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»Und ich noch weniger«, sagte Kim. »Aber ich kann -«

»Wir sind dabei diesen Krieg zu verlieren«, fiel ihm Wolf ins Wort. »Es wird zur Entscheidungsschlacht kommen, Kim. Kai hat all seine Krieger zusammengezogen und ist auf dem Weg hierher. Nichts kann den Zusammenstoß noch verhindern. Wir aber sind nur noch wenige. Wir werden ihnen nicht standhalten. Die meisten meiner Krieger haben die Waffen niedergelegt und sind gegangen. Sie ziehen es wohl vor, in Ruhe das Ende abzuwarten, statt die Waffen gegen ihre eigenen Kinder zu erheben. Wir können diesen Kampf nicht gewinnen.«

»Warum verheizt du deine Männer dann in diesem sinnlosen Krieg gegen die Zwerge?«, fragte Sturm.

»Es ist nicht sinnlos«, antwortete Wolf. »Die Zwerge waren eine Bedrohung für uns, solange wir denken können. Vielleicht ist das Letzte, wozu wir noch imstande sind, das, diese Gefahr zu beseitigen. Als letztes Geschenk an unsere Kinder.«

»Der Mord an einem ganzen Volk?«, ächzte Kim.

»Niemand hat sie gezwungen, hierher zu kommen«, antwortete Wolf hart. »Wir haben diesen Krieg jedenfalls nicht angefangen!«

»Aber ihr könnt ihn beenden«, sagte Kim. »Reite zurück zu Kai und sag ihm, dass du diesen Krieg nicht willst!«

»Glaubst du denn, das hätten wir nicht schon versucht?«, fragte Wolf zornig. Er ballte die Faust und öffnete sie mit einem Ruck wieder. »Ich habe ein Dutzend Boten zu ihm geschickt. Keiner von ihnen ist auch nur zurückgekommen! Kai will diesen Kampf. Er will uns nicht besiegen - er will uns auslöschen!«

»So wie ihr die Zwerge«, sagte Sturm.

Wolfs Gesicht verdüsterte sich noch weiter, aber bevor er etwas sagen konnte, mischte sich Gorg ein:

»Auch wenn es mir schwer fällt - aber ich muss Wolf Recht geben«, sagte er. »Kai ist völlig verrückt geworden. Er hat seinen Kriegern eingeredet, dass sie ihre schöne neue Welt nur gründen können, wenn sie alles Alte hinter sich zerstören. Und dazu gehören auch seine Anhänger.«

»Kai?«, murmelte Kim. »Da wäre ich nicht so sicher.«

»Wie meinst du das?«, fragte Wolf.

Kim winkte ab. »Nichts. Ich verstehe euch gut, Wolf. Und ich würde auch lieber als alles andere auf der Welt helfen. Ich werde -«

»Dann reite mit uns!«, unterbrach ihn Wolf. »Ich verlange nicht, dass du an der Schlacht teilnimmst. Wenn du das Schwert nicht gegen deinesgleichen erheben willst, so verstehen wir das. Reite einfach mit uns!«

»Sie sind nicht meinesgleichen«, sagte Kim scharf. »Und dieses Gespräch haben wir schon einmal geführt, wenn ich mich nicht irre.« Er hob die Hand. Diesmal schnitt er Wolf das Wort ab. »Ich werde euch helfen. Wenn es in meiner Macht steht, heißt das. Aber ich werde nicht an der Seite eines Heeres in eine Schlacht reiten. Ganz egal, auf welcher Seite.«

»Nein«, warf Wolf dazwischen. »Das überlässt du lieber anderen, wie?«

»Hör doch, was er zu sagen hat«, sagte Gorg. »Was hast du vor, Kim?«

»Was wir vom ersten Moment an hätten tun sollen«, sagte Kim. Er machte eine Kopfbewegung auf Sturm. »Wir holen die Zauberkugel zurück. Mit ihrer Hilfe wird Themistokles vielleicht wieder der Alte.«

»Dann begleite ich euch«, sagte Gorg, hob die Hände und riss die daumendicken Ketten durch, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Wolf riss ungläubig die Augen auf, aber er machte gleichzeitig eine abwehrende Geste, als die beiden Reiter rechts und links neben Gorg nach ihren Waffen greifen wollten.

»Ich wollte, du könntest es«, sagte Kim traurig. »Aber kein Bewohner dieser Welt kann dort hingehen.«

»Ich weiß«, sagte Gorg. »Aber ich war es dir wenigstens schuldig, dir das Angebot zu machen, oder?«

Kim lachte, wurde aber sofort wieder ernst und wandte sich an Wolf. »Lässt du uns gehen?«

»Welche Wahl habe ich denn?«, grollte Wolf. Er schüttelte zornig den Kopf. »Also gut. Reitet los und versucht euer Glück. Aber lasst euch nicht zu viel Zeit damit. Kais Heer ist uns dicht auf den Fersen und ich weiß nicht, wie lange wir sie aufhalten können.«

Sturm hatte nicht übertrieben. Der Weg war nicht mehr besonders weit. Sie hatten das Schlachtfeld vor vielleicht einer halben Stunde hinter sich gelassen, als der Boden leicht, aber beständig anzusteigen begann. Die Nacht wurde kühler und auf eine schwer greifbare Weise düsterer. Ihre Pferde trabten gehorsam weiter, aber Kim konnte ihnen ansehen, wie unwohl sie sich in dieser fremdartig werdenden Umgebung fühlten, und insbesondere der Pack wurde zusehends nervöser. Die Anzahl der Bäume nahm beständig ab und zwischen den kahlen Stämmen wogte jetzt ein grauer, das Atmen schwer machender Nebel.

