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»Themistokles?«, rief er.

Keine Antwort. Die Dunkelheit schien den Klang seiner Stimme einfach aufzusaugen. Nicht das geringste Echo kam zurück.

Er rief noch einmal nach Themistokles und bekam auch jetzt keine Antwort, aber nach zwei oder drei Sekunden sagte Sturm hinter ihm: »Du hast auch von ihm geträumt, wie?«

Kim drehte sich halb zu ihm herum. »Ich wollte dich nicht wecken«, sagte er.

»Das hast du nicht.« Sturm winkte ab und kam mit langsamen Schritten näher. »Ich war schon vor dir wach. Ich bin nur nicht aufgestanden um euch nicht zu stören.«

»Was für ein löblicher Vorsatz«, nuschelte die Spinne verschlafen. »Dann wäre es doch nett, wenn ihr zwei Quatschköpfe euren Kaffeeklatsch woanders halten könntet, damit wenigstens einer von uns ausschlafen kann.«

Absurderweise richtete sie sich nach diesen Worten auf und gähnte ausgiebig. Twix rutschte von ihrem Rücken und landete mit einem erschrockenen Piepsen auf dem felsigen Boden und die Spinne fuhr gähnend fort: »Nur falls es euch interessiert: Ich habe auch von ihm geträumt.«

»Ich bin nicht sicher, dass es ein Traum war«, sagte Kim. Er blickte weiter konzentriert in die Dunkelheit hinein, konnte aber noch immer nichts als Schatten erkennen. Sie schienen tiefer geworden zu sein; als zöge sich die Nacht zu einem Belagerungsring um sie herum zusammen.

»Es war ein Traum«, beharrte die Spinne. Mit einem Bein hob sie die Elfe auf, schnüffelte prüfend an ihr und setzte sie dann mit einem enttäuschten Seufzer wieder zu Boden. Twix trat ihr wütend vors Bein und stolzierte mit in den Nacken geworfenem Kopf davon und die Spinne fuhr fort: »So verrückt, freiwillig hierher zu kommen, ist er nicht. Ich kenne nur einen...« Sie verbesserte sich. »... vier, die so bekloppt sind.«

»Fünf«, verbesserte sie Twix aus der Dunkelheit heraus.

»Vier, Schätzchen«, säuselte die Spinne. »Ich bin nicht freiwillig hier. Ich passe auf mein Essen auf.«

Ein daumennagelgroßer Stein kam aus der Nacht geflogen und traf zielsicher zwischen die Augen der Spinne und Kim sagte hastig: »Es kann kein Zufall sein, dass wir alle den gleichen Traum geträumt haben, oder?«

»Wohl kaum«, murmelte Sturm. »Vielleicht hat uns Themistokles auf diese Weise eine Warnung geschickt?«

»Und wovor?«, fragte Kim. Schaudernd strengte er die Augen an, um die Dunkelheit zu durchdringen. Er konnte noch immer nichts sehen, aber da war irgendetwas.

Der Skull?

Nein. Das Gefühl war ... ähnlich. Aber nicht dasselbe.

»Wenn wir sowieso schon wach sind«, schlug die Spinne vor, »können wir genauso gut auch weitergehen. Ich kann sowieso nicht mehr einschlafen. Ich bin zu hungrig dazu.«

Sie klang ein bisschen nervös, fand Kim. Möglicherweise war er nicht der Einzige, der den unheimlichen Hauch spürte, der durch die Nacht zu ihnen wehte.

»Einverstanden«, sagte Sturm. »Je eher wir weitergehen, desto schneller erreichen wir unser Ziel.«

»Was für eine scharfsinnige Feststellung«, spöttelte die Spinne und Twix fügte hinzu: »Das sagt er ja nur, damit sogar du es verstehst.«

»Also gut«, sagte Kim. »Aber seid vorsichtig. Ein einziger Fehltritt kann hier üble Folgen haben.«

»Und erst acht!«, kicherte Twix.

Sie brachen auf. Das Gehen auf dem mit Steinen übersäten Boden war schon tagsüber schwierig genug gewesen. Bei Dunkelheit wurde jeder Schritt zu einem unkalkulierbaren Risiko. Aber sie hatten großes Glück. Mit Ausnahme der Elfe machten sie zwar alle mehrmals unliebsame Bekanntschaft mit dem Boden, kamen aber auch alle mehr oder weniger glimpflich davon. Und nach endlos erscheinenden Stunden begann sich der Himmel über ihnen langsam wieder grau zu färben.

