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Der Sandmann berührte mit seiner Zauberspritze das Gemälde, und da begannen die Vögel darauf zu singen, die Baumzweige bewegten sich und die Wolken zogen weiter, man konnte ihren Schatten über die Landschaft hin erblicken.

Nun hob der Sandmann den kleinen Friedrich gegen den Rahmen empor und stellte seine Füße in das Gemälde, gerade in das hohe Gras, und da stand er, die Sonne beschien ihn durch die Zweige der Bäume. Er lief hin zum Wasser und setzte sich in ein kleines Boot, welches dort lag; es war rot und weiß angestrichen, das Segel glänzte wie Silber, und sechs Schwäne, alle mit Goldkronen um den Hals und einem strahlenden blauen Stern auf dem Kopf, zogen das Boot an dem grünen Walde vorbei, wo die Bäume von Räubern und Hexen und die Blumen von den niedlichen, kleinen Elfen und von dem, was die Schmetterlinge ihnen gesagt hatten, erzählten.

Die herrlichen Fische mit Schuppen wie Silber und Gold, schwammen dem Boote nach; mitunter machten sie einen Sprung, daß es im Wasser plätscherte, und Vögel, rot und blau, klein und groß, flogen in langen Reihen hinterher, die Mücken tanzten und die Maikäfer sagten: »Bum, bum!« Sie wollten Friedrich alle folgen, und alle hatten sie eine Geschichte zu erzählen.

Das war eine Lustfahrt! Bald waren die Wälder ganz dicht und dunkel, bald waren sie wie der herrlichste Garten mit Sonnenschein und Blumen. Da lagen große Schlösser von Glas und von Marmor; auf den Altanen standen Prinzessinnen, und alle waren es kleine Mädchen, die Friedrich gut kannte; er hatte früher mit ihnen gespielt. Sie streckten jede die Hand aus und hielten das niedlichste Zuckerherz hin, welches je eine Kuchenfrau verkaufen konnte, und Friedrich faßte die eine Seite des Zuckerherzens an, indem er vorbeifuhr, und die Prinzessin hielt recht fest, und so bekam jedes sein Stück, sie das kleinste, Friedrich das größte. Bei jedem Schlosse standen kleine Prinzen Schildwache, sie schulderten mit Säbeln und ließen Rosinen und Zinnsoldaten regnen. Das waren echte Prinzen!

Bald segelte Friedrich durch Wälder, bald durch große Säle oder mitten durch eine Stadt; er kam auch durch die, in welcher sein Kindermädchen wohnte, welches ihn getragen hatte, da er noch ein ganz kleiner Knabe war, und das ihm immer gut gewesen; und sie nickte und winkte und sang den niedlichen kleinen Vers, den sie selbst gedichtet und Friedrich gesandt hatte:

Ich denke Deiner so manches Mal,

Mein teurer Friedrich, Du lieber!

Ich gab Dir Küsse ja ohne Zahl

Auf Stirne, Mund, Augenlider.

Ich hörte Dich lallen das erste Wort,

Doch mußt' ich Dir Lebewohl sagen.

Es segne der Herr Dich an jedem Ort,

Du Engel, den ich getragen!

Und alle Vögel sangen mit, die Blumen tanzten auf den Stielen und die alten Bäume nickten, gerade als ob der Sandmann ihnen auch Geschichten erzählte.

Mittwoch.

Draußen strömte der Regen hernieder! Friedrich konnte es im Schlaf hören, und da der Sandmann ein Fenster öffnete, stand das Wasser gerade herauf bis an das Fensterbrett, es war ein ganzer See da draußen, aber das prächtigste Schiff lag dicht am Hause.

»Willst Du mitsegeln, kleiner Friedrich,« sagte der Sandmann, »so kannst Du diese Nacht in fremde Länder gelangen und morgen wieder hier sein!«

Da stand Friedrich plötzlich in seinen Sonntagskleidern mitten auf dem prächtigen Schiffe, sogleich wurde die Witterung schön und sie segelten durch die Straßen, kreuzten um die Kirche, und nun war alles eine große, wilde See. Sie segelten so lange, bis kein Land mehr zu erblicken war, und sie sahen einen Flug Störche, die kamen auch von der Heimat und wollten nach den warmen Ländern; ein Storch flog immer hinter dem andern, und sie waren schon weit, weit geflogen! Einer von ihnen war so ermüdet, daß seine Flügel ihn kaum noch zu tragen vermochten; er war der allerletzte in der Reihe, und bald blieb er ein großes Stück zurück, zuletzt sank er mit ausgebreiteten Flügeln tiefer und tiefer, er machte noch ein paar Schläge mit den Schwingen, aber es half nichts; nun berührte er mit seinen Füßen das Tauwerk des Schiffes, glitt vom Segel herab, und bums! da stand er auf dem Verdeck.

