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»Dann Sollte er Möhren essen«, sagte Twix. »Möhren sind gut für das Gedächtnis.«

»Du verwechselst da etwas, glaube ich«, sagte Kai. Er wollte sich von der Kante entfernen, hatte aber Mühe zu gehen, weil sich die Spinne an sein rechtes Bein klammerte und allen Ernstes Anstalten machte daran herumzuknabbern. Aus seinem Gehen wurde ein ungeschicktes Hoppeln und Springen, bei dem er die Spinne hinter sich herzerrte.

»Bitte!«, sagte Kim. »Lass doch den Unsinn!«

»Unsinn?«, ächzte Kai. Er versuchte sein Schwert zu ziehen, aber die Spinne war schneller und schoss einen klebrigen Faden ab, der Kais Hand um den Schwertgriff und das Schwert zugleich um seine Leibesmitte wickelte.

»Was soll das heißen, er ist nicht der, der er zu sein scheint?«, fragte nun auch Sturm. Er sah Kim an, deutete aber auf Kai, der mühsam auf einem Bein balancierend um sein Gleichgewicht kämpfte und vergebens versuchte seine Hand vom Schwertgriff zu lösen. »Ich meine: Wenn er nicht er ist, beziehungsweise wenn er nicht der er ist, der das Heer anführt, wer ist dann der er, der an seiner Stelle die Armee anführt?«

Für eine Sekunde war es vollkommen still. Ausnahmslos alle starrten Sturm an.

»Kannst du das noch einmal sagen?«, fragte Twix schließlich. Kai riss sich endgültig los, verlor auf einem Bein die Balance und schlug der Länge nach hin und die Spinne war mit einem einzigen Satz über ihm und ließ die Zähne blitzen.

»Aufhören!«, sagte Kim streng. »Verdammt, wir haben wirklich keine Zeit für diesen Quatsch!«

Die Spinne warf ihm einen herzzerreißenden Blick zu, hob aber dann alle Schultern auf einmal und machte sich langsam und vor sich hin grummelnd von dannen. Kai versuchte aufzustehen, was aber mit einer an die Hüfte gefesselten Hand gar nicht so einfach war, sodass Twix schließlich herbeiflatterte und seine Hand mit einem Nebel aus goldenem Elfenstaub befreite. Kai machte ein sehr erstauntes Gesicht.

»Tja, manchmal ist es ganz praktisch, ein magisches Wesen bei sich zu haben«, sagte Kim. Dann wandte er sich an Sturm. »Wie lange war ich weg?«

»Ziemlich lange«, antwortete Sturm. »Sieh selbst.« Er deutete nach Osten und Kim erschrak, als sein Blick der Geste folgte. Es begann zu dämmern. Er war die ganze Nacht über fort gewesen.

Wenigstens hoffte er, dass es nur eine Nacht gewesen war. Als er jedoch eine entsprechende Frage stellte, nickte Sturm nur beruhigend. »Es war nur eine Nacht«, sagte er, »aber sie war lang genug.« Er deutete auf Twix. »Sie hat ein paar Erkundungsflüge unternommen. Und sie hat keine guten Nachrichten gebracht.«

»Von welcher Seite?«, fragte Kim.

»Von keiner«, sagte Twix. »Wolf, dieser Narr, hat seine Drohung wahr gemacht und die Zwerge angegriffen.«

»Und?«, fragte Kim.

»Nichts und«, antwortete die Elfe. »Es war wohl nicht ganz so einfach, wie er es sich vorgestellt hat. Als ich vor einer Stunde zurückgekehrt bin, war die Schlacht noch in vollem Gange. Keine Seite schien die Oberhand gewinnen zu können.«

»Die Zwerge haben Wolfs Lanzenreitern standgehalten?«, fragte Kim zweifelnd.

»Das wundert mich kein bisschen«, sagte Kai. »Die meisten unterschätzen die Zwerge. Mit dem Schwert in der Hand sind sie nicht einmal für ein Kind eine Gefahr -«

Kim blinzelte beleidigt, aber Kai fuhr mit einem bekräftigenden Nicken fort: »Sie sind verschlagene kleine Teufel. Sie beherrschen eine Menge gemeiner Tricks und sie haben mächtige Kriegsmaschinen. Ich würde es mir zweimal überlegen, sie anzugreifen.«

»Das hat sich dein Doppelgänger wohl auch gedacht«, sagte Twix. »Er hat seine Truppen zurückgezogen -«

»Und wartet in aller Ruhe ab um die siegreiche Partei anzugreifen«, führte Kai den Satz zu Ende. »Nichts anderes würde ich an seiner Stelle tun.«

»Worauf warten wir dann noch?«, fragte Sturm. »Nichts wie los!«

»Und wohin, wenn ich fragen darf?«, erkundigte sich Kai.

