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»Unsinn«, murmelte ich. Gleichzeitig versuchte ich den Gedanken abzuschütteln. Ich war dabei, Bach und Majestic den größten Gefallen zu tun, zu dem ich überhaupt fähig war: Nämlich, mir selbst einzureden, dass wir keine Chance hatten, diesen ungleichen Kampf durchzuhalten. Kim sah mich fragend an, aber ich schüttelte nur den Kopf, deutete mit der gleichen Bewegung auf Steel und sagte: »Anscheinend wartet er auf jemanden.«

»Seit einer halben Stunde?«

»Vielleicht geht seine Uhr ja falsch«, antwortete ich.

»Du meinst, seine Uhr tickt nicht richtig?«, fragte Kim pointiert.

Meine Finger begannen nervös und ohne mein bewusstes Zutun den Takt einer Melodie auf dem Lenkrad zu trommeln, die mir schon seit Jahren immer wieder im Kopf herumging. Kim sagte nichts mehr, aber das musste sie auch nicht. Ihr Einwand war nur allzu berechtigt gewesen. Steel gehörte nicht zu den Männern, die eine halbe Stunde zu früh zu einer Verabredung kamen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Mein Blick suchte zum vielleicht fünfzigstenmal innerhalb der letzten halben Stunde die Straße vor und hinter uns ab. Alles war ruhig. Vielleicht sogar zu ruhig.

»Glaubst du, dass Bach dahinter steckt?«, fragte Kim nach einer Weile.

Ich benötigte zwei, drei Sekunden, um ihrem Gedankensprung zu folgen und überhaupt zu verstehen, was sie meinte. »Der Mordanschlag auf uns?« Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte es nicht erklären, aber ich war sicher, dass Bach nichts von dem kleinen Privatkrieg wusste, den Steel gegen uns führte. »Nein.«

»Dein Vertrauen in Frank Bach scheint ja grenzenlos zu sein«, sagte Kim spöttisch.

»Nicht in Frank Bach«, antwortete ich, »aber in Frank Bachs Vernunft. Es wäre ziemlich dumm von ihm, uns umbringen zu lassen, bevor er weiß, was wir bereits herausgefunden haben - und vor allem, mit wem wir schon alles geredet haben. Außerdem... wenn Bach unseren Tod wollte, dann wären wir bereits tot.«

»Wie beruhigend«, sagte Kim. Sie begann in ihrer Handtasche herumzukramen, zuckte nach einem Augenblick enttäuscht mit den Schultern und fragte: »Hast du eine Zigarette?«

»Lieber nicht«, antwortete ich mit einer Geste auf Steel. »Er könnte die Glut sehen.«

Ich hatte den Wagen auf der anderen Straßenseite geparkt, gut dreißig Meter von Steel entfernt. Aber Steel war nicht mehr nur Jim Steel. Keiner von uns wusste, ob er nicht vielleicht mittlerweile über andere, schärfere Sinne verfügte als der Mann, der er einmal gewesen war. Möglicherweise war er sogar in der Lage, unsere Nähe einfach zu spüren; so, wie Kim umgekehrt seine Nähe fühlte. Aber ich hütete mich, diesen Gedankengang laut auszusprechen.

»Ein Striplokal!« Kimberley schüttelte den Kopf und sah nicht zum erstenmal mit einem verständnislosen Stirnrunzeln zu der flackernden Leuchtreklame an der Wand hinter Steel hoch.

»Vielleicht eine Tarnung für Majestic«, antwortete ich. Wahrscheinlicher aber war, dass Steel diesen Treffpunkt ziemlich willkürlich ausgesucht hatte. Irgendwie erschien mir das passend für den Kerl.

»Eigentlich schade«, fuhr ich fort.

»Was?«

»Dass die Hive Steel nicht als allerersten Menschen übernommen haben«, antwortete ich. »Vielleicht hätten sie ja von ihm auf den Rest der Menschheit geschlossen und wären zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich nicht lohnt. Wer will schon einen ganzen Planeten voller Psychopathen?«

»Die Hive«, antwortete Kim ernst. »Ansonsten würden sie uns nicht angreifen.«

Die Lichter eines Wagens erschienen im Rückspiegel. Mein Herz begann ein wenig schneller zu schlagen, als ich sah, dass es sich um einen Streifenwagen der Polizei handelte, und noch ein wenig schneller, nachdem er keineswegs beschleunigte, nachdem er um die Kurve gebogen war, sondern im Gegenteil noch mehr an Tempo verlor. Als er an uns vorbeirollte, war er kaum schneller als ein Fußgänger, der gemächlich dahinschlendert. Ich spürte, wie sich Kim auf dem Sitz neben mir versteifte. Ich sah, dass nur ein einzelner Mann im Wagen saß, und das war an sich schon ungewöhnlich. Auch in den frühen Sechzigern gingen Polizeibeamte meistens zu zweit auf Streife.

