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»In diesem Punkt irren sie, und das ist eine Schwäche, die wir ausnutzen können.« Juran verschränkte die Finger. »Unsere Götter sind real. Vielleicht würden die Pentadrianer ihre falschen Götter aufgeben, wenn sie das wüssten.«

»Wie sollen wir sie davon überzeugen?«, hakte Rian nach. »Würden die Götter ihre Macht demonstrieren, wenn wir sie darum bäten?«

»Solange wir nicht von ihnen verlangen, jedes Mal in Erscheinung zu treten, wenn wir einem Pentadrianer begegnen«, erwiderte Juran.

Dyara schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Würden die Pentadrianer es glauben oder zu dem Schluss kommen, dass wir eine Illusion heraufbeschworen haben?«

Auraya lachte leise. »Geradeso wie ihr beide, du und Juran, zu dem Schluss gekommen seid, der pentadrianische Gott, den ich gesehen habe, müsse eine Illusion sein?«, fragte sie leichthin.

Dyara runzelte die Stirn, aber Juran blickte nachdenklich drein. »Vielleicht hätte diese Erscheinung auch uns überzeugt, wenn wir in diesem Moment dort gewesen wären.«

»Falls ihre Götter real sind, werden wir sie davon überzeugen müssen, dass unsere Götter besser sind«, warf Mairae ein.

Juran nickte. »Ja. Fürs Erste müssen wir die Pentadrianer dazu bringen, ihre Meinung über uns zu ändern. Wir müssen sie nicht nur davon überzeugen, dass unsere Götter real sind, sondern auch davon, dass es besser ist, unsere Freundschaft zu suchen, als uns zu überfallen. Wir müssen beweisen, dass alles, was sie an uns verabscheuen, auf Unwahrheiten beruht. Sie halten uns für Heiden; wir beweisen, dass sie unrecht haben. Sie denken, wir ließen andere Religionen nicht gelten…« Sein Blick wanderte zu Auraya hinüber. »Wir beweisen ihnen, dass sie unrecht haben.«

Auraya blinzelte überrascht, aber Juran gab keine weitere Erklärung ab. Er beugte sich vor und faltete die Hände. »Ich möchte, dass ihr alle sorgfältig darüber nachdenkt.« Er sah sie der Reihe nach an. »Findet heraus, was sie an uns so sehr verabscheuen. Macht ihnen klar, dass es für sie von Nutzen wäre, unsere Freundschaft zu suchen. Wir wollen keine weitere Invasion, und wonach mir am wenigsten der Sinn steht, wäre die Eroberung des südlichen Kontinents und die Mühe, versuchen zu müssen, diese Länder zu regieren.«

»Wenn es Informationen sind, die wir brauchen, sollten wir unser Netz von Spionen verbessern«, sagte Rian.

»Ja«, stimmte Juran ihm zu. »Tu das.«

Er wandte sich an Auraya. »Jetzt zu deiner Aufgabe.«

Sie richtete sich höher auf. »Ja?«

»Die Pentadrianer glauben, dass wir andere Religionen nicht dulden. Ich möchte, dass du deine Arbeit mit den Traumwebern fortsetzt. Ihre Fähigkeiten als Heiler haben mich nach der Schlacht sehr beeindruckt. Viele der Heilerpriester haben ebenfalls Bewunderung für ihr Tun ausgedrückt. Sie haben, wie ich weiß, allein durch die Beobachtung der Traumweber viel gelernt. Die Menschen in dieser Stadt könnten großen Nutzen aus einer Zusammenarbeit von Traumwebern und Zirklern ziehen. Ich möchte, dass du eine Einrichtung ins Leben rufst, in der Traumweber und Heilerpriester zusammenarbeiten.«

Auraya starrte ihn an und fragte sich, ob er wusste, dass dies genau das war, was sie selbst sich bereits vorgenommen hatte. Waren seine Beweggründe tatsächlich so nobel, wie seine Worte es vermuten ließen? War ihm klar, welche Wirkung eine solche Entscheidung auf die Traumweber haben könnte?

Die fortgesetzte Existenz der Traumweber war an ihre einzigartigen Fähigkeiten als Heiler gebunden. Trotz des allgemeinen Misstrauens und der Intoleranz suchten die Menschen ihre Hilfe, weil die Traumweber bessere Heiler waren als die Zirkler. Die meisten Männer und Frauen, die dem Orden der Traumweber beitraten, taten es, um ebendiese Kenntnisse der Heilkunst zu bewahren.

Und indem sie sich zu diesem Schritt entschlossen, verwirkten sie ihre Seelen. Die Götter nahmen die Seelen der Toten, die ihnen im Leben nicht gehuldigt hatten, nicht in ihrer Mitte auf. Wenn die Zirkler ebenso viel über die Heilkunst wüssten wie die Traumweber, würden weniger Menschen ihrem Orden beitreten, und es würden weniger Seelen verloren gehen.

