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»Bach, Steel und ein dritter Mann«, antwortete Kim.

»Nicht mehr?«

»Keine, die ich gesehen habe«, sagte sie. Lauter fügte sie hinzu: »Hat er dir ein Muster gezeigt? Ich meine: sensationelle Angebote haben viele, aber...«

»Keine Sorge. Sein Angebot ist seriös. Hier - sieh selbst.« Ich zog das Feuerzeug aus der Tasche, das mir Marcel gegeben hatte, reichte es ihr und gab ihr mit einer Geste zu verstehen, wie sie es öffnen konnte. Kimberley warf einen raschen Blick in das Geheimfach, drehte ein paar Mal am Zündrad und wollte mir das Feuerzeug zurückgeben, aber ich schüttelte den Kopf.

»Behalt es. Wenn wir ins Geschäft kommen, bekommen wir hunderte davon... falls uns die Konkurrenz nicht dazwischenfunkt, heißt das.«

Das junge Paar am Nachbartisch stand auf und ging.

Wahrscheinlich waren sie nicht in der Stimmung, einem Handlungsreisenden zu lauschen, der seiner Freundin von einem großen Geschäft vorschwärmte, das er in Kürze abzuschließen hoffte.

Nachdem wir endlich alleine waren, atmete Kim hörbar auf. »Ich dachte schon, sie gehen nie«, seufzte sie. »Wie ist es gelaufen?«

»Nicht sehr gut«, antwortete ich. »Ich hoffe, Marcel ist ihnen entwischt. Der Mann weiß eine Menge. Wäre Bach eine halbe Stunde später gekommen...«

»Ich habe noch eine schlechte Nachricht«, sagte Kimberley mit einer Kopfbewegung auf das Radio, das in der Wand über der Theke angebracht war. Ich hatte dem Programm bisher keine Beachtung geschenkt, aber es schien sich nicht von dem zu unterscheiden, das alle Radiosender des Landes an diesem Tag ausstrahlten: klassische Musik und wenn überhaupt, dann nur melancholische, traurige Schlager.

»Sie haben es gerade in den Nachrichten gebracht. Es hat einen Mord gegeben. In dem Motel, in dem wir übernachtet haben.«

»Steel.« Ich hatte mich nicht getäuscht. Es war ein Schalldämpfer gewesen.

»Zwei Tote«, fuhr Kim fort. »Ein junges Ehepaar. Ich glaube, sie hatten das Apartment neben uns...«

»Dann hat er sich offenbar in der Tür geirrt. Oder wusste nicht genau, in welchem Apartment er uns findet. Er scheint sehr gründlich vorzugehen.«

»Aber das... das ist Wahnsinn«, murmelte Kim. Ihr Gesicht blieb unbewegt, aber in ihrer Stimme war ein Ton, der mich schaudern ließ. »Welcher normale Mensch würde so etwas tun?«

»Keiner«, antwortete ich. »Aber Steel ist kein normaler Mensch mehr.«

»So wie ich, wolltest du sagen.« Kims Augen wurden um einen Ton dunkler.

»Unsinn! Er ist...«

»Übernommen«, unterbrach mich Kim. Ihre Stimme war ganz ruhig. Kalt. »Besessen. Von einem Ganglion befallen... Nenn es, wie du willst, aber es läuft immer auf das Gleiche raus. Ihm ist dasselbe passiert wie mir.«

»Aber das ist doch nicht wahr!«, protestierte ich. Die unheimliche Dunkelheit in ihren Augen war noch immer da und in ihrer Stimme war etwas, das mich fast in Panik versetzte. »Steel und du, das... das sind zwei grundverschiedene Dinge! Dieses... Ding ist nicht mehr in dir! Es hat niemals Gewalt über dich erlangt. Ganz davon abgesehen, dass Steel wahrscheinlich schon vorher ein Psychopath war.«

Ich streckte die Hand über den Tisch, um nach ihren Fingern zu greifen, aber Kim zog den Arm zurück und deutete ein Kopfschütteln an. »Und meine Träume?«, fragte sie. »Und das andere? Wieso kann ich sie spüren? Wieso weiß ich Dinge, die ich eigentlich gar nicht wissen kann?«

»Hör endlich auf damit!«, unterbrach ich sie; anscheinend eine Spur zu laut, denn ich sah aus den Augenwinkeln, wie der Mann hinter der Theke für einen Augenblick in seiner Tätigkeit innehielt und stirnrunzelnd in unsere Richtung blickte. Ich rettete mich in ein verlegenes Lächeln und ein Achselzucken, ehe ich mich wieder an Kimberley wandte und erneut - allerdings viel leiser - sagte: »Hör auf damit, Schatz. Das ist nicht wahr und du weißt es. Sie haben dich nicht gekriegt. Wir haben das Ding früh genug aus dir herausgeholt. Du bist immer noch du!«

