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»Wir wissen, wer süße Suppe und Eierkuchen essen wird, wir wissen, wer Grütze und Braten bekommt! Wie schön ist doch das!«

»Ja, aber haltet reinen Mund, denn ich bin des Kaisers Tochter!«

»Jawohl, jawohl!« sagten alle.

Der Schweinehirt, das heißt der Prinz – aber sie wußten es ja nicht anders, als daß er ein wirklicher Schweinehirt sei – ließ die Tage nicht verstreichen, ohne etwas zu thun, und da machte er eine Knarre, wenn man diese herumschwang, erklangen alle die Walzer und Hopser, die man von Erschaffung der Welt an kannte.

»Ach, das ist superbe,« sagte die Prinzessin, indem sie vorbei ging. »Ich habe nie eine schönere Musik gehört! Höre, gehe hinein und frage ihn, was das Instrument kostet, aber ich küsse nicht wieder!«

»Er will hundert Küsse von der Prinzessin haben!« sagte die Hofdame, welche hineingegangen war, um zu fragen.

»Ich glaube, er ist verrückt!« sagte die Prinzessin, und dann ging sie; aber als sie ein kleines Stück gegangen war, blieb sie stehen. »Man muß die Kunst aufmuntern,« sagte sie; »ich bin des Kaisers Tochter! Sage ihm, er soll wie neulich zehn Küsse haben; den Rest kann er von meinen Hofdamen nehmen!«

»Ach, aber wir thun es ungern!« sagten die Hofdamen.

»Das ist Geschwätz,« sagte die Prinzessin, »wenn ich ihn küssen kann, dann könnt Ihr es auch; bedenkt, ich gebe Euch Kost und Lohn!« Da mußten die Hofdamen wieder zu ihm hineingehen.

»Hundert Küsse von der Prinzessin,« sagte er, »oder jeder behält das Seine!«

»Stellt Euch davor!« sagte sie dann, und da stellten sich alle Hofdamen davor, und nun küßte er.

»Was mag das wohl für ein Auflauf beim Schweinestall sein?« fragte der Kaiser, welcher auf den Balkon hinausgetreten war. Er rieb sich die Augen und setzte die Brille auf. »Das sind ja die Hofdamen, die da ihr Wesen treiben; ich werde wohl zu ihnen hinuntergehen müssen!«

Potz tausend, wie er sich sputete!

Sobald er in den Hof hinunter kam, ging er ganz leise, und die Hofdamen hatten so viel damit zu thun, die Küsse zu zählen, damit es ehrlich zugehen möge, daß sie den Kaiser gar nicht bemerkten. Er erhob sich auf den Zehen.

»Was ist das?« sagte er, als er sah, daß sie sich küßten, und dann schlug er seine Tochter mit seinem Pantoffel auf den Kopf, gerade als der Schweinehirt den sechsundachtzigsten Kuß erhielt.

»Fort mit Euch!« sagte der König, denn er war böse, und sowohl die Prinzessin wie der Schweinehirt mußten sein Kaiserreich verlassen.

Da stand sie nun und weinte, der Schweinehirt schalt, und der Regen strömte hernieder.

»Ach, ich elendes Geschöpf,« sagte die Prinzessin, »hätte ich doch den schönen Prinzen genommen! Ach, wie unglücklich bin ich!«

Der Schweinehirt aber ging hinter einen Baum, wischte sich das Schwarze und Braune aus seinem Antlitz, warf die schlechten Kleider von sich und trat nun in seiner Prinzentracht hervor, so schön, daß die Prinzessin sich verneigen mußte.

»Ich bin dahin gekommen, Dich zu verachten!« sagte er. »Du wolltest keinen ehrlichen Prinzen haben! Du verstandest Dich nicht auf die Rose und die Nachtigall, aber den Schweinehirten konntest Du für eine Spielerei küssen. Das hast Du nun dafür!«

Und dann ging er in sein Königreich hinein; da konnte sie draußen singen:

Ach, du lieber Augustin,

Alles ist weg, weg, weg!

Der Sandmann.1

Es giebt niemand in der ganzen Welt, der so viele Geschichten weiß als der Sandmann! Er kann ordentlich erzählen.

Gegen Abend, wenn die Kinder noch am Tische oder auf ihrem Schemel sitzen, kommt der Sandmann; er kommt die Treppe sachte herauf, denn er geht auf Socken; er macht ganz leise die Thüren auf und husch! da spritzt er den Kindern süße Milch in die Augen hinein, und das so fein, so fein, aber immer genug, daß sie die Augen nicht offenhalten und ihn deshalb auch nicht sehen können. Er schleicht sich gerade hinter sie, bläst ihnen sachte in den Nacken, und dann werden sie schwer im Kopf. Aber es thut nicht weh, denn der Sandmann meint es gut mit den Kindern; er will nur, daß sie ruhig sein sollen, und das sind sie am schnellsten, wenn man sie zu Bette gebracht hat; sie sollen still sein, damit er ihnen Geschichten erzählen kann.