»Zu Wolf und Themistokles«, antwortete Kim. Er deutete auf Sturm. »Er hat Recht. Wenn sie die Wahrheit erkennen, dann geben sie diesen sinnlosen Kampf vielleicht auf.«

»Genau!«, krähte die Spinne. »Wir wollen doch mal sehen, was für ein Gesicht der falsche Kai macht, wenn er es plötzlich mit beiden Heeren zu tun bekommt.«

»Ich wüsste, was ich täte«, antwortete Kai gelassen.

»Schön«, sagte Twix. »Behalt es für dich.«

Kai runzelte die Stirn und Kim sagte hastig: »Wir haben ein Pferd zu wenig.«

»Das macht nichts«, sagte Kai. »Ich kann stundenlang laufen, wenn es sein muss.« Und vermutlich schneller, als du reiten kannst.

Das sagte er zwar nicht, aber Kim las die Worte so deutlich in seinen Augen, dass er die Zähne zusammenbiss und schweigend eine Faust in der Tasche ballte. Einen Moment lang erfreute er sich an der albernen Vorstellung, dass Kai in den Sattel springen und prompt auf der anderen Seite wieder herunterfallen könnte.

Er vertrieb den kindischen Gedanken, ging schweigend zu seinem Pferd und stieg auf.

Sie ritten los. Kim war nicht im Geringsten überrascht, als Kai schon nach wenigen Schritten in einen schnellen, gleichmäßigen Trab verfiel, der ihn tatsächlich ohne besondere Schwierigkeiten mit dem Pferd mithalten ließ.

Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie die volle Schnelligkeit der Pferde ja nicht ausspielen konnten, da sie auf die Spinne und den Pack Rücksicht nehmen mussten.

Eine geraume Weile bewegten sie sich auf diese Weise schnell nach Westen, fort von dem unheimlichen Schattenwald mit seinem Nebel, den abgestorbenen Bäumen, der gigantischen Schlucht und vor allem den Erinnerungen, die er beherbergte. Nachdem sich ihre Umgebung wieder einigermaßen normalisiert hatte, änderten sie ihre Richtung ein wenig um dorthin zu gelangen, wo Twix' Worten nach die Schlacht zwischen den Zwergen und Wolfs Lanzenreitern tobte.

Sie hörten den Lärm schon von weitem. Vor ihnen am Horizont wetterleuchtete es. Manchmal zuckten Flammen über die Baumwipfel und in fast regelmäßigen Abständen loderten grelle, bläuliche Blitze hinter dem Wald. Jedes Mal, wenn das geschah, glaubte Kim unmittelbar danach einen Chor gellender Schreie zu hören; Schreie, die eindeutig nicht aus Zwergenkehlen stammten. Er musste plötzlich wieder daran denken, was Kai über die Kriegsmaschinen der Zwerge erzählt hatte.

Twix tauchte vor ihnen aus der Dämmerung auf, schrie aus Leibeskräften und schwenkte hektisch beide Arme. »Zur Seite!«, brüllte sie. »Nach rechts! Sie kommen!«

Ganz egal, wer kam - Kim und Sturm rissen ihre Pferde nach rechts und auch Kai schwenkte in die entsprechende Richtung.

Twix' Stimme überschlug sich fast. »Seid ihr verrückt?!«, kreischte sie. »Ihr lauft ihnen ja genau in die Arme! In die andere Richtung!«

Kim zügelte sein Pferd und blickte die Elfe an. »Das ist rechts«, sagte er betont.

»Von euch aus gesehen, vielleicht«, antwortete Twix. »Von mir aus betrachtet ist es links.«

Kim wollte antworten, doch in diesem Moment drang das dumpfe Hämmern zahlloser, eisenbeschlagener Hufe vor ihnen durch das Dickicht. Kai ließ sich erschrocken ins hüfthohe Gras sinken und auch Kim und Sturm glitten hastig aus den Sätteln und duckten sich hinter ihre Pferde - eine geradezu lächerliche Deckung, die aber trotzdem ihren Dienst tat. Vor ihnen brach ein Tross von etwa drei- oder vierhundert Reitern durch den Wald. Das gewaltige Reiterheer stampfte alles nieder, was in seinen Weg geriet: Büsche, Sträucher, Unterholz, ja, selbst kleine Bäume. Nicht einer der Reiter nahm auch nur Notiz von ihnen.