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Es kamen immer mehr und mehr Fremde; die eine Maus war nahe daran, die andere tot zu treten, und das Brautpaar hatte sich mitten in die Thür gestellt, sodaß man weder hinaus noch hinein gelangen konnte. Die ganze Stube war ebenso wie der Gang mit Speckschwarten eingeschmiert, das war die ganze Bewirtung, aber zum Nachtisch wurde eine Erbse vorgezeigt, in die eine Maus aus der Familie den Namen des Brautpaares eingebissen hatte, das heißt den ersten Buchstaben. Das war etwas ganz Außerordentliches.

Alle Mäuse sagten, daß es eine schöne Hochzeit und daß die Unterhaltung gut gewesen sei.

Dann fuhr Friedrich wieder nach Hause; er war wahrlich in vornehmer Gesellschaft gewesen, aber er hatte auch ordentlich zusammenkriegen, sich klein machen und Zinnsoldatenuniform anziehen müssen.

Freitag.

»Es ist unglaublich, wieviel ältere Leute es giebt, die mich gar zu gern haben möchten!« sagte der Sandmann; »es sind besonders die, welche etwas Böses verübt haben. ›Guter kleiner Sandmann,‹ sagen sie zu mir, ›wir können die Augen nicht schließen, und so liegen wir die ganze Nacht und sehen alle unsere bösen Thaten, die wie häßliche kleine Kobolde auf der Bettstelle sitzen und uns mit heißem Wasser bespritzen; möchtest Du doch kommen und sie fortjagen, damit wir einen guten Schlaf bekämen;‹ und dann seufzen sie tief: ›Wir möchten es wahrlich gern bezahlen. Gute Nacht, Sandmann! Das Geld liegt im Fenster.‹ Aber ich thue es nicht für Geld,« sagte der Sandmann.

»Was wollen wir nun diese Nacht vornehmen?« fragte Friedrich.

»Ja, ich weiß nicht, ob Du diese Nacht wieder Lust hast, zur Hochzeit zu kommen; es ist eine andere Art, als die gestrige war. Deiner Schwester große Puppe, die, welche wie ein Mann aussieht und Hermann genannt wird, wird sich mit der Puppe Bertha verheiraten; es ist obendrein der Puppe Geburtstag, und deshalb werden da sehr viele Geschenke kommen!«

»Ja, das kenne ich schon,« sagte Friedrich. »Immer wenn die Puppen neue Kleider gebrauchen, läßt meine Schwester sie ihren Geburtstag feiern oder Hochzeit halten; das ist sicher schon hundertmal geschehen!«

»Ja, aber in dieser Nacht ist es die hundert und erste Hochzeit, und wenn hundert und eins aus ist, dann ist alles vorbei! Deswegen wird auch diese so ausgezeichnet. Sieh nur einmal!«

Friedrich sah nach dem Tische. Da stand das kleine Papphaus mit Licht in den Fenstern, und draußen davor präsentierten alle Zinnsoldaten das Gewehr. Das Brautpaar saß ganz gedankenvoll, wozu es wohl Ursache hatte, auf dem Fußboden und lehnte sich gegen den Tischfuß. Aber der Sandmann, in den schwarzen Rock der Großmutter gekleidet, traute sie. Als die Trauung vorbei war, stimmten alle Möbel in der Stube folgenden Gesang an, welcher von der Bleifeder geschrieben war; er ging nach der Melodie des Zapfenstreichs.

Das Lied ertönte wie der Wind

Dem Brautpaar Hoch! das sich verbind't;

Sie prangen beide steif und blind,

Da sie von Handschuhleder sind,

:,; Hurrah! Hurrah! ob taub und blind,

Wir singen es im Wetter und Wind! :,:

Und nun bekamen sie Geschenke; aber sie hatten sich alle Eßwaren verbeten, denn sie hatten an ihrer Liebe genug.

»Wollen wir nun eine Sommerwohnung beziehen oder auf Reisen gehen?« fragte der Bräutigam. Die Schwalbe, die viel gereist war, und die Hofhenne, welche fünfmal Küchlein ausgebrütet hatte, wurden zu Rate gezogen. Und die Schwalbe erzählte von den herrlichen, warmen Ländern, wo die Weintrauben groß und schwer hängen, wo die Luft so mild ist und die Berge Farbe haben, wie man sie hier gar nicht an denselben kennt.

