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»Und ich werde mich bei euch melden, sobald ich etwas Neues erfahre.«

Tamun und Surim nickten. Surim runzelte die Stirn. »Wir würden selbst hinausziehen, aber du kennst die heutige Welt viel besser als wir. Obwohl wir jeden Tag die Gedanken von Sterblichen abschöpfen, können wir nicht sicher sein, dass unser Wissen es uns ermöglichen würde zu überleben.«

»Und wenn wir fortgingen, müssten wir uns eigentlich trennen.« Surim fügte nicht hinzu, wie sehr ihnen das widerstreben würde. Seine normalerweise so muntere Stimme klang angespannt. »Wir werden von größerem Nutzen sein, wenn wir Gedanken abschöpfen und an andere weitergeben, was wir auf diese Weise in Erfahrung bringen.«

Emerahl lächelte und hob die Hände. »Hört auf damit. Ich verstehe euer Widerstreben. Ich möchte dies hier tun. Selbst wenn wir keine Möglichkeit finden, die Götter zu töten, lohnt es sich immer, etwas über sie zu erfahren – insbesondere über ihre Grenzen.«

»Das ist jetzt deine Mission«, sagte Surim kichernd. »So hätte die Seherin es jedenfalls genannt.«

Emerahl lachte. »Sie hätte es ›Mission Schriftrolle der Götter‹ genannt.

Tamun nickte. »Und sie hätte ein abscheuliches Gedicht darüber geschrieben und es eine ›Prophezeiung‹ genannt. Eine grünäugige Fee wird die Schriftrolle finden; sie wird die Welt retten und die Seelen aller, die sie bewohnen.«

»Hör auf. Bitte.« Immer noch kichernd wandte Emerahl sich dem Boot zu. Sie löste die Vorleine von dem Krug und ging an Bord. Sofort entfernte sich das Boot von der Anlegestelle und den Zwillingen.

»Die Strömung wird dich hinausbringen«, rief Surim.

»Viel Glück«, fügte Tamun hinzu.

Emerahl stellte den Beutel beiseite und blickte über die Schulter. Die Strömung hatte sie bereits ein gutes Stück durch die Höhle getragen. Die Geschwister winkten. Emerahl hob grüßend die Hand.

Dann, als ihr Boot den Höhleneingang auf der anderen Seite erreicht hatte, wandte sie sich nach vorn und lenkte es in den Haupttunnel.

Sie lächelte leise vor sich hin. Die Mission Götterrolle hatte begonnen.

Seit sie die Insel verlassen hatten, war kein Wort gefallen. Es konnte nichts gesagt werden, da sie den ganzen Weg mit nur wenigen kurzen Pausen schwammen. Als Imi zurückgefallen war, hatten zwei Krieger sie an den Händen genommen und hinter sich hergezogen, was Spaß gemacht hätte, wären nicht alle so ernst gewesen.

Als Imi nun neben ihrem Vater aus dem Wasser stieg, kostete jeder Schritt sie ungeheure Anstrengung. Ihr ganzer Körper schmerzte. Ihre Beine brannten, nachdem sie eine so lange Strecke geschwommen war, und ihre Schultern taten weh. Sie war erleichtert, als ihr Vater, nachdem er den Rand des Mundes erreichte hatte, stehen blieb.

»Mein Volk. Bürger von Borra.«

Als plötzlich die dröhnende Stimme ihres Vaters neben ihr erklang, blickte sie überrascht auf. Bei dem Anblick der Menschenmenge in der Nähe des Eingangs zur Stadt wurde ihr mit einem Mal klar, dass viele Elai sich versammelt hatten, um auf ihre Rückkehr zu warten. Und auf Neuigkeiten.

»Heute habe ich mich auf ein großes Glücksspiel eingelassen, aber ich weiß, dass viele von euch meine Entscheidung gutheißen werden. Ich habe eine Übereinkunft mit den Pentadrianern getroffen. Sie werden mit uns Handel treiben, sie werden uns unterrichten – und ihr alle wisst, dass sie viel zu lehren haben -, und sie werden uns in schwierigen Zeiten zu Hilfe kommen. Eine solche Übereinkunft birgt immer eine Gefahr, und sie gründet auf Vertrauen und Anstand auf beiden Seiten. Aber sie bietet auch große Vorteile. Ich glaube, dass wir mit der Hilfe der Pentadrianer stärker werden können. Vielleicht stark genug, um uns nicht länger in dieser Stadt verstecken zu müssen. Vielleicht stark genug, um uns nicht länger vor den Landgeherplünderern fürchten zu müssen, vielleicht so stark, dass wir die Meere von diesem Schmutz werden befreien können.«

Er betrachtete die Gesichter vor ihm. Einige Elai runzelten die Stirn, aber die meisten wirkten erfreut. Er blickte zu Imi hinüber, dann nahm er ihre Hand.