Der Wagen hielt nicht an, sondern rollte langsam an uns vorbei, wechselte plötzlich die Straßenseite und kam unmittelbar vor Steel zum Stehen. Steel löste sich von seinem Platz an der Wand, an der er die letzte halbe Stunde gelehnt und eine Zigarette nach der anderen geraucht hatte. Ich beugte mich weiter vor, strengte meine Augen an und verfluchte insgeheim die Tatsache, vorsichtig gewesen zu sein, statt das Risiko einzugehen und näher bei Steel zu parken. Immerhin konnte ich erkennen, dass der Polizist die Scheibe herunterkurbelte und Steel etwas gab: eine durchsichtige Kunststofftüte, in der sich irgendetwas aus Metall befand.

»Das... sind Patronen«, sagte Kimberley erstaunt. »Gewehrmunition...?«

»Vielleicht will er jemanden erschießen«, antwortete ich.

»Vielleicht hat er das ja schon«, fügte Kim hinzu. »Was bedeutet das, John?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete ich. »Was ist mit dem Polizisten? Ist er auch besessen?« Die Frage tat mir bereits leid, noch bevor ich sie ganz ausgesprochen hatte. Ich hatte mir fest vorgenommen, Kim nicht auf ihre unheimliche Fähigkeit anzusprechen, die Nähe eines Ganglions zu spüren.

Sie reagierte jedoch nicht verletzt, sondern hob nur die Schultern. »Ich habe nichts gespürt. Aber ich glaube es nicht.«

Steel steckte den Beutel mit den Patronen ein, griff in eine andere Tasche und lieferte mir die Antwort auf meine Frage, denn er zog ein ganzes Bündel Geldscheine heraus und zählte eine nicht geringe Anzahl davon ab, die er dem Cop reichte. Agenten der Hive würden sich kaum gegenseitig für ihre Dienste bezahlen.

»Was bedeutet das?«, murmelte Kim erneut, nachdem sie eine Weile konzentriert und stirnrunzelnd in Steels Richtung geblickt hatte. »Gewehrkugeln... Glaubst du, dass... dass es das bedeutet, was ich glaube?«

Ich wusste nicht, was sie glaubte, aber ich spürte, dass ich es eigentlich hätte wissen müssen. Ich wollte es nicht wissen, das war die Wahrheit. Noch nicht.

»Ich werde es herausfinden«, sagte ich entschlossen. »Warte hier.«

Ich streckte die Hand nach dem Türgriff aus, aber Kimberley hielt mich mit einer erschrockenen Bewegung zurück. »Nicht!«

Die Heftigkeit ihrer Reaktion überraschte mich; und Kimberley anscheinend auch selbst, denn sie zog die Hand fast genauso hastig wieder zurück. Einen Moment lang sah sie eindeutig verlegen aus. »Ich... ich meine nur... sei bitte vorsichtig.«

»Ganz bestimmt«, versprach ich und das war so ehrlich gemeint, wie es klang. Steel hatte uns schließlich vor weniger als vierundzwanzig Stunden auf die nur denkbar drastischste Weise bewiesen, dass er es bitter ernst meinte. Und ich war nicht lebensmüde. Um Kim (aber wahrscheinlich noch viel mehr mir selbst) zu beweisen, dass ich es ernst meinte, griff ich auf den Rücksitz, nahm die Waffe aus dem Koffer und entsicherte sie, ehe ich sie einsteckte. Kimberley sah nicht so aus, als beruhige sie dieser Anblick, aber sie sagte nichts dazu.

Ich wartete, bis der Polizeiwagen wieder abgefahren war, dann öffnete ich die Tür und stieg aus; mit einer wie zufällig wirkenden Drehung, die hoffentlich nicht nur möglichst natürlich wirkte, sondern auch dafür sorgte, dass Steel mein Gesicht nicht erkennen konnte, sollte er zufällig in unsere Richtung blicken. Ich wartete zwei, drei Sekunden, in denen ich scheinbar am Türschloss herumfummelte, dann nickte mir Kim aus dem Wagen heraus beruhigend zu, und ich wagte es, mich endgültig herumzudrehen. Steel ging gerade, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe zum Eingang des Striplokals hinauf. Über dem Eingang schrie eine pinkfarbene Leuchtreklame THE CAROUSEL CLUB in die Nacht hinaus. Sie war so schäbig wie das gesamte Gebäude, selbst für Steel eigentlich zu schäbig.