»Sie haben doch nicht unsern Grünkohl!« sagte die Henne. »Ich war einen Sommer mit allen meinen Kücheln auf dem Lande, da war eine Sandgrube, in der wir gehen und kratzen konnten, und dann hatten wir Zutritt zu einem Garten mit Grünkohl! O, wie war der grün! Ich kann mir nichts Schöneres denken!«

»Aber ein Kohlstrunk sieht gerade so aus wie der andere,« sagte die Schwalbe, »und dann ist hier oft schlechtes Wetter!«

»Ja, daran ist man gewöhnt!«

»Aber hier ist es kalt, es friert!«

»Das ist gut für den Kohl!« sagte die Henne. »Übrigens können wir es auch warm haben. Hatten wir nicht vor Jahren einen Sommer, so heiß, daß man kaum atmen konnte? Dann haben wir nicht alle die giftigen Tiere, die sie dort haben, und wir sind von Räubern befreit! Der ist ein Bösewicht, der nicht findet, daß unser Land das schönste ist; er verdiente wahrlich nicht hier zu sein!« Und dann weinte die Henne und fuhr fort: »Ich bin auch gereist! Ich bin einmal über zwölf Meilen gefahren! Es ist durchaus kein Vergnügen beim Reisen!«

»Ja, die Henne ist eine vernünftige Frau!« sagte die Puppe Bertha. »Ich halte nichts davon, Berge zu bereisen, denn das geht nur hinauf und dann wieder herunter! Nein, wir wollen nach der Sandgrube hinausziehen und im Kohlgarten spazieren!«

Und dabei blieb es.

Sonnabend.

»Bekomme ich nun Geschichten zu hören?« fragte der kleine Friedrich, sobald der Sandmann ihn in den Schlaf gebracht hatte.

»Diesen Abend haben wir nicht Zeit dazu,« sagte der Sandmann und spannte seinen schönsten Regenschirm über ihn auf. »Betrachte nur die Chinesen!« Der ganze Regenschirm sah aus wie eine große chinesische Schale mit blauen Bäumen und spitzen Brücken und mit kleinen Chinesen darauf, die dastanden und mit dem Kopfe nickten. »Wir müssen die ganze Welt zu morgen schön ausgeputzt haben,« sagte der Sandmann; »es ist ja morgen Sonntag. Ich will die Kirchtürme besuchen, um zu sehen, ob die kleinen Kirchkobolde die Glocken polieren, damit sie hübsch klingen; ich will hinaus auf das Feld gehen und sehen, ob die Winde den Staub von Gras und Blätter blasen, und was die größte Arbeit ist, ich will alle Sterne herunterholen, um sie zu polieren. Ich nehme sie in meine Schürze; aber erst muß ein jeder numeriert werden, und die Löcher, worin sie da oben sitzen, müssen auch numeriert werden, damit sie wieder auf den rechten Fleck kommen, sonst würden sie nicht festsitzen und wir würden zu viele Sternschnuppen bekommen, indem der eine nach dem andern herunterpurzeln würde!«

»Hören Sie, wissen Sie was, Herr Sandmann?« sagte ein altes Bild, welches an der Wand hing, wo Friedrich schlief. »Ich bin Friedrichs Urgroßvater; ich danke Ihnen, daß Sie dem Knaben Geschichten erzählen, aber Sie müssen seine Begriffe nicht verdrehen. Die Sterne können nicht heruntergenommen und poliert werden! Die Sterne sind Kugeln, ebenso wie unsere Erde, und das ist gerade das Gute an ihnen.«

»Ich danke Dir, Du alter Urgroßvater,« sagte der Sandmann, »ich danke Dir! Du bist ja das Haupt der Familie, Du bist das Urhaupt, aber ich bin doch älter als Du! Ich bin ein alter Heide; Römer und Griechen nannten mich den Traumgott! Ich bin in die vornehmsten Häuser gekommen und komme noch dahin; ich weiß sowohl mit Geringen wie mit Großen umzugehen! Nun kannst Du erzählen!« Und da ging der Sandmann und nahm seinen Regenschirm mit.

»Nun darf man wohl seine Meinung gar nicht mehr sagen!« brummte das Bild.

Da erwachte Friedrich.

Sonntag.

»Guten Abend!« sagte der Sandmann, Friedrich nickte und wandte das Bild des Urgroßvaters gegen die Wand um, damit es nicht, wie gestern, mitspreche.

»Nun mußt Du mir Geschichten erzählen: von den fünf grünen Erbsen, die in einer Schote wohnten, und von dem Hahnenfuß, der dem Hühnerfuße den Hof machte, und von der Stopfnadel, die so vornehm that, daß sie sich einbildete, eine Nähnadel zu sein!«

»Man kann auch des Guten zu viel bekommen!« sagte der Sandmann. »Du weißt wohl, daß ich Dir am liebsten etwas zeige! Ich will Dir meinen Bruder zeigen. Er heißt auch Sandmann, aber er kommt zu niemand öfters als einmal, und zu wem er kommt, den nimmt er mit auf sein Pferd und erzählt ihm Geschichten. Er kennt nur zwei; die eine ist so außerordentlich schön, daß niemand in der Welt sie sich denken kann, und die andere ist so häßlich und greulich – es ist gar nicht zu beschreiben!« Und dann hob der Sandmann den kleinen Friedrich zum Fenster hinauf und sagte: »Da wirst Du meinen Bruder sehen, sie nennen ihn auch den Tod! Siehst Du, er sieht gar nicht so schlimm aus wie in den Bilderbüchern, wo er nur ein Knochengerippe ist! Nein, das ist Silberstickerei, die er auf dem Kleide hat, die schönste Husarenuniform, ein Mantel von schwarzem Sammet fliegt hinten über das Pferd. Sieh, wie er im Galopp reitet!«