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Irgendetwas freut sie, so viel steht fest, ging es ihm durch den Kopf. Er beschleunigte seine Schritte und holte sie bald darauf ein. Sie stand am Rand eines Abgrunds, an dem die Schlucht ein jähes Ende fand. Als er ihrem Blick folgte, sah er, was ihr dieses Lächeln entlockt hatte.

Ein Wasserfall. Weit über dem Wasserfall neigten sich zwei steile Hänge einander zu und leiteten den Fluss zu einem Klippenrand. Das Wasser ergoss sich in einen breiten, tiefen See, bevor es mit einem fröhlichen Gluckern durch ein felsiges Flussbett, das sich unter ihnen dahinschlängelte, strömte und schließlich nach rechts abfloss. Über dem Wasserfall stieg Nebel auf, so dass die Luft feuchtigkeitsgeschwängert war.

»Wie hübsch«, bemerkte er.

Emerahl sah ihn von der Seite an. »Ja, nicht wahr? Lass uns einen Baum suchen, um den wir unser Seil schlingen können.«

Einige Minuten später waren sie beide hinabgestiegen, nachdem sie ihre Bündel mit Magie vorausgeschickt hatten. Emerahl überquerte den Fluss, indem sie von einem Stein zum nächsten sprang. Als sie auf den Wasserfall zuging, zögerte Mirar kurz, bevor er ihr folgte. Nachdem sie einen Monat lang durch dieses unwirkliche Land gewandert waren und viele prachtvolle Landschaften gesehen hatten, verspürte er nicht die geringste Neigung, einen Wasserfall zu erkunden. Ihm wäre es lieber gewesen, früher ans Ziel zu gelangen und sich gründlich ausruhen zu können.

Emerahl ging immer dichter an den Wasserfall heran. Das Rauschen dröhnte in seinen Ohren. Als sie die glatten Steinbrocken neben dem Wasserfall hinunterkletterte, blieb er stehen, um sie zu beobachten. Schließlich drehte sie sich um und winkte ihn mit einem Lächeln zu sich.

Achselzuckend folgte er ihr. Als er dicht neben ihr stand, grinste sie ihn an. Dann sah er, was sie entdeckt hatte. Hinter dem Wasserfall befand sich eine Höhle.

Emerahl ging hinein. Ein Anflug von Neugier trieb auch ihn weiter voran. Die Wände der Höhle glitzerten feucht. Die Höhle war größer, als er erwartet hatte, und der hintere Teil lag in Dunkelheit verborgen.

Er drehte sich noch einmal zu der Wand aus Wasser um. Die stetige, monotone Bewegung hatte etwas Hypnotisches.

»Mirar.«

Er riss sich von dem Anblick los und wandte sich zu Emerahl um. Sie hatte ein Licht geschaffen, und er stellte fest, dass sein erster Eindruck falsch gewesen war. Die Höhle hatte überhaupt keine hintere Wand. Sie war der Anfang eines Tunnels.

Seine Neugier wuchs, und er trat neben Emerahl.

»Kennst du diese Höhle?«, fragte er.

»Ich bin schon früher hier gewesen.«

»Ist dies unser Ziel?«

»Das könnte es sein. Zumindest könnte es ein guter Ort sein, um hier die Nacht zu verbringen. Und nun keine Fragen mehr.«

Ihre letzten Worte klangen sehr energisch. Er lächelte über ihren Tonfall, dann traten sie nebeneinander in den Tunnel.

Aus reiner Gewohnheit zählte er seine Schritte. Er war bis dreihundert gekommen, als sie eine weitere große Höhle erreichten. Emerahl versteifte sich, und ihre Schritte wurden langsamer, als lausche sie auf etwas.

Dann lächelte sie. Sie beschleunigte das Tempo jedoch nicht, sondern ging gemessen weiter. In der Mitte der Höhle angekommen, drehte sie sich zu ihm um.

»Hast du es gespürt?«

Er runzelte die Stirn. »Was soll ich gespürt haben?«

Sie nahm seinen Arm und zog ihn etwa zehn Schritte weit zurück, dann blieb sie stehen. »Versuche, eine deiner Gaben zu benutzen. Mach dir ein Licht wie meines.«

Er griff nach seiner Magie. Nichts geschah. Er versuchte es abermals, doch ohne Erfolg. Erschrocken sah er sie an. »Was…?«

»Es ist ein Leerer Raum. Ein Ort auf der Welt, an dem es keine Magie gibt.«

»Aber wie ist das möglich?«

»Das weiß ich nicht.« Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und schob ihn sanft in die Mitte der Höhle zurück. Widerstrebend gab er nach. Ihr Lichtfunke schwebte noch immer über ihnen.

