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»Es sei denn, sie wären aus dem Holz eines Willkommensbaums gemacht«, warf Tamun ein. »Oder aus schwarzer Koralle.«

»Was bedeutet, dass sie als körperliche Waffe vollkommen nutzlos wären.« Surim sah Emerahl an und lächelte. »Achte gar nicht auf uns, meine Liebe. Wir haben den größten Teil eines Jahrtausends mit solchen Streitereien verbracht. Erzähl uns lieber etwas über dich und über die Welt. Die Möwe hält uns auf dem Laufenden, aber ihm kommen nur Gerüchte und Geschwätz zu Ohren. Du hast die jüngsten Ereignisse mit eigenen Augen gesehen.«

Emerahl setzte sich und lachte leise. »Zweifellos hat die Möwe euch davon erzählt. Es ist wahr, ich habe einige Dinge gesehen. Wenn auch nicht aus freien Stücken.«

Und sie begann zu erzählen, wie ein Priester sie vor über einem Jahr aus ihrem Leuchtturm vertrieben hatte.

Auraya ging in der Laube auf und ab.

Während der letzten Wochen war sie kreuz und quer durch Si geflogen, zu allen Dörfern, die von der Herzzehre betroffen waren. Überall hatte sie Anweisung gegeben, drei Lauben bauen zu lassen, geradeso wie Mirar es bei dem Stamm vom Blauen See getan hatte. Sie hatte den Siyee in jedem Dorf beigebracht, wie man Heilkuren zubereitete und wie man beurteilte, wann ein Patient wahrscheinlich magische Hilfe brauchte, um die Krankheit zu überwinden. Jetzt konnte sie, wann immer sie ein Dorf besuchte, jene versorgen, die sie am dringendsten brauchten, bevor sie ins nächste Dorf weiterflog.

Aber an diesem Morgen hatte Juran sich mit ihr in Verbindung gesetzt, um ihr mitzuteilen, dass die Götter später am Tag am Altar ihr Urteil verkünden würden. Dieser Umstand hatte sie dazu gezwungen, stundenlang in ihrer Laube zu bleiben, obwohl sie wusste, dass viele kranke Siyee ihre Hilfe brauchten, während sie untätig dasitzen musste. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie die Hände rang, wie ihre Mutter es immer getan hatte, wenn sie nervös gewesen war. Sie löste die Finger voneinander und seufzte verärgert.

Oh! Genug der Warterei! Ich wünschte, die Götter würden ihre Entscheidung bekanntgeben und die Angelegenheit endlich hinter sich bringen!

Mit verkrampftem Magen ging sie weiter im Raum auf und ab. Sie musste an Chaias Worte denken: Wisse, dass du dir einen der Götter zum Feind gemacht hast. Einen der Götter. Nicht zwei. Von allen Göttern hatte sie Huan und Chaia am meisten Grund geliefert, sie mit Missfallen zu betrachten. Hatte sie sich Huan mit ihrem Ungehorsam zur Feindin gemacht? Wahrscheinlich. Hatte sie Chaia mit ihrer Zurückweisung seiner Liebe gekränkt? Möglicherweise.

Sie hatte viele Male über die Entdeckung nachgegrübelt, dass die Götter sich, was ihr Schicksal betraf, nicht einig waren. Auf welche Seite mochte jeder Gott sich geschlagen haben? Chaia hatte angedeutet, dass ihre Weigerung, Mirar zu töten, vor allem Huan erzürnt hatte. Wie dachten die anderen Götter darüber?

Auraya?

Ihr Mund wurde trocken, als sie Jurans Gedankenstimme erkannte.

Juran? Ist es so weit?

Ja. Mairae und ich sind am Altar.

Sie nickte, wobei sie ganz vergaß, dass er sie nicht sehen konnte, und ging zu einem Stuhl. Als sie sich setzte, kam Unfug aus seinem Korb gehuscht und kletterte an der Wand der Laube hinunter, um sich auf ihrem Schoß zusammenzurollen. Jetzt, da es draußen langsam kühl wurde, nutzte er jeden warmen Körper, der für mehr als einige Sekunden still am selben Ort verharrte.

Auraya konzentrierte sich auf Jurans Geist, schloss die Augen und nahm die Bilder in sich auf, die er sah. Er war im Altar. Die Wände hatten sich geschlossen. Mairae saß auf ihrem Platz. Auraya spürte, wie Dyara und Rian sich mit Juran vernetzten. Als alle bereit waren, begann Juran das kurze Ritual.