Wenn die Kinder nun schlafen; setzt sich der Sandmann auf ihr Bett. Er ist gut gekleidet; sein Rock ist von Seidenzeug, aber es ist unmöglich zu sagen, von welcher Farbe, denn er glänzt grün, rot und blau, je nachdem er sich wendet. Unter jedem Arm hält er einen Regenschirm.

Den einen, mit Bildern darauf, spannt er über die guten Kinder aus, und dann träumen sie die ganze Nacht die herrlichsten Geschichten; auf dem andern ist durchaus nichts, den stellt er über die unartigen Kinder. Dann schlafen diese und haben am Morgen, wenn sie erwachen, nicht das Allergeringste geträumt.

Nun werden wir hören, wie der Sandmann an jedem Abend in einer Woche zu einem kleinen Knaben, welcher Friedrich hieß, kam und was er ihm erzählte. Es sind sieben Geschichten, denn es sind sieben Tage in der Woche.

Montag.

»Höre einmal,« sagte der Sandmann am Abend, als er Friedrich zu Bette gebracht hatte, »nun werde ich aufputzen!« Da wurden alle Blumen in den Blumentöpfen zu großen Bäumen, welche ihre langen Zweige unter der Decke und längs der Wände ausstreckten, sodaß die ganze Stube wie ein prächtiges Lufthaus aussah; alle Zweige waren voll Blumen, und jede Blume war noch schöner als eine Rose, duftete lieblich, und wollte man sie essen, so war sie noch süßer, als Eingemachtes! Die Früchte glänzten gerade wie Gold, und Kuchen waren da, die vor lauter Rosinen platzten – es war unvergleichlich schön! Aber zu gleicher Zeit ertönte ein erschreckliches Jammern aus dem Tischkasten, wo Friedrichs Schulbücher lagen.

»Was ist das?« sagte der Sandmann und ging nach dem Tisch und zog den Kasten auf. Es war die Tafel, in der es riß und wühlte, denn es war eine falsche Zahl in das Rechenexempel gekommen, sodaß es nahe daran war, auseinander zu fallen; der Griffel hüpfte und sprang an seinem Bande, gerade als ob er ein kleiner Hund wäre, der dem Rechenexempel helfen möchte; aber er konnte es nicht. Und dann war es Friedrichs Schreibebuch, in welchem es auch jammerte; o, es war häßlich mit anzuhören! Auf jedem Blatte standen der Länge nach herunter die großen Buchstaben, ein jeder mit einem kleinen zur Seite, das war eine Vorschrift; neben diesen standen wieder einige Buchstaben, welche glaubten ebenso auszusehen, und diese hatte Friedrich geschrieben; sie lagen fast so, als ob sie über die Bleifederstriche gefallen wären, auf welchen sie stehen sollten.

»Seht, so solltet Ihr Euch halten«, sagte die Vorschrift. »Seht, so zur Seite, mit einem kräftigen Schwung!«

»O, wir möchten gern,« sagten Friedrichs Buchstaben, »aber wir können nicht, wir sind so jämmerlich!«

»Dann müßt Ihr Kinderpulver haben!« sagte der Sandmann.

»O nein!« riefen sie, und da standen sie schlank, daß es eine Lust war.

»Jetzt wird keine Geschichte erzählt,« sagte der Sandmann, »nun muß ich sie exerzieren. Eins, zwei! Eins, zwei!« Und so exerzierte er die Buchstaben, und sie standen so schlank und schön, wie nur eine Vorschrift stehen kann. Aber als der Sandmann ging und Friedrich sie am Morgen besah, da waren sie ebenso elend als früher.

Dienstag.

Sobald Friedrich zu Bette war, berührte der Sandmann mit seiner kleinen Zauberspritze alle Möbel in der Stube, und sogleich fingen sie an zu plaudern, und allesamt sprachen sie von sich selbst, mit Ausnahme des Spucknapfes, welcher stumm dastand und sich darüber ärgerte, daß sie so eitel sein konnten, nur von sich selbst zu reden, nur an sich selbst zu denken und durchaus keine Rücksicht auf den zu nehmen, der doch so bescheiden in der Ecke stand und sich bespucken ließ.

Über der Kommode hing ein großes Gemälde in einem vergoldeten Rahmen, das war eine Landschaft; man sah darauf große alte Bäume, Blumen im Grase und einen großen Fluß, welcher um den Wald herumfloß an vielen Schlössern vorbei, und weit hinausströmte in das wilde Meer.