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Er stürmte durch die Tür - und blieb wie angewurzelt stehen. Das Haus war immer noch leer. Aber es hatte sich vollkommen verändert!

Im Kamin prasselte jetzt ein behagliches Feuer. Die Spinnweben waren verschwunden. Es gab kein einziges Staubkorn mehr und anstelle der verfaulten Essensreste stand jetzt ein Teller mit einer einfachen, aber appetitlich aussehenden Mahlzeit auf dem Tisch.

Kim sah sich verblüfft um, dann war er mit zwei Schritten bei der Tür zum benachbarten Zimmer und riss sie auf.

Es hatte sich ebenso verändert wie der Wohnraum.

Und es war genauso leer.

Kim ging wieder zum Ausgang und ließ seinen Blick über den Dorfplatz schweifen. Er sah nichts als Dunkelheit und Schatten. Nicht der mindeste Laut war zu hören. Es blieb dabei: Das Dorf war verlassen.

Und trotzdem hatte jemand das Haus hinter ihm aufgeräumt und ihm etwas zu essen hingestellt...

Er hörte das Geräusch leiser Schritte, drehte sich herum und sah gerade noch eine schmale, haarige Hand, die unter der Tischkante verschwand und dabei einen Teil seines Abendessens mitgehen ließ.

Grinsend trat er ins Haus zurück, schloss die Tür hinter sich und sagte: »Du kannst ruhig rauskommen. Ich habe dich gesehen.«

Ein paar Sekunden lang geschah nichts, aber dann erschienen zuerst die spitzen Ohren und dann der wuschelige Haarkamm des Pack über der Tischkante.

Schmale, misstrauische Augen sahen Kim mit einer Mischung aus Vorsicht und Ärger an. Selbst wenn er den Pack nicht gesehen hätte - das lautstarke Schmatzen der Kreatur hätte sie verraten.

»Das alles hier warst du, nicht wahr?« Kim machte eine weit ausholende Geste, auf die der Pack mit einem lautstarken Rülpser reagierte. Kim grinste noch breiter und schüttelte den Kopf. »Kannst du mir erklären, was der Unsinn soll? Ich meine: Du musst mich nicht bestehlen. Immerhin hast du das Essen gebracht. Also ist es nur fair, wenn du die Hälfte davon kriegst.«

Er trat näher, nahm den Teller und hielt ihm den Pack hin. Der Kobold kreischte erschrocken und brachte sich mit einem komisch aussehenden Hüpfer in Sicherheit. Kim musterte ihn verwirrt, schüttelte dann den Kopf und ging wieder zum Tisch.

Während er aß, betrachtete er den Pack aufmerksam. Das Geschöpf war viel kleiner, als es ihm bisher vorgekommen war. Selbst auf die Zehenspitzen aufgerichtet hätte es ihm allerhöchstens bis zur Brust gereicht. Und es kam ihm auch nicht mehr annähernd so bedrohlich vor wie bisher. Mit seinen spitzen Ohren, dem affenähnlichen Gesicht und dem wuscheligen Haarkamm wirkte es vielmehr drollig.

»Wenn ich nur wüsste, was mit dir los ist«, sagte Kim. »Du hast mich die ganze Zeit verfolgt, wie? Warum?«

Der Pack legte den Kopf auf die Seite und schien seinen Worten aufmerksam zu lauschen. Offensichtlich konnte das Wesen nicht sprechen, aber Kim war ziemlich sicher, dass er ihn verstand. Und wenn schon nicht den Sinn seiner Worte, so doch wenigstens deren versöhnlichen Ton. Es war schon seltsam, überlegte Kim. Noch vor ein paar Tagen hatten sie versucht, sich gegenseitig umzubringen, und jetzt war er sehr froh, dass das kleine Wesen da war. Die Einsamkeit in den letzten Tagen hatte ihm doch sehr zu schaffen gemacht. Vielleicht hatte der Pack seine Scheu ja mittlerweile weit genug verloren um zu begreifen, dass ihm von Kim keine Gefahr mehr drohte, sodass er auf seinem weiteren Weg nach Gorywynn wenigstens ein wenig Gesellschaft hatte.

Der Pack hatte den Bissen hinuntergeschlungen, den er von Kims Teller stibitzt hatte, und betrachtete gierig den Rest. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.

»Willst du noch etwas?«

Kim hielt ihm den Teller hin, aber der Pack wich nur noch ein kleines Stück weiter zurück. Kaum hatte er sich aber herumgedreht und sah in eine andere Richtung, da raste er heran, schnappte sich ein Stück Käse und rannte damit in seine Ecke zurück. Offensichtlich nahm der Pack nichts geschenkt, sondern bestand darauf, sich sein Essen zu stehlen. Kim sollte es recht sein. Sie teilten sich den Rest der Mahlzeit, indem Kim von seinem Teller aß und dem Pack immer wieder Gelegenheit gab, sich seinen Anteil zu stehlen.