Der Preis dafür war die Schwächung und vielleicht sogar die Vernichtung eines Ordens, den Auraya bewunderte. Andererseits erschien ihr dieser Preis jetzt nicht mehr gar so hoch zu sein. Die Rettung von Seelen war wichtiger als die Erhaltung eines heidnischen Kults. Außerdem würden auch die Lebenden daraus einen Nutzen ziehen. Es gab mehr zirklische Priester und Priesterinnen als Traumweber. Sie könnten mehr Leben retten.

Dennoch war es ungewöhnlich, dass Juran ihr vorschlug, Zirkler und Traumweber zur Zusammenarbeit zu ermutigen. Schließlich hatte er auf Geheiß der Götter Mirar getötet. Wie weit würde seine Toleranz ihren Fähigkeiten gegenüber gehen?

»Hast du die Absicht, die Fähigkeiten, die diese Heiler von den Traumwebern erlernen sollen, irgendwie zu begrenzen?«, fragte sie. »Was ist mit all den Fähigkeiten, die auf Gedankenheilung fußen – mit Traum- und Gedankenvernetzungen?«

Juran runzelte die Stirn; diese Vorstellung bereitete ihm offenkundig Unbehagen. »Fang mit den praktischen Dingen an, die sich auf den Körper beschränken. Wenn diese mit Träumen verbundenen Fähigkeiten sich als nützlich erweisen, werden wir die Möglichkeit erwägen, sie ebenfalls zu übernehmen.«

Sie nickte. »Ich werde gleich morgen die entsprechenden Vorkehrungen treffen.«

Juran sah sie gedankenvoll an, dann richtete er sich auf und holte tief Atem. »Gibt es noch andere Themen, die wir erörtern müssen?«

Eine lange Pause folgte. Die vier Weißen schüttelten den Kopf.

»Dann wäre das alles für heute«, erklärte Juran.

»Du hast dich also dagegen entschieden, die Götter zu rufen?«, fragte Dyara.

Juran schüttelte den Kopf. »Wenn sie herausgefunden hätten, dass die Götter der Pentadrianer real sind, wären sie erschienen, um es uns mitzuteilen.«

Mairae zuckte die Achseln und stand auf. Die fünf Wände des Altars senkten sich langsam. Sie lächelte. »Wenn sie mit uns hätten reden wollen, wären die Wände geschlossen geblieben.«

Als die Weißen sich erhoben und den Altar verließen, konzentrierte sich Auraya auf die Magie um sich herum. Sie konnte keine Spur von den Göttern entdecken – zumindest nichts, was sie hätte spüren können. Das Einzige, was sie wahrnahm, war ein schwacher Hauch von Magie, wo die Wände auf den Boden des Altars trafen.

»Auraya«, sagte Dyara.

Sie sah die ältere Weiße an. »Ja?«

»Hast du die Absicht, reiten zu lernen?«

»Reiten?«, wiederholte Auraya überrascht. Sie dachte an die Träger – die großen weißen Reyna, die die anderen Weißen ritten. Ihre wenigen Versuche in der Vergangenheit, gewöhnliche Reyna zu reiten, waren höchst peinlich gewesen, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie mit den Trägern besser zurechtkommen würde. »Hm… nein. Das ist für mich nicht notwendig.«

Dyara nickte. »Das ist wahr. Aber wir haben einen Träger für dich züchten lassen, daher kann ich nur annehmen, dass die Götter trotz deiner Fähigkeit zu fliegen die Absicht hatten, dich reiten zu sehen.«

»Es ist möglich, dass sie mich, lange bevor der Träger gezüchtet wurde, auserwählt haben«, erwiderte Auraya langsam. »Bevor sie wussten, dass sie jemanden auswählen würden, der nicht reiten konnte. Das könnte der Grund sein, warum sie mir die Fähigkeit des Fliegens geschenkt haben.«

Dyara blickte nachdenklich drein. »Zum Ausgleich?«

»Ja.«

Sie hörten ein Lachen von Mairae. »Vielleicht haben sie es mit dem Ausgleich ja ein wenig übertrieben.«

Juran kicherte und lächelte Auraya an. »Nur ein klein wenig, aber dafür sind wir ungeheuer dankbar.«

3

Zu dieser Zeit des Jahres, bei dem trockenen, windigen Wetter, sahen alle Gegenstände aus der Ferne betrachtet geisterhaft aus – falls man sie überhaupt sehen konnte. Als Reivan die Promenade erreichte, kam das Sanktuarium vollends in Sicht. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie blieb stehen, um ihre schwere Tasche mit einem Seufzer der Erleichterung abzusetzen.