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»Ich hätte ihn fressen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte«, maulte sie Spinne.

»Vielleicht«, murmelte Kim. Er schüttelte den Kopf. »Ich verstehe immer weniger, was für ihn so wichtig an der Zauberkugel ist. Er kann doch überhaupt nichts damit anfangen. Ich meine, er ist nicht einmal ein richtiger Magier!«

»Vielleicht hofft er ja, es zu werden«, sagte Sturm.

»Man kann nicht lernen Zauberer zu sein«, sagte die Spinne. »Vielleicht will er ja nur verhindern, dass Themistokles seine alte Macht zurückbekommt. Wenn die Magie erlischt, dann wird bald niemand mehr da sein, der sich seinen Lügen und Täuschungen widersetzt.«

Kim schwieg. Es hatte keinen Sinn, wild herumzuraten. In wenigen Stunden würden sie die Wahrheit wissen.

Oder tot sein.

»Gibt es noch einen anderen Weg?«, fragte er.

Sturm schüttelte erst den Kopf, nickte aber dann. »Ja«, sagte er. »Er ist ein wenig weiter. Und ...«

»Ja?«, fragte Kim, als Sturm nicht weitersprach.

»Wir müssen ein Stück zurück«, sagte Sturm unbehaglich. »Wir könnten den Zwergen nahe kommen. Ich weiß nicht, wie groß unser Vorsprung noch ist.«

»Nicht allzu groß«, sagte Twix. »Sie haben aufgeholt. Wenigstens einige.«

»Und was genau heißt einige?«, erkundigte sich Kim.

»Oh, nicht viele. Kaum ein paar hundert.«

»Wie beruhigend«, murmelte Sturm. »Also los, worauf warten wir noch?«

Sie verfielen in einen schnellen Trab, dann in einen gleichmäßigen, schließlich immer rascheren Galopp, was angesichts der herrschenden Dunkelheit und des immer unwegsamer werdenden Geländes nicht nur riskant war, sondern schier an Wahnsinn grenzte. Trotzdem spornten Kim und Sturm ihre Pferde zu immer größerer Schnelligkeit an. Twix flog ihnen wieder voraus um nach den Zwergen Ausschau zu halten und sie brachte keine guten Nachrichten: Ihre Feinde kamen immer schneller näher, jetzt, wo sie ihnen zu allem Überfluss auch noch entgegenritten. Sturm behauptete zwar nach wie vor, dass sie nun nicht mehr weit von ihrem Ziel entfernt seien, aber Kim blieb skeptisch. Möglicherweise würden sie es schaffen, aber es würde knapp werden, entsetzlich knapp.

Sie sprengten durch ein dichtes Waldstück, setzten in gestrecktem Galopp über einen Bach hinweg und rasten eine mit hüfthohem Gras und Buschwerk bestandene Böschung herab, an deren unterem Ende eine Felsgruppe von bizarrer Form aufragte.

»Die erkenne ich wieder!«, schrie Sturm und begann gleichzeitig aufgeregt zu gestikulieren. »Es ist jetzt nicht mehr weit!«

Ohne ihr Tempo auch nur einen Deut zurückzunehmen, hielten sie auf eine schmale Lücke zwischen den Felsen zu und sprengten hindurch.

Die Ebene auf der anderen Seite war schwarz vor Zwergen.

Kim riss sein Pferd mit einem so harten Ruck zurück, dass das Tier wiehernd auf die Hinterläufe stieg und ihn um ein Haar abgeworfen hätte. Neben ihm brachte Sturm sein Pferd mit einem kaum weniger rüden Manöver zum Stehen und selbst Twix, die bisher genau zwischen ihnen geflogen war, bremste so schnell ab, dass sie ins Taumeln geriet und sich zweimal in der Luft überschlug, ehe es ihr gelang, anzuhalten.

»Ups!«, sagte sie, während sie hastig zu ihnen zurückgeflattert kam. »Da habe ich mich wohl kräftig verschätzt.«

Kim biss die Zähne zusammen und schluckte die scharfe Antwort hinunter, die ihm auf der Zunge lag. Ihm war nicht nach Scherzen zumute. Im schwachen Sternenlicht war es schwer, die Anzahl der Zwerge auch nur zu schätzen, aber es musste wohl so sein, wie Twix gesagt hatte: Es waren nur ein paar hundert. Ein paar hundert zu viel, um es mit ihnen aufzunehmen ...

»Zurück«, sagte er. »Wir müssen einen anderen Weg finden.«

»Ich fürchte, das ... geht nicht«, sagte Sturm gepresst.

Kim drehte sich verwirrt im Sattel um - und erstarrte.

