Sie seufzte. »Nein, ich bin froh, dass es sich so gefügt hat, Juran. Das macht viele Dinge einfacher. Dinge wie das Hospital.«
Er lächelte und nickte. Einen Moment lang blickten sie beide schweigend zu dem Baum auf, dann stieß Juran einen Seufzer aus.
»Also, wie wollen wir an deine Idee herangehen, einen Verbindungsring zu schaffen, der die Gedanken seines Trägers abschirmt?«
Der Fluss unter ihnen war wie ein Band aus Feuer, in dem sich die leuchtenden Farben des Abendhimmels spiegelten. Veece seufzte über den Schmerz in seinen Armen. Als er die Flügel neigte, um dem Wasser zu folgen, konnte er seine Gelenke knarren hören. Er brauchte eine Ruhepause, was den Jüngeren nicht gefallen würde. Sie würden sich Sorgen machen, dass sie bis zur folgenden Nacht nicht nach Hause kommen würden.
Obwohl sein alter Körper nicht mehr so beweglich und robust war wie ihrer, war er doch immer noch ihr Sprecher. Sie würden sich nicht beklagen, wenn er sich entschied zu landen, obwohl sie ihn vielleicht aufziehen würden. Das war das Vorrecht der Jugend. Schließlich würden auch sie eines Tages alt sein. Sollten sie sich doch jetzt damit unterhalten, andere aufzuziehen, bevor sie selbst zum Gegenstand des Spotts wurden.
Der Fluss fiel über einem kleinen Kliff ab. Veece spürte einen Anflug von Feuchtigkeit in der Luft, die über dem Wasserfall aufstieg. Vor sich konnte er einen kleineren Wasserfall ausmachen. Er flog darüber hinweg und kam zu dem Schluss, dass diese Stelle ihm gefiel. Wenn er sich von dem trockenen Felsen am Rand abstieß, konnte er sich wieder in die Luft schwingen, ohne sich der Strapaze aussetzen zu müssen, zuvor ein Stück zu rennen und mit den Flügeln zu schlagen.
Er kreiste kurz, dann führte er die anderen zurück zu der Stelle über dem Wasserfall. Bei der Landung ging ein unangenehmer Ruck durch seine Knochen, aber einen Moment später zahlte sich das vorübergehende Ungemach aus, denn der Schmerz in seinen Gliedern verebbte, sobald er die Arme sinken ließ.
»Wir werden die Nacht über hierbleiben«, erklärte er. Reet runzelte die Stirn. »Vielleicht sollten wir dann ein wenig Nahrung sammeln«, sagte er und stolzierte in den Wald davon. Tyve eilte ihm nach und murmelte etwas von Feuerholz. Als Veece sich auf einen noch sonnenwarmen Stein setzte, hockte seine Nichte, Sizzi, sich neben ihn.
»Wie fühlst du dich?«, fragte sie.
»Ein wenig steif«, antwortete er und rieb sich die Arme. »Ich muss mich nur ein bisschen recken.«
Sie nickte. »Und was ist mit deinem Herzen?«
Er bedachte sie mit einem tadelnden Blick, den sie jedoch ungerührt erwiderte. Schließlich wandte er sich seufzend ab.
»Ich fühle mich besser, und ich fühle mich schlechter«, sagte er. »Nicht mehr wütend, aber immer noch… leer.«
Sie nickte. »Es war gut, was die Zirkler getan haben. Die Schilder für die Gräber und das Denkmal werden dafür sorgen, dass man unsere Hilfe und unsere Verluste niemals vergisst.«
»Diese Dinge werden ihn aber auch nicht zurückbringen«, rief er ihr ins Gedächtnis und verzog das Gesicht. Es war unnötig, darauf hinzuweisen, und er hörte sich an wie ein schmollendes Kind.
»Sie werden niemandem den Sohn zurückbringen«, murmelte sie. »Oder die Tochter. Oder die Eltern. Das lässt sich nicht ungeschehen machen. Und man sollte es sich auch nicht wünschen, wenn das bedeutete, dass diese Pentadrianer gesiegt hätten und hergekommen wären, um uns alle niederzumetzeln.« Sie schüttelte den Kopf, dann stand sie auf. »Ich habe gehört, dass die Zirkler Priester zu uns schicken wollen. Sie werden uns in der Heilkunst unterweisen und uns helfen, uns mit Magie zu verteidigen.«
Er schnaubte. »Für uns, die wir so weit entfernt vom Offenen Dorf leben, wird das keinen Nutzen haben.«
»Nicht von Anfang an«, pflichtete sie ihm bei. »Wenn du ein Mitglied unseres Stammes hinschickst, damit er oder sie von ihnen lernt, wird der Betreffende mit diesem Wissen zurückkehren.«
»Und du wärst gern dieser Be…«
»Veece! Sprecher Veece!«
Reet und Tyve kamen aus dem Wald gerannt und liefen zu Veece hinüber.
