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Es waren Wolf und seine Männer!

Hundert Meter hinter ihnen prallten die beiden Heere zusammen, dass die Erde erzitterte.

Die Zwerge hatten gegen die anstürmenden Reiter nicht die geringste Chance.

Es war, als schlüge eine gepanzerte Faust in eine Wand aus Glas. Das Zwergenheer zersplitterte regelrecht. Die langen Lanzen der Reiter mähten sie gleich reihenweise nieder und wer ihnen entging, der wurde von den Pferden niedergetrampelt oder fiel unter den Schwerthieben der nachdrängenden Krieger. Die Zwerge kamen nicht einmal dazu, irgendeine geordnete Form des Widerstandes zu leisten. Der Schwung des angreifenden Heeres war so gewaltig, dass die Zwergenarmee nahezu in zwei Hälften gespalten wurde, ehe die Reiter in der wimmelnden schwarzen Masse stecken blieben und ihre Lanzen wegwarfen um mit Schwertern und Keulen weiterzukämpfen.

Kim wandte sich schaudernd ab. Zwerge waren hinterlistige und durchaus gefährliche Gegner, wie sie es ja schon am eigenen Leibe gespürt hatten, aber gegen eine Armee schwer gepanzerter Reiter waren sie chancenlos, ganz gleich, wie viele sie auch sein mochten.

Ein einzelner Reiter näherte sich ihnen. Er war sehr groß, trug einen schwarzen Vollbart und hatte ein gewaltiges Schwert auf den Rücken geschnallt. Wolf.

»Mir scheint, wir sind gerade noch im richtigen Moment gekommen«, sagte er grinsend. »Wärt ihr nicht vor uns davongelaufen, hätten wir uns alle eine Menge Ärger erspart.«

»Ruf deine Männer zurück«, sagte Kim.

Wolf machte ein überraschtes Gesicht, bildete dann aber mit beiden Händen einen Trichter vor dem Mund und schrie: »Rückzug!«

Natürlich reagierte niemand. Seine Krieger waren viel zu weit entfernt und seine Stimme ging einfach im Schlachtenlärm unter.

Mit einem noch breiteren Grinsen nahm er die Hände wieder herunter. »Du siehst, ich habe es versucht«, sagte er, »aber sie hören nicht auf mich.«

»Ihr habt gewonnen«, sagte Kim. »Dieses Gemetzel ist nicht nötig.«

Wolfs Grinsen verschwand wie weggeblasen. »Vielleicht nicht«, sagte er. »Aber ich kann sie nicht aufhalten, selbst wenn ich es wollte. Wir haben zu lange darauf gewartet, dass sich die Zwerge endlich aus ihren unterirdischen Rattenlöchern hervorwagen. Unter meinen Kriegern ist nicht einer, der nicht einen Familienangehörigen oder einen Freund an die kleinen Teufel verloren hätte. Wir haben eine Rechnung mit ihnen zu begleichen.«

»Dann solltet ihr eure Kräfte lieber aufsparen«, sagte Sturm. »Das hier ist nämlich nur die Vorhut. Es kommen noch mehr. Noch viel mehr.«

Wolf sah den rothaarigen Jungen einen Herzschlag mit ausdruckslosem Gesicht an, dann zuckte er mit den Schultern. »Sie werden es sich zweimal überlegen, ob sie uns angreifen nach dieser Niederlage«, sagte er. »Und selbst wenn - wir sind vorbereitet. Vielleicht ist es an der Zeit, endgültig mit dieser Plage aufzuräumen.«

Seine Worte ließen Kim frösteln. Er konnte den Hass spüren, der an Wolf fraß, und fast zu seinem eigenen Erschrecken konnte er ihn sogar verstehen. Gleichzeitig spürte er auch, wie falsch dieses Gefühl war und wie gefährlich. Hass und Zorn hatten dieser Welt schon einmal fast den Untergang gebracht. »Meinst du nicht, dass du im Moment andere Probleme hast?«, fragte er.

Wolf nickte mit düsterem Gesicht. »Ja«, sagte er. »Wie zum Beispiel, dir und deinen sonderbaren Freunden das Leben zu retten. Begreifst du nun endlich, zu wem du gehörst?«

Kim wollte widersprechen, aber Wolf schnitt ihm mit einer herrischen Geste das Wort ab und deutete dorthin, wo seine Krieger noch immer Jagd auf die flüchtenden Zwerge machten. »Du beklagst dich darüber? Du hast Recht! Es ist grausam und vielleicht sogar unnötig, aber es wäre nicht geschehen, wenn du gleich mit uns geritten wärst!«

Seine Worte taten weh, zumal sie einen größeren Kern an Wahrheit enthielten, als Kim sich selbst eingestehen wollte. Trotzdem schüttelte er den Kopf. »Wir werden nicht mit euch reiten, Wolf«, sagte er. »Ich bin dir dankbar, dass du uns gerettet hast, aber -«

»Du schuldest uns etwas!«, unterbrach ihn Wolf. »Viele meiner Männer sind tot und noch mehr verwundet. Und alle haben ohne zu zögern ihr Leben riskiert um euch zu retten. Zählt das etwa nicht?«

»Wir wären erst gar nicht in diese Situation geraten, wenn wir nicht vor euch hätten fliehen müssen«, giftete die Spinne.