»Bin ich das?« Kim schluckte ein paarmal. Ihr Gesicht wirkte weiter unbewegt, aber ich spürte, dass sie nur noch mühsam die Tränen unterdrückte. »Weißt du, John, genau das ist es, was ich mich frage. Bin ich wirklich noch ich? Oder bin ich nur noch ein... ein Ding, das aussieht wie ich, denkt wie ich und sich einbildet, es wäre ich?«

»Hör auf damit«, sagte ich leise. »Bitte! Es ist alles in Ordnung. Warum quälst du dich so?«

Weil eben nicht alles in Ordnung war. Kim sagte nichts mehr, aber ich kannte die Antwort auf meine eigene Frage nur zu gut. Nichts war mehr so, wie es gewesen war, seit ich das Ding in der Kühlkammer im unterirdischen Labor von Majestic gesehen hatte. Selbst im Tode hatte mich der Anblick dieser Kreatur noch bis ins Innerste erschüttert. Und Kim hatte einen Teil dieses Wesens in sich gehabt. Wie konnte ich mir auch nur für eine Sekunde einbilden, dass sie dieses schreckliche Erlebnis mit einem Achselzucken abtun und anschließend zur Tagesordnung übergehen konnte, als wäre nichts geschehen?

»Sie kommen«, sagte Kimberley.

Ich sah zum Hotel hinüber. Bach, Steel und Phil Albano - der Mann, dessen Namen Kim nicht gekannt hatte - traten hintereinander aus dem Hotel. Sie waren nicht allein. Jesse Marcel ging mit steinernem Gesicht zwischen ihnen. Er hatte es nicht geschafft.

»Ist er das?«, fragte Kim.

»Marcel.« Ich nickte. »Verdammt!«

»Wer ist dieser Mann?«, fragte Kim in nachdenklichem Ton. »Er kommt mir irgendwie bekannt vor.«

»Vermutlich hast du sein Bild in der Zeitung gesehen«, antwortete ich, ohne Bach und seine Begleiter aus den Augen zu lassen. »Er war der offizielle Pressesprecher der Army damals beim Roswell-Zwischenfall.«

»Der Mann, der den Zeitungen erzählt hat, sie hätten Trümmerstücke eines UFOs gefunden?«

Ich nickte. »Und der am nächsten Tag in aller Öffentlichkeit zugeben musste, dass er dumm genug war, die Fetzen eines Wetterballons mit den Trümmern eines außerirdischen Raumschiffes verwechselt zu haben, ja.«

»Wozu sie ihn vermutlich gezwungen haben.«

»Nicht sie«, korrigierte ich. »Bach.«

»Dann dürfte er nicht besonders gut auf ihn zu sprechen sein«, vermutete Kim. Sie schüttelte den Kopf. »Ich frage mich, wie viele Leben Frank Bach noch zerstört hat.«

»Unseres wird er jedenfalls nicht zerstören«, versprach ich. Bach und die anderen traten an den Straßenrand. Ich sah ohne eine Spur von Überraschung, wie eine große Limousine mit getönten Scheiben aus einer Parklücke nur ein paar Wagen entfernt ausscherte und vor ihnen wieder anhielt.

»Wie lange steht dieser Wagen schon da?«, fragte ich.

»Bach ist damit gekommen«, antwortete Kim. »Warum?«

Ich antwortete nicht, aber ich gestand mir ein, dass ich schon wieder einen Fehler gemacht hatte. Ich hätte einfach wissen müssen, dass Bach nicht mit einem Taxi gekommen war oder gar zu Fuß. Hätte in diesem Wagen dort drüben jemand gesessen, der mein Gesicht kannte, dann hätte Bach jetzt nicht einen, sondern drei unfreiwillige Begleiter. Ich hatte geglaubt, mich an das Leben auf der Flucht bereits gewöhnt zu haben. Aber die Wahrheit war wohl, dass ich noch eine Menge darüber lernen musste.

Falls mir genug Zeit dafür blieb.

23. September 1963, 21:47

Jack Rubys Carousel Club

»Worauf um alles in der Welt wartet er eigentlich?« Kimberleys Stimme verriet weit mehr über ihren Gemütszustand, als es ihre Worte oder der Ausdruck erzwungener Ruhe taten, der auf ihrem Gesicht lag. Wir saßen seit annähernd einer Stunde in dem Wagen, den ich voller Unbehagen gemietet hatte, und beobachteten das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite - voller Unbehagen, weil die Kosten für den Buick erneut ein unverhältnismäßig großes Loch in unseren ohnehin schon schmalen Etat rissen, aber auch, weil eine so alltägliche Handlung wie das Mieten eines Wagens plötzlich zu einer potenziellen Gefahr geworden war, denn sie hinterließ Spuren, denen Bach nicht nur folgen konnte, sondern ganz bestimmt auch würde. Möglicherweise kannte er bereits das Kennzeichen des Buick. Möglicherweise kannte auch Steel bereits diesen Wagen und möglicherweise waren es gar nicht wir, die Steel beobachteten, sondern genau anders herum...