb, flackerte einen Moment und sank dann zu einem sanften Glühen herab. Von einem Augenblick zum anderen kam Nebel auf, und die Kälte schien sich zu verdichten.

»Halt!«

Die Stimme dröhnte in ihren Köpfen, ihren Körpern, im Eis und der Luft, ein Befehl von solch gebieterischer Macht, daß Kim unwillkürlich sein Schwert fallen ließ und die Hände vor die Ohren schlug. Zwei, drei der schwarzen Reiter stürzten aus den Sätteln, als sich ihre Tiere erschrocken aufbäumten, und auch der schwarze Baron hielt sich nur noch mit Mühe im Sattel. Die geordnete Angriffsformation der Reiter löste sich binnen Sekunden in Chaos auf.

Kim fuhr erschrocken herum, als er die Bewegung sah. Ein riesiger Schatten tauchte aus dem Nebel auf. Die treibenden Schwaden teilten sich, und ein hünenhafter weißer Reiter drängte sich zwischen die Kämpfenden.

Kim betrachtete den Fremden mit einer Mischung aus Bewunderung und Furcht. Roß und Reiter waren vollkommen weiß, von der gleichen, milchigen Farbe wie das Eis, über das sie seit Stunden gelaufen waren. Der Mann war in dicke Pelze und schenkellange, fellgefütterte Lederstiefel gekleidet, und auch sein Tier wurde durch einen weißen Fellüberhang gegen die grimmige Kälte geschützt. Der Mann war riesig, nicht sosehr aufgrund seiner Körpergröße, obwohl er wirklich sehr groß war; viel mehr noch durch seine Ausstrahlung, jene Aura unerschütterlicher Überlegenheit und Kraft, die ihn wie ein unsichtbarer Schild umgab. Er wäre ein würdiger Gegner für Gorg gewesen, dachte Kim mit einem Anflug von Wehmut.

Die schwarzen Reiter formierten sich wieder. Baron Kart hatte sein Tier unter Kontrolle gebracht, und auch die Gestürzten kletterten rasch wieder in die Sättel und reihten sich hinter ihrem Anführer auf.

»Geh aus dem Weg«, zischte Kart. Seine Stimme klang sogar noch in dieser Umgebung eiskalt.

Der Eisriese schüttelte mit Bestimmtheit den Kopf. »Nein. Es wird keinen Kampf geben, Kart. Nicht hier.«

Kart warf zornig den Kopf zurück und rief einen scharfen Befehl. Zwei seiner Reiter rissen die Pferde herum, zogen ihre Waffen und galoppierten auf den weißen Riesen zu. Dieser wartete gelassen, bis die beiden Reiter heran waren, und hob dann die Hand. Ein zweifacher, gellender Aufschrei zerriß die Luft. Pferde und Reiter stürzten wie vom Blitz gefällt nieder und blieben reglos liegen. Ihre Körper überzogen sich augenblicklich mit Eis.