»Es ist jetzt nicht mehr weit«, sagte Sturm. Sein Atem ging schwer. Der Nebel dämpfte seine Stimme; nicht in der Lautstärke, aber in der Tonlage, sodass sie sich viel älter, zugleich aber auch kraftvoller anhörte, als Kim es gewohnt war.

»Ich weiß«, murmelte Kim. Er deutete auf eine Reihe verkrüppelter Bäume, die wie die gichtigen Hände uralter Männer aus dem Nebel vor ihnen herausgriffen. »Gleich dort, nicht wahr?«

Sturm blickte ihn erstaunt an. »Aber woher -?«

»Ich war doch schon einmal hier«, antwortete Kim. Sturm blickte ihn einen Moment lang zweifelnd an, zuckte dann mit den Schultern und beließ es dabei.

Kim blickte verstohlen auf den Pack hinab. Der pelzige kleine Kerl war jetzt nicht mehr nervös - er zeigte alle Anzeichen von Angst.

Sie erreichten den Waldrand. Obwohl es noch aus zwei Metern den Anschein gehabt hatte, dass vor ihnen eine undurchdringliche Mauer aus Blättern und dornigem Gebüsch aufragte, fanden die Pferde doch eine schmale Lücke, durch die sie hintereinander hindurchreiten konnten.

»Sei vorsichtig«, sagte Sturm nervös. »Es kann jetzt wirklich nicht mehr weit sein.«

»Ich weiß«, sagte Kim noch einmal. Sein Herz hämmerte. Er betete, dass er sich täuschte. »Noch fünf Schritte.«

»Fünf... Woher willst du das wissen?«

Kim antwortete nicht. Das Pferd machte noch drei Schritte, vier, fünf - und dann hörte der Wald wie abgeschnitten auf. Vor ihm lag noch ein knapp meterbreiter Streifen felsigen, vegetationslosen Bodens und dann nichts mehr.

Kim schloss mit einem nicht mehr vollkommen unterdrückten Stöhnen die Augen. So grausam konnte das Schicksal einfach nicht sein!

Aber es konnte!

Nach einer Weile öffnete er die Augen wieder und sah sich um und er erblickte dasselbe, furchtbare Bild wie zuvor.

Über ihm spannte sich ein Himmel, der keiner war. Nicht ein einziger Stern funkelte am Firmament. Der Himmel hätte ebenso gut ein Gewölbe aus schwarzem Eisen sein können, auf dem sich das rote Licht der Tiefe widerspiegelte.

Kim stieg aus dem Sattel und trat schaudernd an den gewaltigen Abgrund heran, der vor ihnen klaffte. Er war buchstäblich bodenlos. Wenn er einen Grund hatte, dann war er nicht zu erkennen. Alles, was er sah, war blutrotes, waberndes Licht, als blicke er direkt in den tiefsten Schlund der Hölle hinab.

Mühsam riss er sich von dem unheimlichen Bild los und sah nach vorne. Auf der anderen Seite des Abgrundes gähnte das Nichts, eine saugende, schwarze Leere, die etwas in seiner Seele zu berühren und mit eisiger Kälte zu verbrennen schien. Nur weit, unendlich weit entfernt, wuchs eine Säule aus rotem, wie geronnenes Blut schimmerndem Fels in die Höhe. Auf dem flachen Plateau, das ihre Spitze bildete, erhob sich ein wuchtiger Turm aus schwarzen Felsquadern, der von einem schmalen Ring dicht wuchernder Bäume umgeben war. Diesmal gab es keine Felsbrücke, die über den Abgrund führte.

Kim stand da wie erstarrt. Er fühlte sich vom Schicksal betrogen, auf die schlimmste nur denkbare Art an der Nase herumgeführt. Benutzt. Gegen seinen Willen.

Sturm deutete seine Erstarrung falsch. »Ein furchtbarer Ort, nicht wahr?«

Kim nickte. Er brauchte all seine Kraft um zu fragen: »Erzähl mir noch einmal, was du über den Magier der Zwei Berge weißt. Das Gefängnis, in den die anderen Zauberer ihn verbannt haben ... war das ein Ort... ein Ort jenseits der Welt?« Sturm nickte verblüfft. »Aber das habe ich dir doch gar nicht...« Er brach ab, sah mit einem Ruck auf und starrte die Felsnadel an, die vor ihnen in der Unendlichkeit zu schwimmen schien.