Выбрать главу

Der Krieg der Götter dürfte wohl als großes magisches Ereignis durchgehen, bemerkte Mirar.

Ja. Ich habe es immer für seltsam gehalten, dass ein Krieg zwischen solchen Wesen keine Auswirkungen auf die materielle Welt gehabt haben soll. Die einzige Veränderung für die Sterblichen bestand darin, dass die Götter nicht länger erschienen oder dass sie Gaben verloren, die ihre Götter ihnen geschenkt hatten.

Ich frage mich, ob die Leeren Räume für die Götter eine Gefahr darstellen. Sie sind schließlich Wesen aus reiner Magie.

Gefährlich würde es wohl nur sein, wenn sie in einen solchen Raum hineinstolperten, denke ich.

Ja. Ich frage mich, ob wir das nicht irgendwie arrangieren könnten.

Emerahls Erheiterung erreichte ihn in Form einer sanften Welle des Vergnügens.

Es ist still geworden, sagte sie plötzlich.

Mirar lauschte. Er brauchte einen Augenblick, um die Bedeutung der Stille zu begreifen. Das Tosen des Windes war verebbt. Entweder hatte sein Unterbewusstsein den Lärm endlich ausgeblendet, oder der Sturm hatte sich gelegt.

Ich sollte wohl besser aufwachen und meinen Gastgebern gegenüber höflich sein, bemerkte Emerahl. Ich wünsche dir noch eine gute Reise, Mirar.

Danke, erwiderte er und dachte an den trügerischen Schnee und die zerklüfteten Berge, die er noch überwinden musste.

Ihr Geist zog sich aus seinen Sinnen zurück. Er holte tief Luft und riss sich aus dem Traum heraus. Zu seiner Erleichterung hatte das Brüllen des Sturms tatsächlich ein Ende gefunden. Als er die Augen aufschlug, sah er nur Dunkelheit, daher zog er Magie in sich hinein und schuf einen Lichtfunken. Seine Erleichterung schlug in Entsetzen um.

Der gesamte Eingang zu der riesigen Höhle, in der er Zuflucht gesucht hatte, war von einer Wand aus Schnee versperrt.

Deshalb konnte er den Wind nicht mehr hören.

47

Einen Tag nachdem die Elai das Plündererschiff versenkt hatten, befahl Imenja dem Kapitän ihres Schiffs, in der Nähe einer Ansammlung kleiner Inseln anzulegen. Die Inseln bestanden aus kaum mehr als Felsen, aber im Meer ringsum gab es reiche Bestände von Bullenfischen. Die Inseln waren zu weit von Borra entfernt, als dass die Elai hier Nahrung beschaffen konnten, und für jemanden, der keine Magie besaß, wäre es überdies zu gefährlich gewesen, sich in diese Gewässer zu begeben. Imenja hatte sich bisher jeden Tag mit einigen tollkühnen Seeleuten hinausgewagt, um Bullenfische zu sammeln, und zwei Tage lang hatten sie sich an der Delikatesse gütlich getan.

Alle, bis auf Reivan. Unglücklicherweise war sie die Einzige an Bord, die diese Bullenfische nicht mochte. Einige der Seeleute aßen sie sogar lieber roh. Reivan drehte sich schon bei dem bloßen Gedanken daran der Magen um. Der Schiffskoch hatte Reivans Widerwillen jedoch als eine persönliche Herausforderung aufgefasst. Jeden Abend bereitete er die Tiere auf eine andere Weise zu und suchte nach einer Möglichkeit, Reivans Meinung diesbezüglich zu ändern. Unter Imenjas wachsamem Blick hatte Reivan die Bullenfische angebraten, geröstet, in Suppen und sogar zu einem Brei zerdrückt probiert, aber bei dem starken, durchdringend fischigen Geschmack musste sie jedes Mal würgen.

Sie wünschte sich sehnlichst, dass das Schiff weiterfahren würde, aber die kulinarischen Freuden waren nicht der einzige Grund, warum Imenja an diesem Ort verweilte. Die Zweite Stimme musste den Elai-Kriegern Zeit geben, in ihre Stadt zurückzukehren und dem König die Neuigkeiten zu überbringen. Anschließend musste dann noch ein Bote zu ihnen hinausschwimmen können – falls der König sich dafür entschied, einen auszuschicken.

»Ich denke, ich lerne, das Leben auf dem Meer langsam zu mögen«, sagte Imenja. »Vielleicht sollte ich darauf verzichten, die Welt zu beherrschen, und stattdessen Händlerin werden.«

Reivan drehte sich zu Imenja um. »Das würde für dich vermutlich keine große Veränderung bedeuten. Du würdest nach wie vor andere herumkommandieren und mit Menschen vieler Nationen verhandeln. Aber ich denke, ich ziehe die schlichten Annehmlichkeiten des Sanktuariums vor.«

»Dort hat man viel mehr Platz«, stimmte Imenja ihr zu.

