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Kim ächzte vor Überraschung, versuchte aber trotzdem sofort sich freizumachen. Er riss die Arme nach oben, um den Griff des Punkers auf diese Weise zu sprengen, erreichte damit aber nur, dass der Bursche zurücktaumelte und ihn dabei mit sich riss. Dann versetzte er Kim überraschend einen Stoß, der ihn hilflos nach hinten und in die Arme eines dritten Jungen stolpern ließ, der urplötzlich hinter ihm aufgetaucht war. Das gewaltige Klirren und Scheppern, das dabei erklang, sagte Kim, um wen es sich dabei handelte.

Zwei kräftige Arme voller Eisenringe und Ketten schlossen sich um seinen Oberkörper, hielten seine Arme fest und drückten so fest zu, dass ihm die Luft wegblieb. Kim wand sich wie eine Schlange und versuchte gleichzeitig, nach den Beinen des Burschen hinter sich zu treten, erreichte aber dadurch nichts weiter, als dass dieser seinen Griff noch mehr verstärkte, sodass er nunmehr gar keine Luft mehr bekam und seine Rippen hörbar knackten.

Harte Schritte polterten die Kellertreppe herauf. Der Irokese stürmte aus der Tür, sah sich wild um und hob dann die Faust um Kim zu schlagen - und eine andere, sehr viel kräftigere Hand, die in einem knallroten Ärmel steckte, griff nach seinem Handgelenk und hielt ihn fest.

»Lass das«, sagte der Pirat.

Der Punker hinter Kim lockerte seinen Griff. Zwar nur ein ganz kleines bisschen, aber immerhin weit genug, dass er wenigstens wieder Luft bekam. Kim atmete keuchend und mühsam ein paar Mal ein und aus, blinzelte und sah sich um. Mit Ausnahme des Gepiercten war die ganze Bande anwesend, aber das Klirren und Scheppern aus der Küche machte ihm rasch klar, wo sich der sechste Punker aufhielt.

»He!«, protestierte der Irokese. Er riss sich los, trat einen Schritt zurück und musterte Kim und den Piraten mit ärgerlichen Blicken. »Der Kerl hat mich niedergeschlagen!«

»Selbst schuld!«, antwortete der Pirat. »Wenn du dich von so einer Pfeife niederschlagen lässt, geschieht es dir nur recht.«

»Und was machen wir jetzt mit dem Kleinen?«, fragte der Punker, der Kim festhielt.

»Fesselt ihn«, sagte der Pirat nach kurzem Überlegen. »Und dann schließt ihn irgendwo ein, wo er keinen Ärger machen kann.«

»Aber!«, protestierte der Irokese.

»Halt die Klappe«, unterbrach ihn der Pirat. »Keiner hat gesagt, dass du dich nicht mit ihm amüsieren darfst. Aber im Moment haben wir Wichtigeres zu tun.«

»Hört doch mit dem Unsinn auf!«, keuchte Kim. »Ihr seid ja verrückt!«

»Stimmt«, grinste der Bursche mit dem breiten Scheitel.

»Aber es gefällt uns«, fügte der Irokese hinzu.

»Seid doch vernünftig!«, sagte Kim. »Ich mache euch einen Vorschlag. Wenn ihr mich jetzt loslasst und auf der Stelle verschwindet, dann gebe ich euch mein Wort, dass ich niemandem erzähle, was hier passiert ist.«

»Ach wie süß«, sagte der Irokese.

»Das ist doch vollkommen sinnlos! Hier gibt es nichts, was sich zu stehlen lohnt, wenn ihr deshalb gekommen seid.«

»Verpasst ihm zusätzlich einen Knebel«, sagte der Pirat. »Und dann stellt die Bude auf den Kopf! Wir haben nicht viel Zeit.« Er gab seinen Kumpanen ein Zeichen und sie verteilten sich mit polternden Schritten, mit Ausnahme des Punkers, der Kim festhielt, in die verschiedenen Zimmer. Der Punker schleifte Kim davon und stieß ihn mit roher Gewalt gegen die Wand. Er ließ ihn los, packte die Arme aber sofort wieder und versuchte sie ihm auf den Rücken zu drehen. Doch Kim gelang es, sich halb herumzudrehen und dem Punker beide Hände vor die Brust zu stoßen. Der Bursche verlor das Gleichgewicht und stürzte.

Kim nutzte seine Chance und jagte blitzschnell die Treppe hinauf, wobei er immer zwei oder drei Stufen auf einmal nahm. Unter ihm erschollen wütende Stimmen und hastige Schritte, aber Kim errreichte unbehelligt das Ende der Treppe, raste in sein Zimmer und knallte die Tür zu. Sie erbebte unter einem kraftvollen Schlag, kaum dass er den Schlüssel herumgedreht hatte.

Aber jetzt hatte er eine gute Chance. Seine Tür ging nach außen auf, was es den Punkern wesentlich schwerer machen würde, sie aufzubrechen, und er brauchte nur ein paar Sekunden.