»Chaia, Huan, Lore, Yranna, Saru. Wieder einmal danken wir euch für den Frieden, den ihr über Ithania gebracht habt, und für die Gaben, die ihr uns geschenkt habt. Wir danken euch für eure Weisheit und Leitung.«

»Wir danken euch«, murmelte Mairae. Auraya hörte Dyara und Rian im Geist die Worte sprechen und wiederholte sie dann selbst.

»Ihr habt uns übermittelt, dass ihr jetzt bereit seid, das Urteil über Auraya zu verkünden. Bitte, erscheint und seid euren demütigen Dienern willkommen.«

»Leitet uns.«

Von Jurans Blickpunkt aus sah Auraya, wie an vier Stellen im Raum die Luft zu leuchten begann. Die Lichter nahmen langsam Form an und bildeten die Gestalten von Huan, Lore, Yranna und Saru. Sie fragte sich, wo Chaia sein mochte, dann wandte Juran den Kopf zur Seite, und sie stellte fest, dass der Gott rechts von Juran stand.

Juran, Dyara, Rian, Mairae und Auraya, sagte Chaia. Wir haben euch zu unseren Stellvertretern erwählt, auf dass ihr in unserem Namen in der Welt der Sterblichen handeln möget. Bisher waren wir zufrieden mit eurer Arbeit.

Wir haben stets Acht gegeben, euch nur mit Aufgaben zu betrauen, die ihr erfüllen konntet, ergänzte Yranna. Sie sah Juran an. Einmal, vor langer Zeit, waren wir gezwungen, einen von euch zu bitten, gegen sein Herz zu handeln. In jüngster Zeit blieb uns nichts anderes übrig, als von einem unter euch das Gleiche noch einmal zu verlangen.

Nur dass die Aufgabe diesmal unerfüllt geblieben ist, brummte Lore.

Zweimal haben wir Befehl dazu gegeben; zweimal wurde uns der Gehorsam verweigert, sagte Saru.

Huan blickte zu Juran hinüber, und Auraya schauderte, als ihr bewusst wurde, dass die Göttin nicht Juran ansah, sondern sie. Mit einem Mal zitterte sie. Die Furcht nagte an ihrer Entschlossenheit. Wie konnte sie sich gegen den Willen der Götter stellen, jener Götter, die sie immer bewundert hatte?

Aber wie konnte sie Wesen huldigen, die ihre eigenen Gesetze und ihre eigene Rechtsprechung so leicht missachtete?

Wir räumen ein, dass Auraya noch neu in ihrem Amt ist, sagte Huan, aber ihre Unerfahrenheit sollte sie nicht in ihrer Fähigkeit beschränken, ihre Pflichten zu versehen. Einige von euch glauben, die Aufgabe, die wir ihr zugewiesen haben, sei ihrem Charakter nicht gemäß gewesen. Wir erwarten, dass ihr alle unangenehme Aufgaben ausführt, wenn es notwendig ist.

Auraya glaubt, unsere Entscheidung sei ein Unrecht gewesen, bemerkte Lore. Wir haben vor einem Jahrhundert ein Urteil über Mirar gesprochen, und an diesem Urteil hat sich nichts geändert.

Auraya widerstand dem Drang zu protestieren. Er hat sich geändert, dachte sie. Er ist nicht mehr der Mann, der er einmal war.

Die Zeit hebt die Verbrechen, die er in der Vergangenheit begangen hat, nicht auf, und daran ändert auch der Umstand nichts, dass er sich ein Jahrhundert lang hinter einer anderen Identität versteckt hat, sagte Huan.

Die Verbrechen, die man ihm zur Last legt, waren zu gering, um die Todesstrafe zu rechtfertigen, dachte sie. Aber sie schwieg. Die Götter kannten ihre Meinung. Es hatte keinen Sinn, sie auszusprechen.

Auraya verlangt Gerechtigkeit um ihres eigenen Gewissens willen, fügte Saru hinzu. Ihr könnt etwas Derartiges nicht jedes Mal tun, wenn wir von euch verlangen, einen Verbrecher hinzurichten.

In Zeiten wie diesen müsst ihr uns vertrauen, warf Yranna leise ein. Wenn die Not groß ist und die Gerechtigkeit hinter unseren Taten schwer zu erkennen.

Huans Blick wanderte nach oben, und Auraya vermutete, dass sie jetzt Chaia ansah.

Wir haben verfügt, dass Auraya nach Jarime zurückkehren muss, erklärte Chaia. Bildete sie es sich nur ein, oder klang er tatsächlich erschöpft und widerstrebend? Sie darf Jarime für einen Zeitraum von zehn Jahren nicht mehr verlassen, es sei denn, Nordithania würde angegriffen und sie befände sich in Begleitung eines anderen Weißen.