Выбрать главу

»Nein«, antwortete Vater. »Das verstehe ich nicht. Wieso mußtest du dorthin - wie ein Verrückter und ohne deiner Mutter auch nur ein Wort zu sagen?«

»Nun, ich...«

Das Läuten der Türglocke bewahrte Kim davor, eine weitere Ausrede stammeln zu müssen, die den Ärger seines Vaters wahrscheinlich noch geschürt hätte. Die Eltern tauschten einen überraschten Blick, der klarmachte, daß sie nicht mit Besuch gerechnet hatten. Dann zuckte Vater mit den Schultern, stand auf und ging mit raschen Schritten aus dem Zimmer.

Kim blickte ihm verwirrt nach, nutzte aber dann die Gelegenheit, dem Fernsehfilm weiter zu folgen. Die Roboter hatten inzwischen die menschlichen Verteidiger überrannt und setzten zum letzten Sturm auf deren Festung an: einen gewaltigen Turm aus blauem, vielfach unterteiltem Kristall, in den ihre Laserwaffen mehr und mehr häßliche Löcher hineinschmolzen.

Vater kam zurück, und nicht allein. In seiner Begleitung befanden sich ein Polizeibeamter in grüner Uniform - ein vielleicht fünfzigjähriger, grauhaariger Mann, dem man den Kriminalbeamten so deutlich ansah, als wäre sein Beruf in roten Lettern auf seine Stirn tätowiert - und der Professor aus dem Krankenhaus.

Kim starrte besonders den Arzt völlig verdattert - und mit einem geradezu explodierenden Gefühl des Unbehagens - an, ehe sein Vater mit einem übertriebenen Räuspern seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zog.

»Wir haben Besuch«, sagte er überflüssigerweise. »Professor Halserburg kennt ihr ja. Und das ist Hauptkommissar Gerber von der Kriminalpolizei«, fügte er mit einer erklärenden Geste auf den Grauhaarigen hinzu. Er tauschte einen schnellen, beruhigenden Blick mit Mutter, die beim Anblick des Polizisten um mehrere Grade blasser geworden war und stocksteif in ihrem Sessel saß, dann wandte er sich wieder Kim zu.

»Der Herr Kommissar hat ein paar Fragen an dich, mein Sohn.«

»An ... mich?« stotterte Kim. Völlig verständnislos starrte er den Kriminalbeamten an. »Aber ich habe doch gar nichts -«

»Nur keine Aufregung, mein Junge«, unterbrach ihn Gerber. Auf seinem Gesicht erschien ein freundliches, durch und durch echtes Lächeln, das in krassem Gegensatz zu seiner sonstigen Erscheinung stand. Ohne eine entsprechende Einladung abzuwarten, setzte er sich Kim gegenüber in den Sessel und fuhr fort: »Wir sind nicht hier, weil du etwas getan hast. Ich möchte dir nur ein paar Fragen stellen.«

»Fragen?« echote Kim. »Aber ich weiß doch gar nichts.«

»Nun, warten wir ab«, meinte Gerber lächelnd. Aber jetzt wirkte das Lächeln nicht mehr ganz echt. Kim hatte plötzlich das Gefühl, daß er sehr, sehr vorsichtig sein sollte, mit dem, was er sagte.

»Möchten Sie ... einen Kaffee?« warf seine Mutter unsicher ein. Es war ihr anzusehen, wie unwohl sie sich in ihrer Haut fühlte. Die Polizei im Haus! Der Blick, den sie Kim rasch zuwarf, sah nach mindestens einem Monat Stubenarrest aus. Professor Halserburg schüttelte ablehnend den Kopf, während Gerber nickte. »Gern - wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände bereitet, heißt das.«

»Keineswegs.« Mutter stand auf und verschwand mit raschen Schritten in der Küche, ließ die Tür aber offen, so daß sie jedes Wort mithören konnte. Auf dem Fernseher erschien wieder das Bild des Eishockey-Roboters. Sein grünes Leuchtauge schien Kim sehr aufmerksam anzublicken. »Du kannst dir sicher denken, warum wir hier sind, junger Mann«, nahm Gerber das unterbrochene Gespräch wieder auf.

Kim schluckte mühsam. Er wollte antworten, aber alles, was er zustande brachte, war ein mühsames Kopfschütteln. Der Kriminalbeamte deutete auf den Arzt. »Professor Halserburg hat uns erzählt, was heute nachmittag in der Universitätsklinik vorgefallen ist.«

»Ich habe nichts gestohlen«, verteidigte sich Kim. »Ich war nur im Zimmer, aber ich habe nichts -«

»Schon gut«, unterbrach ihn Gerber mit einer beruhigenden Geste. »Und selbst wenn, würde kaum die Kriminalpolizei deshalb hier auftauchen.«

»Warum sagen Sie nicht einfach, was Sie von meinem Sohn wollen«, mischte sich Kims Vater ein. Seine Stimme klang eine Spur schärfer, als es der Situation angemessen schien. Offensichtlich war auch er nervös.