»Gemeinsam werden wir stolz und stark werden, und wir werden es erleben, dass die Inseln wieder von Elai bevölkert sind!«

Irgendjemand brach in Jubel aus, dann schlossen sich weitere Stimmen an. Langsam fiel die Erschöpfung von Imi ab. Sie sah zu ihrem Vater auf und grinste. Er lächelte sie an, und zum ersten Mal war es kein wachsames, nur angedeutetes Lächeln, sondern ein Ausdruck der Entschlossenheit.

Und gemeinsam gingen sie durch die Menge und zum Palast hinüber.

Danjin ließ sich neben seiner Frau auf einen Stuhl sinken. Silava lächelte ihn an und legte den Brief, den sie las, beiseite. Dann stand sie auf, holte einen Krug Tintra, den sie neben dem Kohleofen gewärmt hatte, und schenkte ihm einen Becher ein. Nachdem sie wieder Platz genommen hatte, griff sie abermals nach dem Brief.

»Welche Tochter ist es diesmal?«, fragte er.

»Deine älteste«, erwiderte sie mit gespielter Missbilligung über seinen Tonfall. »Deine Enkelin hatte Fieber, aber sie scheint jetzt auf dem Weg der Besserung zu sein. Meinst du, wir könnten sie diesen Sommer wieder besuchen?«

»Das hängt davon ab, ob…«

Ein Klopfen unterbrach ihn. Ihre Dienerin erschien und eilte zur Tür hinüber. Danjin konnte einen flüchtigen Blick auf einen weißgekleideten Mann werfen, bevor die Tür wieder geschlossen wurde.

»Eine Nachricht für Pa-Speer«, sagte die Dienerin respektvoll, bevor sie Danjin einen metallenen Zylinder reichte.

Silava warf einen Blick auf die Nachricht. »Musst du wieder zum Tempel?«

Er betrachtete den Metallzylinder verwirrt. »Normalerweise fordern sie mich einfach auf zu kommen. Diese Botschaft ist sehr formell.«

»Vielleicht ist es eine Einladung zu einer besonderen Zeremonie.«

»Vielleicht.« Er begutachtete das Siegel. Es war ungebrochen. Und soweit er sehen konnte, war der Zylinder keine Fälschung.

Silava trommelte mit den Fingern auf die Armlehne ihres Stuhls. »Wirst du ihn öffnen?«

»Irgendwann.«

»Warum nicht jetzt?«

»Du hast noch nicht lange genug an mir herumgenörgelt.«

Sie warf ihren leeren Becher nach ihm, und er bückte sich. Lachend erbrach er das Siegel und kippte die Schriftrolle, die darin lag, heraus. Silava stand auf, um ihren Becher aufzuheben und sich Tintra nachzuschenken. Danjin rollte die Schriftrolle auf.

Sein Blick wanderte über die Worte, aber sein Geist weigerte sich, ihre Bedeutung zu erfassen. Oder zumindest wünschte er, es wäre so gewesen. Als er die Nachricht dreimal gelesen hatte, legte er sie beiseite, dann starrte er den Kohleofen an, während er mit seiner Ungläubigkeit kämpfte.

»Was steht denn drin?«, fragte Silava.

»Auraya ist zurückgetreten.«

Er sah, wie Silavas Kopf abrupt hochfuhr. Einen Moment lang sagte sie nichts.

»Steht auch drin, warum?«

»Nein, aber hier heißt es, sie sei nach Si zurückgekehrt. Sie ist hierhergekommen. Nach Jarime. Und sie hat mir nichts davon gesagt.«

»Natürlich nicht. Wenn jemand gewusst hätte, was sie vorhatte, hätte es einen Aufstand gegeben.«

»Wahrscheinlich hast du recht. Ich hätte es geheim gehalten, aber wenn sie nicht wollte, dass die anderen Weißen von ihren Plänen erfuhren, hätte sie vielleicht…«

Es klopfte abermals an der Tür. Diesmal stand Danjin auf und öffnete. Ein weißgekleideter Bote überreichte Danjin mit feierlicher Miene einen weiteren Nachrichtenzylinder, machte das Zeichen des Kreises und eilte dann zu einem TempelPlattan zurück.

Danjin erbrach das Siegel und hielt die Schriftrolle in Händen, noch bevor er seinen Stuhl erreichte. Als er Aurayas elegante Handschrift sah, schlug eine Woge der Erleichterung über ihm zusammen. Sie hatte ihn nicht vergessen.

An Danjin Speer, ich habe nur wenig Zeit, um in Jarime zu verweilen, daher muss dieses Schreiben kürzer ausfallen, als mir lieb ist. Heute habe ich eine schwere Entscheidung getroffen, aber ich bedauere sie nicht. Ich bin von den Weißen zurückgetreten, um mich ganz der Aufgabe zu widmen, den Siyee zu helfen.