Da nahm ihn der Schiffsjunge und setzte ihn in das Hühnerhaus zu den Hühnern, Enten und Truthähnen; der arme Storch stand ganz befangen mitten unter ihnen.

»Sieh den!« sagten alle Hühner.

Der kalekutische Hahn blies sich so dick auf, wie er konnte, und fragte, wer er sei. Die Enten gingen rückwärts und stießen einander: »Rapple Dich, rapple Dich!«

Der Storch erzählte vom warmen Afrika, von den Pyramiden und vom Strauße, der einem wilden Pferde gleich die Wüste durchlaufe; aber die Enten verstanden nicht, was er sagte, und dann stießen sie einander: »Wir sind doch darüber einverstanden, daß er dumm ist?«

»Ja, sicher ist er dumm!« sagte der kalekutische Hahn, und dann kollerte er. Da schwieg der Storch ganz still und dachte an sein Afrika.

»Das sind ja herrlich dünne Beine, die Ihr habt!« sagte der Kalekute. »Was kostet die Elle davon?«

»Skrat, skrat, skrat!« grinsten alle Enten, aber der Storch that, als ob er es gar nicht höre.

»Ihr könnt immer mitlachen,« sagte der Kalekute zu ihm, »denn es war sehr witzig gesagt, oder war es Euch vielleicht zu hoch? Ach, er ist nicht vielseitig, wir wollen für uns selbst bleiben!« Und dann gluckte er und die Enten schnatterten: »Gikgak! Gikgak!« Es war erschrecklich, wie sie sich selbst belustigten.

Aber Friedrich ging nach dem Hühnerhause, öffnete die Thür, rief den Storch, und er hüpfte zu ihm hinaus auf das Verdeck. Nun hatte er ja ausgeruht, und es war gleichsam, als ob er Friedrich zunickte, um ihm zu danken. Darauf entfaltete er seine Schwingen und flog nach den warmen Ländern, aber die Hühner gluckten, die Enten schnatterten und der kalekutische Hahn wurde ganz feuerrot am Kopfe.

»Morgen werden wir Suppe von Euch kochen!« sagte Friedrich, und dann erwachte er und lag in seinem kleinen Bette. Es war doch eine sonderbare Reise, die der Sandmann ihn diese Nacht hatte machen lassen!

Donnerstag.

»Weißt Du was?« sagte der Sandmann. »Sei nur nicht furchtsam, hier wirst Du eine kleine Maus sehen!« Da hielt er ihm seine Hand mit dem leichten, niedlichen Tiere entgegen. »Sie ist gekommen, um Dich zur Hochzeit einzuladen. Hier sind diese Nacht zwei kleine Mäuse, die in den Stand der Ehe treten wollen. Sie wohnen unter Deiner Mutter Speisekammerfußboden; das soll eine schöne Wohnung sein!«

»Aber wie kann ich durch das kleine Mauseloch im Fußboden kommen?« fragte Friedrich.

»Laß mich nur machen,« sagte der Sandmann, »ich werde Dich schon klein bekommen!« Und er berührte Friedrich mit seiner Zauberspritze, wodurch dieser sogleich kleiner und kleiner wurde; zuletzt war er keinen Finger lang. »Nun kannst Du Dir die Kleider des Zinnsoldaten leihen; ich denke, sie werden Dir passen, und es sieht gut aus, wenn man Uniform in Gesellschaft hat!«

»Ja freilich!« sagte Friedrich, und da war er im Augenblick wie der niedlichste Zinnsoldat angekleidet.

»Wollen Sie nicht so gut sein und sich in Ihrer Mutter Fingerhut setzen?« sagte die kleine Maus. »Dann werde ich die Ehre haben, Sie zu ziehen!«

»Will sich das Fräulein selbst bemühen!« sagte Friedrich, und so fuhren sie zur Mäusehochzeit.

Zuerst kamen sie unter dem Fußboden in einen langen Gang, der nicht höher war, als daß sie gerade mit dem Fingerhut dort fahren konnten; und der ganze Gang war mit faulem Holze erleuchtet.

»Riecht es hier nicht herrlich?« sagte die Maus, die ihn zog. »Der ganze Gang ist mit Speckschwarten geschmiert worden! Es kann nichts Schöneres geben!«

Nun kamen sie in den Brautsaal hinein. Hier standen zur Rechten alle die kleinen Mäusedamen, die wisperten und zischelten, als ob sie einander zum besten hielten; zur Linken standen alle Mäuseherren und strichen sich mit der Pfote den Schnauzbart. Aber mitten im Saal sah man das Brautpaar; sie standen in einer ausgehöhlten Käserinde und küßten sich gar erschrecklich viel vor aller Augen, denn sie waren ja Verlobte und sollten nun gleich Hochzeit halten.