Als sie fertig waren, reckte sich Kim ausgiebig. Der Pack rülpste.

»Also deine Manieren lassen zu wünschen übrig«, grinste Kim. »Daran müssen wir noch arbeiten.«

Das Wesen erhob sich und kam mit vorsichtigen Schritten und pendelnden Armen näher. Kim rührte sich nicht. Vielleicht musste er dem Pack einfach nur Zeit und Gelegenheit geben sein Misstrauen vollkommen zu überwinden.

Er streckte vorsichtig die Hand aus. Der Pack musterte seine Finger misstrauisch, schnüffelte daran und kam dann mit zögernden Schritten noch näher.

»Siehst du?«, sagte Kim. »So schlimm bin ich doch gar nicht.« Der Pack kam einen weiteren Schritt heran. Er schnüffelte, legte den Kopf auf die Seite, sah Kim fragend an und schlug ihm dann so wuchtig die Faust auf die Nase, dass er rücklings vom Stuhl fiel.

Als sich die wirbelnden Kreise und Lichtpunkte vor seinen Augen verzogen, hockte der Pack wieder in seiner Ecke und starrte ihn mit gebleckten Zähnen an.

Kim richtete sich vorsichtig auf und betastete seine Nase. Sie tat weh, schien aber wenigstens nicht gebrochen zu sein. Er stand auf, maß den Pack mit feindseligem Blick und drehte sich dann wortlos um. Trotz der überraschenden Attacke hatte er nicht das Gefühl, dass ihm vom Pack wirklich Gefahr drohte.

Aber das änderte nichts daran, dass er einen Stuhl unter die Klinke stellte, bevor er sich in dem Bett im Nebenzimmer zum Schlafen ausstreckte.

Obwohl Kim nicht damit gerechnet hatte, weckte ihn der Pack tatsächlich am nächsten Morgen, wenn auch auf seine ganz eigene Art: Er trat so wuchtig vor das Bett, dass Kim mit einem Schrei in die Höhe fuhr und um ein Haar aus dem Bett gefallen wäre.

Immerhin hatte der Pack bereits ein reichliches Frühstück vorbereitet, als Kim ins Zimmer kam. Natürlich stahl er wieder gut die Hälfte davon, aber die Portion war so reichlich bemessen, dass sie beide gut davon satt wurden. Kim fragte auch vorsichtshalber nicht, woher das Essen kam. Manchmal war es vielleicht besser, wenn man nicht alles wusste.

Nachdem sie fertig gegessen hatten, durchsuchte Kim noch einmal das Haus und fand auch ein paar recht nützliche Gegenstände, die sich aber allesamt als zu groß und sperrig erwiesen um sie mitzunehmen. Alles, was er schließlich einsteckte, waren ein paar kleine Münzen, die er in einer Schublade fand.

Aus einem unbestimmten Gefühl heraus löste er den Bogen aus seiner Verpackung in der Decke und hängte ihn sich mitsamt des dazugehörigen Köchers über die Schulter, bevor er sich in den Sattel schwang und den Ort verließ. Er folgte der nach Süden führenden Straße. Obwohl auch sie aussah, als wäre sie seit Jahren nicht mehr benutzt worden, kam er auf diesem ebenen Untergrund sehr viel schneller voran als in den vergangenen Tagen. Schon gegen Mittag waren die Berge am Horizont gar nicht mehr zu sehen. Er kam an etlichen Bauernhöfen und einem weiteren Ort vorbei; die von ihren Bewohnern ebenso verlassen waren wie das Dorf, in der er die letzte Nacht verbracht hatte, und am frühen Nachmittag stieß er auf ein Feld, auf dem die Ernte des vergangenen Jahres verfaulte.

Trotz allem stimmte ihn der Anblick optimistisch. Diese Ernte war erst vor wenigen Monaten ausgebracht worden. Die Menschen waren auch von hier vor irgendwas geflohen, aber wie es schien, holte er allmählich zu ihnen auf.

Der Zustand der Straße besserte sich im Verlauf der letzten Stunden immer mehr und bald lag vor ihm eine weitere kleine Ansiedlung. Sie bestand aus fünf oder sechs kleineren und einem etwas größeren Gebäude. Aus dem Kamin dieses größeren, zweistöckigen Gebäudes kräuselte sich Rauch und neben der Tür waren zwei Pferde und ein voll beladenes Maultier angebunden.

Er hatte endlich - endlich! - Menschen gefunden.

Der Anblick erfüllte ihn mit einer solchen Erleichterung, dass er das Pferd für ein paar Sekunden anhalten ließ um den Anblick entsprechend zu genießen. Auch die anderen Häuser waren ganz offensichtlich bewohnt. Jetzt würde er endlich erfahren, warum sich dieses Land auf so unheimliche Weise verändert hatte.