»Und dort gibt es keine… oh nein. Jetzt geht das schon wieder los.«

Sie hatte den Koch entdeckt, der sich dem Pavillon näherte. Er hielt ein hölzernes, mit einer umgestülpten Schale bedecktes Brett in Händen.

Imenja kicherte. »Er versucht nur, dir einen Gefallen zu tun.«

»Bist du dir sicher, dass er nicht vielmehr danach trachtet, mich krank zu machen?«

Der Koch trat in den Pavillon, machte hastig über der Brust das Zeichen des Sterns und hob dann mit einer schwungvollen Gebärde die Schale von dem hölzernen Brett. Reivan seufzte.

Auf dem Brett lag eine flache irdene Schale mit Bullenfischen. Er hatte ihre Schalen entfernt und sie dann gedünstet. Ein köstlicher Geruch von Kräutern drang an Reivans Nase, was ihr jedoch wenig Hoffnung machte, dass sie das Gericht mögen würde.

Der Koch hielt ihr eine Gabel hin. »Koste.«

Reivan schüttelte den Kopf.

»Koste einfach davon, Reivan«, sagte Imenja im Tonfall eines Menschen, der kein Nein als Antwort akzeptieren würde.

Seufzend griff Reivan nach der Gabel und spießte eins der schleimig aussehenden Wesen auf. Sie beäugte den Bissen schicksalsergeben und zwang sich, ihn in den Mund zu stecken.

Der übelkeiterregende Geschmack, den sie erwartet hatte, blieb aus. Stattdessen kostete sie ein mildes Aroma, angereichert mit wohlriechenden Kräutern. Überrascht kaute sie vorsichtig, davon überzeugt, dass der Geschmack, den sie verabscheute, sich daraufhin entwickeln würde. Es geschah jedoch nichts dergleichen, und sie schluckte beinahe widerstrebend.

Der Koch grinste. »Es schmeckt dir.«

Sie nickte. »Es ist besser. Viel besser.«

»Wirklich?« Imenja nahm Reivan die Gabel ab und spießte einen Bissen von dem Brett auf. Sie schob ihn in den Mund und kaute, und ihre Augen weiteten sich. »Es ist wahr. Das Aroma ist raffiniert und köstlich. Du hast die Bullenfische gedämpft?«

Der Koch nickte.

»Merk dir, was du getan hast«, sagte sie. »Ich frage mich, ob wir Bullenfisch nach Hause transportieren können, um…«

Plötzlich veränderte sich ihre Miene. Mit gefurchter Stirn scheuchte sie den Koch weg, erhob sich und trat aus dem Pavillon. Reivan folgte ihrer Herrin, die zur Reling des Schiffes hinüberging und aufs Meer hinausstarrte.

»Ich glaube, wir werden gleich Besuch vom Meeresvolk erhalten«, murmelte sie. »Ja. Dort.«

Sie streckte die Hand aus und zeigte auf die Stelle, die sie meinte. Das Wasser war durchzogen von schwarzen Schatten und dem roten Licht der untergehenden Sonne, die sich auf der Oberfläche spiegelte. Reivan bemerkte jetzt einen kopfgroßen Gegenstand, der sich in den Wellen auf und ab bewegte. Einen Moment später war er verschwunden. Sie hielt nach weiteren Spuren von Elai aus, doch vergeblich.

»Wirf ein Seil aus«, befahl Imenja einem Seemann, der in der Nähe stand. Er beeilte sich, ihr zu gehorchen. Während das Seil auslief, spähte Reivan über die Reling.

Ein Kopf erschien, und zwei milchige Augen schauten zu ihnen auf. Die inneren Augenlider des Elai-Kriegers glitten zurück. Er griff nach dem Seil und begann hinaufzuklettern.

An der Reling angelangt, hielt er inne und musterte die Mannschaft mit offenkundigem Unbehagen. Er war älter als die Elai-Krieger, die das Schiff versenkt hatten. Als Imenja vortrat, um ihn willkommen zu heißen, drehte er sich mit ernster Miene zu ihr um.

»Ich bin gekommen, um euch eine Nachricht zu überbringen«, erklärte er. »König Ais, der Herrscher über Borra und die Elai, lädt die Zweite Stimme Imenja, Dienerin der pentadrianischen Götter, ein, folgenden Vorschlag zu überdenken.«