Kim raste zum Fenster, riss es mit zitternden Händen auf und flankte mit einem Satz heraus. Unmittelbar darunter befand sich das Flachdach der Garage und von dort aus war es nicht mehr besonders schwer auf die Straße hinunterzuspringen. Er war in Sicherheit.

Als er auf dem Garagendach landete, erklang in seinem Zimmer das Geräusch von splitterndem Holz und dann ein zugleich wütender wie enttäuschter Schrei. Kim rappelte sich hoch, rannte los - und brach durch das morsche Holz!

Kopfüber stürzte er in die Tiefe, stieß einen gellenden Schrei aus und landete unsanft auf dem Rücken. Das Einzige, was ihn vermutlich vor einer wirklich schweren Verletzung bewahrte, war die fast meterhohe Strohschicht, die den Boden des Pferdestalls bedeckte. Wäre er nur einen Meter weiter nach links gestürzt, wäre er genau in eine der Boxen gekracht und hätte sich entweder an der Umgrenzung sämtliche Knochen gebrochen oder eine gute Chance gehabt, sich einen Tritt ihres erschrockenen Bewohners einzuhandeln.

In dem zerborstenen Loch in der morschen Holzdecke über seinem Kopf erschien ein rundes, fellbedecktes Gesicht mit riesigen Glubschaugen, spitzen Ohren und unangenehm langen, scharfen Zähnen und Kim begriff schlagartig, dass er keineswegs außer Gefahr war. Hastig sprang er hoch, fuhr zur Tür herum und sah, wie die drei Pferde in den Boxen aufmerksam die Köpfe hoben und die Ohren in seine Richtung drehten -

und erstarrte.

Pferde?

Boxen?

Stroh auf dem Boden?

Wo um alles auf der Welt war er?

Das war nicht die Garage seines Vaters! Das ... das war ...

Hinter ihm erscholl ein schweres Plumpsen; ein Geräusch, als ob man einen Mehlsack aus fünf Meter Höhe auf weichen Sand fallen ließ. Kim drehte sich langsam herum und sah das haarige Gesicht, das ihn gerade durch das Loch im Dach angestarrt hatte, jetzt inmitten des Heuhaufens auftauchen. Der dazugehörige Körper, der sich eine Sekunde später aufrichtete, war auch nicht wesentlich hübscher. Die Kreatur erinnerte Kim an eine Mischung aus einem Schimpansen und einem Neandertaler, war aber viel hässlicher und nicht annähernd so groß.

Ein zweites, ebenso groteskes Geschöpf stürzte sich durch das Dach, dann ein drittes, viertes, fünftes und schließlich ein sechstes. Sofort sprangen sie wieder in die Höhe, flitzten auf Kim zu und kreisten ihn ein, wobei sie ununterbrochen in schrillen Tönen schnatterten und pfiffen und plapperten und mit ihren Fäusten auf den Boden schlugen.

Kim machte einen Schritt auf die Brettertür zu, die den Ausgang bildete, und blieb sofort wieder stehen, denn die Stimmen der grotesken Wesen wurden schriller. Sie begannen wie kleine, lebendige Gummibälle auf und ab zu hüpfen und hämmerten mit den Fäusten auf den Boden. Ihre Arme waren so lang, dass sie sich dazu nicht einmal weit vorbeugen mussten. Allmählich wurde Kim doch ein wenig mulmig. Durch ihre weit nach vorne gebeugte Haltung und die hängenden Schultern war es schwer die wirkliche Größe der Geschöpfe zu schätzen, aber Kim glaubte nicht, dass sie ihm auch nur bis zur Schulter gereicht hätten, selbst wenn sie sich ganz aufrichten würden. Außerdem waren die meisten so dürr, dass schon eine flüchtige Bewegung ausreichen musste um sie in der Mitte durchzubrechen. Kim konnte sich nicht vorstellen, dass von den grotesken Kreaturen eine Bedrohung ausging.

Anderseits waren sie zu sechst und sie hatten wirklich gefährlich aussehende Zähne...

Er versuchte wieder einen Schritt auf die Tür zuzumachen und erneut verwehrten ihm die Neanderaffen den Weg. Diesmal hatten ihre Bewegungen eindeutig etwas Aggressives. Ihr Schnattern wurde schriller. Eines der Geschöpfe schlug mit der Faust nach ihm und ein zweites packte seine Hand und biss kräftig hinein.

Kim stieß einen leisen Schrei aus, riss seinen Arm zurück und schüttelte ihn hin und her. Das Geschöpf ließ jedoch nicht los, sondern wurde einfach mitgezerrt, flog zwei- oder dreimal hoch in die Luft und knallte ebenso oft ziemlich unsanft auf den Boden. Erst dann kam es auf die Idee, seine Hand loszulassen. Es flog in hohem Bogen durch die Luft, prallte mit einem Geräusch wie ein großer, weicher Gummiball gegen die Wand und verschwand quietschend in einer der Pferdeboxen. Das Pferd begann sofort zornig zu wiehern.