Ihre Umgebung hatte sich zu verändern begonnen, während sie durch die Nacht marschiert waren. Nun, als es hell wurde, sah Kim, dass sie das Schlimmste hinter sich hatten. Zwischen den Felsen lugte hier und da ein blasser Grashalm hervor, manchmal ein Busch oder eine stachelige Blume und vor ihnen, allerhöchstens noch eine halbe Stunde entfernt, erhob sich eine sanft gerundete, baumbestandene Hügelkette.

Der Anblick spornte sie noch einmal an. In raschem Tempo legten sie das letzte Stück Weg zurück, liefen den ersten Hügel hinauf und ließen sich zwischen den Bäumen niedersinken. Kim war nicht einmal sonderlich müde, aber es tat ungemein wohl, wieder einmal Bäume und lebendes Grün zu sehen, statt steinigen Boden und harten Fels.

Der Pack verschwand augenblicklich, wohl um etwas Essbares aufzutreiben, und Kim bat Twix vorauszufliegen, um die nähere Umgebung zu erkunden. So angenehm ihm diese veränderte Landschaft auch war, hatte er noch immer das unheimliche Gefühl, dass etwas da war, was nicht hierher gehörte.

Sie gönnten sich eine wohlverdiente Rast, während sie auf die Rückkehr der Elfe und des Pack warteten. Kim schlief sogar für einen Moment ein, spürte aber sofort das Nahen eines Albtraums und schrak wieder hoch. Er stand auf und ging ein paar Schritte. Zwischen den letzten Bäumen blieb er stehen und sah nach Osten, zu den Bergen hin.

Er konnte sie jetzt nur noch als bloße Schatten erkennen, verschwommene Schatten, die wie ein düsteres Versprechen auf kommendes Unheil vor dem Horizont lasteten und viel weiter entfernt schienen, als sie in Wirklichkeit waren. Es war nicht das erste Mal, dass Kim die Berge so sah. Genau diesem unheimlichen Effekt hatten sie ihren Namen zu verdanken. Aber man konnte sie ansehen, so oft und so lange man wollte - das Bild verlor nichts von seinem Schrecken.

Die Ebene davor schien eine sonnendurchglühte, endlose Einöde aus verbranntem Fels, über der die Luft vor Hitze flimmerte. Es erschien Kim plötzlich fast unglaublich, dass es ihnen gelungen sein sollte, diese Felswüste in einem einzigen Tag und einer Nacht zu durchqueren.

Weit entfernt, vielleicht auf halber Strecke zwischen ihm und den Bergen, bewegte sich etwas. Im ersten Augenblick dachte Kim, es wäre nur eine Täuschung, hervorgerufen durch die hitzeflimmernde Luft und die Entfernung, aber schon beim zweiten Hinsehen erkannte er, dass das nicht so war. Etwas bewegte sich tatsächlich dort draußen. Etwas unvorstellbar Großes ...

»Sturm!«, rief er.

Der sommersprossige Junge stand auf und kam mit schnellen Schritten näher und auch die Spinne trippelte herbei. Kim sagte nichts, sondern deutete nur schweigend nach Osten und für eine Weile blickten sie alle wortlos und besorgt zu den näher kriechenden Schatten hin.

»Zwerge«, sagte Sturm schließlich.

»Bist du sicher?«, fragte Kim. Auf der Ebene war immer noch nichts als eine gewaltige dunkle Masse zu erkennen. »Ganz sicher«, sagte Sturm düster. »Wer die Gastfreundschaft der Zwerge einmal so ausgiebig genossen hat wie ich, der vergisst sie nie wieder.«

Kim blickte auf Sturms Handgelenke. Dank der Elfe waren die Wunden fast vollkommen verheilt, aber er würde wahrscheinlich immer in Erinnerung behalten, was die bösartigen Gnome ihm angetan hatten.

»Aber es sind so ... so viele«, murmelte er.

»Ich schätze, es sind alle«, sagte Sturm. »Sie sind zornig. Meine Eltern haben den größten Teil ihres Reiches zerstört. Sehr viele sind tot. Die Überlebenden sinnen auf Rache.«

»Und wahrscheinlich wissen sie, wer ich bin«, fügte Kim leise hinzu. Er sah die Spinne an. »Du hattest Recht. Es war ein Fehler, den Zwerg laufen zu lassen. Er muss gehört haben, was der Drache gesagt hat.«

»Wir sollten von hier verschwinden«, sagte die Spinne.

Nichts hätte Kim in diesem Moment lieber getan. Trotzdem schüttelte er nach einem kurzen Augenblick den Kopf. »Nein. Wir brauchen eine Pause. Und wir müssen essen.«