Wolf blickte einen Moment lang stirnrunzelnd auf sie hinab, als bemerke er sie erst jetzt und überlege, ob sie einer Antwort würdig sei. Dann zuckte er mit den Schultern, als wäre er in Gedanken zu einem klaren Nein gekommen, und sagte in Kims Richtung: »Nun gut. Aber vielleicht stimmt dich das ja um.«

Er hob die Hand. Vier weitere Reiter näherten sich aus der Dunkelheit und Kim erschrak bis ins Mark, als er sie erkannte. Zwei von ihnen gehörten zu Wolfs Kriegern, finstere, bärtige Gestalten in zerschrammten Kettenhemden und Helmen, der dritte überragte seine Begleiter gleich um mehrere Haupteslängen, hatte verfilztes graues Haar und einen ebensolchen, bis auf die Brust reichenden Bart. Seine Hände waren mit Ketten aneinander gefesselt. Es war Gorg.

Bei dem vierten Reiter handelte es sich um niemand anderen als Themistokles. Anders als Gorg war er nicht gefesselt, blickte aber mit einem Gesichtsausdruck in die Runde, als begreife er gar nicht, was mit ihm geschah.

Kim hätte um ein Haar nach seinem Schwert gegriffen. »Ihr habt sie ... gefangen genommen?«, murmelte er ungläubig. »Ihr habt den Palast angegriffen?«

»Da war nicht mehr viel anzugreifen«, sagte Wolf. »Der Palast war leer, als wir eintrafen. Alle Bewohner der Stadt haben sich endlich entschieden, zu welcher Seite sie gehören. Nur dieser alte Mann und sein tölpelhafter Beschützer waren noch da. Wir kamen nicht als Feinde.«

»Und warum ist Gorg dann in Ketten?«, fragte Kim zornig.

»Weil dieser Tölpel zwei Dutzend meiner Männer grün und blau geschlagen hat, bevor wir ihn endlich überwältigen konnten!«, antwortete Wolf. »Themistokles wollte die Stadt nicht verlassen und er hat geschworen, bei ihm zu bleiben.«

»Und warum habt ihr ihn nicht gelassen?«

»Weil Gorywynn untergeht, du Narr!« Wolf schrie fast.

»Er hat Recht«, sagte Gorg leise. »Die Stadt lebt vom Lachen und der Fröhlichkeit der Menschen. Nun, wo sie fort sind, kann auch sie nicht überleben.«

»Es ist eine hübsche Stadt«, sagte Themistokles. Kim erschrak, als er seine Stimme hörte. Sie war zu einem albernen Kichern geworden, die Fistelstimme eines alten Mannes. »So groß! So viele leere Häuser. Man könnte Blumen darin züchten. Oder Fische.«

Er schnippte mit den Fingern. Ein blaues Funkeln erschien vor ihm in der Luft, dann stürzten ungefähr fünfhundert Liter Wasser aus dem Nichts zur Erde, in denen Dutzende von silbernen Fischen zappelten. Twix piepste entsetzt und brachte sich in letzter Sekunde in Sicherheit, aber der Pack und die Spinne bekamen den ganzen Guss ab. Die Spinne krabbelte lauthals schimpfend davon, während sich der Pack einen der Fische schnappte und ihn schmatzend herunterschlang.

In Wolfs Augen blitzte es amüsiert auf, aber Kim war ganz und gar nicht zum Lachen zumute. Im Gegenteil. Er musste plötzlich fast gegen die Tränen ankämpfen. Themistokles, das war bisher der Inbegriff von Alter und Weisheit gewesen, ein uralter, gütiger Magier, der die Macht hatte, das Schicksal ganzer Welten zu lenken.

Jetzt war er eine Witzfigur. Ein vertrottelter alter Zauberer, der noch zu ein paar billigen Tricks imstande war und nicht einmal mehr das wirklich gut.

»Verstehst du jetzt, warum wir dich brauchen?«, fragte Wolf, jetzt in ruhigem Ton. »Wir brauchen dich, Kim. Nicht dein Schwert. Nicht die übermenschlichen Kräfte, die man dir zuspricht. Aber wir brauchen jemanden, dem wir folgen können. Bisher war Themistokles stets der Garant für unsere Sicherheit. Aber du siehst selbst, was aus ihm geworden ist. Er kann uns nicht mehr beschützen.«