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Tatsächlich drang immer lauter werdendes Schlachtgetöse durch den Wald zu ihnen und Kim sah es jetzt fast unmittelbar hinter den nächsten Bäumen aufblitzen. Er drehte sich noch einmal im Sattel um, stellte befriedigt fest, dass der Skull überhaupt nicht mehr zu sehen war, und deutete dann nach vorne. »Weiter!«, schrie er. »Wir müssen Wolf warnen!«

Sie folgten der Bresche, die die Reiter in den Wald gebrochen hatten, bis zur Kuppe des Hügels und auf der anderen Seite wieder hinab. Dann war der Wald plötzlich zu Ende und das Schlachtfeld lag unter ihnen. Die Spur der Reiter knickte plötzlich nach rechts ab, aber sie selbst sprengten geradewegs weiter den Hügel hinab und auf die beiden ineinander verbissenen Heere zu.

Selbst im blassen Licht des Morgens war der Angriff Furcht einflößend. Kim schätzte, dass Wolf mindestens fünf- bis sechshundert Krieger um sich geschart hatte, eine gewaltige Streitmacht.

Aber sie standen auch einer mindestens zehnfachen Übermacht gegenüber. Genauer gesagt: Sie waren nahezu von ihr eingeschlossen.

»Dieser Narr!«, schrie Kai. »Er ist auf den ältesten Trick der Welt hereingefallen! Die Zwerge haben ihm Platz gemacht, bis er genau da war, wo sie ihn haben wollten! Und dann haben sie die Falle zuschnappen lassen!«

»Dann wird es Zeit, dass wir Wolf ein paar Tipps geben!«, schrie Kim zurück. Zugleich fragte er sich aber, was an Wolfs Lage eigentlich so fatal war. Es stimmte zwar, dass sie von allen Seiten eingekreist waren, aber selbst über die große Entfernung und bei dem schwachen Licht konnte er erkennen, dass es sich mit den Zwergen ganz genau so verhielt, wie Kai gesagt hatte: Im Freien und bei einem fairen Kampf Mann gegen Mann hatten sie keine Chance gegen Wolfs Reiter! Die Krieger bildeten mit ihren Speeren einen nahezu undurchdringlichen Wall, den weder eine zehn- noch eine fünfzigfache Übermacht überwinden konnte. Die wenigen Zwerge, die dumm genug waren, es trotzdem zu versuchen, spießten sich einfach an der Barriere auf.

Trotzdem fiel Kim die große Anzahl reiterloser Pferde auf, die sich zwischen Wolfs Truppen bewegten; und auf den zweiten Blick eine fast ebenso große Anzahl regloser Gestalten, die zwischen ihnen am Boden lagen.

Nur einen Moment später erhielt er auch die Erklärung dafür. Auf dem Hügel auf der anderen Seite des Schlachtfeldes erklang ein dumpfer, sonderbar weicher Knall. Eine gewaltige Dampfwolke erhob sich zischend in die Luft und plötzlich erscholl ein schrilles, immer lauter und lauter werdendes Heulen, das dann ebenso jäh abbrach.

Zwischen Wolfs Reitern stob ein riesiger Pilz aus Staub, aufgewirbeltem Erdreich und Steinsplittern in die Höhe und fast ein Dutzend Reiter stürzten schreiend aus den Sätteln oder brachen mit ihren Tieren zusammen.

Die Zwerge hatten eine Kanone abgefeuert.

Als sich der Dampf auf dem gegenüberliegenden Hügel verzog, konnte Kim sie auch sehen. Es war eine fast groteske Konstruktion. Der Lauf war kurz, dafür übermäßig dick, wie eine jener albernen Kanonen, die man manchmal in Comic-Heftchen sieht, und mit zahlreichen Runen und Reliefarbeiten übersät. Und wenn Kim sich nicht sehr täuschte, dann brannte unter ihrem hinteren Ende ein Feuer!

Drei weitere dieser sonderbaren Konstruktionen standen neben dieser ersten Kanone, und bevor Kim auch nur ein Wort herausbringen konnte, stob eine weitere, zischende Dampfwolke auf und im nächsten Moment schlug eine zweite Kanonenkugel zwischen Wolfs Reitern ein!

»Dieser Dummkopf!« Kai heulte, als hätte ihn das Geschoss getroffen. »Wenn er seine Männer nicht verteilt, schießen sie sie in aller Ruhe aus den Sätteln!«

Kim erkannte bestürzt, dass das stimmte. Zwar hatten mittlerweile auch Wolfs Reiter die Gefahr erkannt, die ihnen von den Dampfkanonen der Zwerge drohten, und versuchten sich in ihre Richtung durch das Zwergenheer zu kämpfen, aber das konnten sie unmöglich schaffen. Sie hätten das gesamte Tal dazu durchqueren müssen - und so nebenbei die gesamte Zwergenarmee.