»Wie bringst du das dann zuwege?«

»Ich habe die Magie dafür in mich hineingezogen, bevor wir in den Leeren Raum getreten sind«, antwortete sie. »Jetzt versuche es noch einmal.«

Er griff nach Magie, spürte, wie sie ihn durchströmte, und leitete sie nach außen ab, um sein eigenes Licht zu formen.

»Gut«, sagte sie nickend. »Es ist noch immer genauso wie früher. In der Mitte der Höhle gibt es Magie, die jedoch von einem Leeren Raum umgeben ist. Die Götter, die Wesen aus Magie sind, können den Leeren Raum nicht durchqueren, daher können sie dich hier nicht sehen. Es sei denn, sie blickten durch die Augen eines Menschen, der außerhalb des Leeren Raums steht.«

Er drehte sich langsam um. Jetzt, da sie ihn auf den Leeren Raum aufmerksam gemacht hatte, konnte er ihn mühelos wahrnehmen. Er ging auf die andere Seite hinüber.

»Geh nicht weg!«, warnte ihn Emerahl. »Komm zurück. Jetzt, da du weißt, was es mit diesem Ort auf sich hat, darfst du ihn nicht verlassen. Wenn die Götter uns beobachten, könnten sie deine Gedanken lesen und… und…« Eine steile Sorgenfalte erschien auf ihrer Stirn.

Er kehrte an ihre Seite zurück. »Wenn sie mich bei meiner Ankunft beobachtet haben, wissen sie ohnehin, wo ich bin.«

Sie musterte ihn eindringlich. »Hältst du es für wahrscheinlich, dass sie dich beobachtet haben?«

Er verzog das Gesicht und wandte sich ab. »Es ist möglich. Ich weiß es nicht…«

»Du darfst trotzdem nicht fortgehen. Wenn sie nicht wissen, was für ein Ort dies ist, wäre es mir lieber, sie würden es auch nicht erfahren.«

»Hast du die Absicht, mich für immer hier festzuhalten?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nur so lange, wie ich brauche, um dich zu lehren, deine Gedanken vor ihnen zu verbergen.«

Er musterte sie versonnen. Er hatte diese Fähigkeit vor langer Zeit gelernt, sie jedoch wieder vergessen, als er das Gedächtnis verlor. Es war schwierig, sie ohne die Hilfe eines Menschen, der Gedanken und Gefühle auffangen konnte, neu zu erlernen. Aber dies war tatsächlich ein guter Zeitpunkt, es zu versuchen.

»Und dann?«

Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Du hast mich gebeten, dich fortzubringen, aber du hast nicht gesagt, warum oder wohin. Ich habe vermutet, dass du dich in Sicherheit bringen wolltest, und ich habe dich an den sichersten Ort gebracht, den ich kenne.« Sie lächelte schief. »Außerdem vermute ich, dass du einige Dinge in deinem Geist in Ordnung bringen musst. Wenn du dabei Hilfe brauchst, werde ich alles tun, was ich kann.«

Er sah sich in der Höhle um. Sie war nicht die behagliche Hütte inmitten des Waldes, auf die er gehofft hatte, aber der Leere Raum entschädigte ihn dafür. Sie würde genügen müssen. Er streifte die Riemen seines Bündels von den Schultern und setzte sich auf den harten Steinboden.

»Dann sollten wir uns hier besser häuslich einrichten.«

4

Es war Nacht. Es war immer Nacht.

Ein schauriges Licht lag über der Szene. Sie konnte seine Quelle nicht sehen, aber es ließ die Gesichter um sie herum noch unheimlicher erscheinen.

Ihr Weg wurde von einem Leichnam versperrt. Sie stieg darüber hinweg und ging weiter.

Ich suche nach etwas. Wonach suche ich?

Sie dachte gründlich nach.

Nach einem Ausweg. Einem Ende des Schlachtfelds. Nach einer Fluchtmöglichkeit. Weil

Sie fing aus den Augenwinkeln eine Bewegung auf, und ihr Herz begann vor Furcht zu rasen. Sie wollte nicht hinsehen, tat es aber dennoch. Alles war still.

Ein weiterer Leichnam versperrte ihr den Weg: ein Priester, dessen Kopf und Oberkörper versengt und geschwärzt waren. Widerstrebend stieg sie über ihn hinweg.

Schau nicht nach unten.

Unter ihr bewegte sich etwas. Ihr Blick wurde hinabgezogen. Der Priester starrte zu ihr empor, und sie erstarrte vor Entsetzen. Er grinste sie an, doch bevor sie weitergehen konnte, packte seine versengte Hand sie am Knöchel.