Auch vor dem Waldrand waren Reiter erschienen. Ihre Zahl war noch schwerer zu schätzen als die der Zwerge, da sie mit dem dunklen Hintergrund regelrecht zu verschmelzen schienen, aber es mussten viele sein; vermutlich nicht sehr viel weniger als die Zwerge auf der anderen Seite.

Neben ihnen raschelte es im hohen Gras, dann tauchten ein pelziges Gesicht und ein Stück daneben ein Durcheinander schlanker haariger Beine auf. Der Pack und die Spinne hatten mit ihnen Schritt gehalten, obwohl sie ein wahrhaft mörderisches Tempo vorgelegt hatten. Kim fragte sich für einen Moment vergeblich, wie.

»Was ist?«, fragte die Spinne. »Ich dachte, ihr hättet es eilig. Worauf warten wir?«

Kim deutete auf die Zwerge, die zwei- oder auch dreihundert Meter vor ihnen zu einer erstaunlich geraden, vielfach gestaffelten Schlachtenreihe Aufstellung genommen hatten. Ein ganzer Wald von Speeren deutete in ihre Richtung. »Wir überlegen nur, von wem wir uns lieber umbringen lassen wollen«, sagte er. »Von denen da -« Er drehte sich im Sattel herum und wies zum Waldrand hinauf. »- oder lieber von denen.«

»Oh«, sagte die Spinne. Dann gab sie einen überraschten Laut von sich. »He, Moment mal! Das sind keine -«

Der Rest ihrer Worte ging in einem dröhnenden Kriegsgeschrei aus Hunderten rauer Zwergenkehlen unter. Kim fuhr abermals im Sattel herum und sah, dass sich die Zwerge in Bewegung gesetzt hatten und wie eine einzige, gewaltige Masse aus Stahl und Dunkelheit auf sie zugestürmt kamen.

Eine Sekunde später begann die Erde unter ihnen zu zittern, als auch die Reiter in kampflustiges Geschrei einfielen und losgaloppierten.

»Das war's dann wohl«, sagte Sturm. »Es hat mich gefreut, dich kennen gelernt zu haben.«

»Gleichfalls.« Kim zog sein Schwert und drehte sein Tier herum. Die Reiter galoppierten in scharfem Tempo heran. In der Nacht waren sie immer noch nicht klar zu erkennen, aber immerhin sah er, dass ihre Reihen nicht annähernd so tief gestaffelt waren wie die der Zwerge; vielleicht vier oder fünf hintereinander. Und wenn die Ehrfurcht der jungen Krieger vor dem Helden aus der Schlacht um Gorywynn nur noch ein wenig anhielt... wer weiß ...

»Bleibt dicht bei mir!«, rief er. »Vielleicht können wir durchbrechen!«

Sturm starrte ihn verdutzt an, zog aber gehorsam sein Schwert und schloss sich ihm an. In gestrecktem Galopp sprengten sie den Angreifern entgegen.

Als sie noch fünfzig Meter von den Reitern entfernt waren, hoben die Männer in der ersten Reihe ihre Bogen und feuerten eine ganze Wolke von Pfeilen auf sie ab. Kim duckte sich so tief über den Hals seines Pferdes, wie es nur ging, biss die Zähne zusammen und wartete darauf, getroffen zu werden.

Die Salve flog in hohem Bogen über sie hinweg und senkte sich auf das Zwergenheer hinab. Aus dem johlenden Kriegsgebrüll der Zwerge wurde ein Chor gellender Schmerz- und Schreckensschreie.

Kim richtete sich verwirrt im Sattel auf, zügelte sein Pferd und brachte es irgendwie zum Halten. Neben ihm hielt Sturm an und auch auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck tiefster Verwirrung.

Zwanzig Meter, bevor sie sie erreicht hätten, feuerten die Reiter eine zweite Pfeilsalve auf die Zwerge ab, die in noch höherem Bogen über Kims und Sturms Köpfe hinwegflog. Dann ließen sie wie ein Mann ihre Bogen fallen und brachten stattdessen überlange Lanzen in Anschlag, die bisher an ihrem Sattelzeug befestig gewesen waren. Die Reiter in der zweiten Reihe hoben Schwerter und Schilde, während die hinter ihnen Folgenden eine letzte Pfeilsalve auf die Zwerge abschössen, die diesmal tief in den hinteren Reihen der Zwerge niederging und dort verheerenden Schaden anrichtete. Der Angriff war offenbar hervorragend geplant und bis ins Kleinste hinein koordiniert.

Die Reiter sprengten weiter heran. Vielleicht eine Sekunde, bevor sie sie endgültig erreicht hätten, teilten sich ihre Reihen und sie galoppierten rechts und links an Kim und seinen Freunden vorbei. Um weiter auf das Zwergenheer zuzuhalten. Und erst in diesem Moment begriff Kim seinen Irrtum.

Keiner der Reiter war jünger als zwanzig Jahre. Es war nicht Kais Heer.