Sie galoppierten weiter. Auf halbem Weg kamen ihnen ein paar reiterlose Pferde entgegen. Kai stieß einen trällernden Laut aus, woraufhin sich eines der Tiere zu ihnen gesellte und in gestrecktem Galopp neben ihnen einhersprengte. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, schwang sich Kai in vollem Galopp auf seinen Rücken und griff nach den Zügeln. Kim konnte sehen, wie Kai regelrecht aufblühte, als er endlich wieder einen Sattel unter sich spürte.

Einen Augenblick später hatten sie das Schlachtfeld erreicht. Die Zwerge, die nicht mit einem Angriff aus dieser Richtung gerechnet hatten, waren vollkommen überrascht und versuchten nicht einmal Widerstand zu leisten. Die, die ihnen nicht schnell genug ausweichen konnten, wurden einfach niedergeritten, aber der Großteil der kleinen, in schwarze Mäntel gehüllten Gestalten wich einfach vor ihnen zur Seite. Und warum sollten sie sie auch aufhalten? Sie ritten ja genau dorthin, wo sie sie haben wollten.

Ohne langsamer zu werden und ohne auch nur ein einziges Mal ernsthaft angegriffen zu werden, erreichten sie Wolfs Heer. Allein in dieser Zeit schlugen drei weitere Geschosse der Zwergenkanone inmitten von Wolfs Reiterschar ein.

Die letzten Zwerge sprangen vor ihnen zur Seite und dann hatten sie es geschafft. Auch der Wald aus Lanzen teilte sich, um sie passieren zu lassen, und Kim sah einen Ausdruck von Verblüffung, dann von freudigem Wiedererkennen auf den Gesichtern der Reiter unmittelbar vor sich. Kai duckte sich instinktiv im Sattel um nicht sofort erkannt zu werden und Kim war sehr erleichtert, dass er dies tat.

Nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten, wäre es nachgerade lächerlich, wenn er nun von einem ihrer eigenen Verbündeten erschlagen würde, der ihn für den anderen Kai hielt.

Jetzt näherten sie sich dem Zentrum des Heeres. Es war nicht zu übersehen: Gorg ragte wie ein Felsen aus der Brandung über den anderen empor und dicht bei ihm erblickte Kim Wolf und Themistokles' weiß gekleidete Gestalt.

Gorg, der neben ihm ritt, war nicht gefesselt, sondern trug einen gewaltigen Schild und ein noch gewaltigeres Schwert, machte aber ganz gegen seine Art keine Anstalten, an dem Kampf teilzunehmen, der unweit von ihm tobte, sondern folgte offensichtlich seinem Befehl, das Leben des Magiers zu beschützen.

»Wolf!«, schrie Kim. »Themistokles!«

Die beiden Angesprochenen, aber auch Gorg und ein gutes Dutzend weiterer Reiter, wandten sich überrascht in den Sätteln um. Gorg wirkte erleichtert, während Themistokles nur flüchtig lächelte; so als hätte er nichts anderes erwartet. Wolf hingegen riss ungläubig die Augen auf und begann dann regelrecht zu strahlen.

»Kim!«, rief er. »Du bist -«

Sein Lächeln gefror, als er Kai erblickte. Er wurde blass. »Kai...«, murmelte er.

»Zieh keine voreiligen Schlüsse, Wolf«, sagte Kim rasch. »Das hier ist der echte Kai. Der Junge, der das Heer führt, ist ein Betrüger!«

»Er sagt die Wahrheit, Wolf«, sagte Themistokles.

Ein zischender Knall kam von den Hügeln zu ihnen herab und einen Augenblick später schlug eine weitere Kanonenkugel ein; diesmal so nahe, dass Kim sich erschrocken duckte. Gorg riss gedankenschnell seinen Schild in die Höhe und hielt ihn schützend über Kim und im selben Moment prasselte ein Hagelschauer aus Erdreich, Steinen und Splittern auf den hölzernen Schild herab. Fünf oder sechs Männer in ihrer unmittelbaren Nähe stürzten aus den Sätteln, Pferde bäumten sich auf und warfen ihre Reiter ab. Der Lärm war unbeschreiblich. »Verteile deine Männer, du Narr!«, schrie Kai. »Sie sollen kleine Gruppen zu zehn oder zwölf bilden!«

»Damit sie uns aufreiben können?«, schrie Wolf.

»Ist es dir lieber, sie schießen euch in aller Gemütlichkeit zusammen?«, schrie Kai zurück.

Wie um seine Worte zu unterstreichen schlug wieder eine Kanonenkugel ein, diesmal weiter entfernt, aber begleitet von einem Chor gellender Schreie. Wolf überlegte noch einen Moment, dann nickte er. »Also gut. Wir -«