»Wir haben Fußabdrücke gefunden«, keuchte einer von ihnen. »Große Fußabdrücke.«
»Stiefelabdrücke«, verbesserte der andere ihn.
»Die müssen von einem Landgeher stammen.«
»Und sie sind frisch – die Abdrücke, meine ich.«
»Er kann nicht weit weg sein.«
»Sollen wir ihn aufspüren?«
Sie sahen Veece erwartungsvoll an, und ihre Augen leuchteten vor Erregung. Sie waren bereit, sich kopfüber in neue Gefahren zu stürzen, und das trotz ihrer Erfahrung mit dem Krieg. Oder vielleicht gerade deswegen. Er konnte nachvollziehen, dass ein junger Mann den Eindruck gewinnen musste, unverletzbar zu sein, wenn er selbst unversehrt aus der Schlacht hervorgegangen war, in der so viele den Tod gefunden hatten.
Dann fiel ihm wieder ein, was beim letzten Mal geschehen war, als eine einzelne Fremde in Si bemerkt worden war, und das Blut gefror ihm in den Adern.
»Wir sollten vorsichtig sein«, erwiderte er. »Was ist, wenn diese schwarze Zauberin mit ihren Vögeln zurückgekehrt ist, um sich an uns zu rächen?«
Reet und Tyve erbleichten.
»Dann können wir nicht fortgehen, ohne es herausgefunden zu haben«, sagte Sizzi leise. »Wir müssen alle Stämme warnen.«
Veece betrachtete sie überrascht und beeindruckt. Sie hatte recht, obwohl das bedeutete, dass sie um des Wohles ihres Volkes willen ein schreckliches Risiko eingehen mussten. Er nickte langsam.
»Wir sollten am besten gleich aufbrechen und morgen zurückkehren.« Er blickte von Reet und Tyve zu Sizzi hinüber. »Bei vollem Tageslicht wird es einfacher sein, diesen Landgeher – oder diese Gruppe von Landgehern – aufzuspüren. Wir werden hoffentlich feststellen können, ob Magie benutzt wurde oder ob diese schwarzen Vögel wieder hier sind, ohne den Landgehern begegnen zu müssen.«
»Was ist, wenn einer von uns gesehen wird?«, fragte Tyve. »Was ist, wenn es tatsächlich die Zauberin ist und sie uns angreift?«
»Wir werden alles daransetzen, dass man uns nicht sieht«, erklärte Veece energisch.
»Die meisten Landgeher machen so viel Lärm, dass man sie noch vom nächsten Berg hören kann«, fügte Sizzi hinzu.
Reet zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich ist es nur dieser Entdecker, der uns im vergangenen Jahr den Bündnisvorschlag von den Weißen überbracht hat. Es heißt, er sei ein wenig verrückt, aber er ist kein Zauberer.«
Veece nickte. »Aber wir dürfen nicht einfach darauf bauen, dass es sich tatsächlich um ihn handelt. Wir werden jetzt aufbrechen und uns für heute Nacht einen anderen Lagerplatz suchen – weit genug entfernt von dieser Stelle, dass ein Landgeher uns nicht erreichen kann, selbst wenn er oder sie die ganze Nacht hindurch marschieren würde.«
Er erhob sich, bog die Arme durch und ging dann, gefolgt von den anderen, zum Rand des Kliffs hinüber.
9
Der Domestik führte Reivan durch eine langgestreckte Halle. Eine Seitenwand war durchbrochen von Rundbogen, und als Reivan am ersten davon vorbeiging, sah sie, dass man von dort aus auf einen Balkon gelangte. Dieser Balkon bot einen beeindruckenden Ausblick über die Stadt und die dahinter liegende Landschaft.
Ich muss in den oberen Stockwerken des Sanktuariums sein, dachte sie nervös.
Der Domestik blieb vor dem letzten Rundbogen stehen, wandte sich zu ihr um und deutete nach draußen. Dann ging er wortlos davon.
Reivan hielt inne, um zu Atem zu kommen – und um ihren Mut zusammenzunehmen. Sie war spät dran. Die Zweite Stimme würde sie vielleicht nicht bestrafen wollen, fühlte sich möglicherweise aber dazu verpflichtet.