Gerber wandte sich ihm zu und blickte ihn einen Augenblick lang schweigend an. »Nur eine Auskunft, mehr nicht«, antwortete er schließlich.

»Es geht um diesen Jungen, nicht wahr?« vermutete Vater. Er setzte sich ebenfalls, machte sich aber nicht einmal die Mühe, Halserburg oder dem uniformierten Polizisten einen Platz anzubieten.

Gerber nickte. »Unter anderem.«

»Unter anderem?« staunte Kims Vater.

Es war der Professor, der nun das Wort ergriff. »Es tut mir wirklich leid, wenn wir Ihnen oder Ihrem Sohn Unannehmlichkeiten bereiten«, sagte er. »Aber Kim ist vielleicht unsere einzige Möglichkeit, Antworten auf einige Fragen zu bekommen, die uns schon lange beschäftigen. Und auch die Polizei.« Er machte eine entsprechende Geste zu Gerber hin und fuhr, jetzt an Kim gewandt, fort: »Siehst du, Kim - dieser Junge, der dich so brennend interessierte, ist nicht der erste...«

»Nicht der erste was?« hakte Vater nach. Mutter erschien in der Küchentür und blickte Kim und den Professor mit einer Mischung aus Neugierde und Verblüffung an. Vom Fernseher her verfolgte das grüne Leuchtauge des Roboters die Szene.

»Nicht das erste Kind, das wir in diesem Zustand finden«, fuhr Halserburg fort. »Du hast ihn gesehen, Kim - ihm fehlt nichts. Körperlich, meine ich. Aber er ist völlig katatonisch.«

»Kata- was?« fragte Kim.

Der Professor lächelte flüchtig. »Völlig teilnahmslos«, erklärte er. »Laienhaft ausgedrückt. Er atmet, sein Herz schlägt, und er reagiert auf äußere Reize - Schmerz, Kälte, Hitze. Aber das ist auch alles. Wenn du ihn in eine Ecke stellen würdest, würde er einfach stehenbleiben, bis seine Beine unter ihm nachgeben.«

»Und was hat mein Sohn damit zu tun?« erkundigte sich der Vater.

»Dieser Junge ist nicht der erste, den wir in diesem Zustand finden«, ergänzte Gerber. »In den letzten Wochen haben wir allein in Düsseldorf fast ein Dutzend Kinder in diesem Zustand gefunden. Und das Sonderbare ist - niemand scheint sie zu vermissen. Sie haben keine Papiere bei sich, können nicht reden -«

»Und sie sind alle ein wenig sonderbar gekleidet«, fügte Professor Halserburg hinzu. »So wie der Junge heute nachmittag.«

»Dazu kommt, daß der Krankenwagenfahrer behauptet, der Junge wäre wie aus dem Nichts aufgetaucht.«

»Wie bitte?« fragte Vater.

Kommissar Gerber zuckte mit den Schultern. »Das waren seine Worte. Er behauptet, der Junge wäre plötzlich einfach dagewesen. Er kam nicht von irgendwo dahergerannt. Es fällt mir schwer, das zu glauben, aber der Mann ist bereit, es zu beschwören. Aber - wie gesagt - die Unfallursache ist nicht der Grund, aus dem wir hier sind. Uns geht es hauptsächlich darum, herauszufinden, wo diese Kinder herkommen. Wer sie sind - und was ihnen fehlt.«

»Sind sie denn krank?« fragte Kim - und hätte sich am liebsten gleich selbst auf die Zunge gebissen.

Halserburg zögerte einen Moment. »Das steht zu befürchten«, sagte er. »Ihnen fehlt nichts - auf den ersten Blick. Aber sie scheinen ... in einer Art Trance zu sein. Wir stehen vor einem Rätsel. Und sie werden natürlich immer schwächer. Einige müssen bereits künstlich ernährt werden, und ich weiß nicht, wie lange wir das können.«

»Wir müssen herausfinden, wo sie herkommen«, wiederholte Gerber. »Niemand kennt sie. Und bisher bist du der einzige Mensch, der etwas über sie zu wissen scheint.« Aber das war nicht alles, dachte Kim. Gerber und sein uniformierter Begleiter hatten vielleicht keine Ahnung davon, aber er las in den Augen des Professors, daß dieser keineswegs vergessen hatte, was damals mit Rebekka geschehen war. Ein eisiger Schauer überlief ihn.

»Es scheint ähnlich zu sein wie mit deiner Schwester damals«, sagte Halserburg, als hätte er Kims Gedanken gelesen. Seine Stimme wurde eindringlich. »Wenn du irgend etwas weißt, Kim, dann mußt du es uns sagen. Ganz gleich, was es ist - ich gebe dir mein Ehrenwort, daß alles unter uns bleibt.« Er tauschte einen fragenden Blick mit dem Kriminalbeamten. Gerber nickte.